Wie Fitnesstracker auf die Psyche wirken

Wie Fitnesstracker auf die Psyche wirken

Immer mehr Menschen tragen Fitnesstracker, und das rund um die Uhr. Die Selbstvermessung wird zur Gewohnheit und es sorgt für schlechte Laune, wenn Trainings oder Schritte nicht aufgezeichnet werden können. Welche Einflüsse hat das aber dann für unsere Psyche? Unsere Redakteurin hat recherchiert.

Von Jule Schweitzer

 

Seit Oktober 2022 habe ich einen treuen Begleiter um mein Handgelenk. Einen Begleiter, der mir sagt, wie lange und wie gut ich schlafe, wie viel ich mich bewege, wie viel Zeit ich in bestimmten Herzfrequenz-Zonen verbringe und wie viele Kalorien ich mit alldem verbrenne. 

Als Person, die manchmal auch gerne Trends hinterher rennt, um ihren Sinn später zu reflektieren, habe ich nach 1,5 Jahren tragen meiner Fitbit letzte Woche auf mein leeres linkes Handgelenk mit Fitbit-Bräunungsstreifen herunter gesehen, als ich die Uhr abnehmen musste, weil ich im Basketballtraining niemanden damit verletzen wollte. 

Ich war letzte Woche im Trainingslager. Der Tag bestand aus bis zu sechs Stunden intensiven Trainingseinheiten, wobei ich während nur vier davon meine Uhr tragen wollte, weil die letzten zwei im aktiven Basketballspiel viel Körperkontakt bedeuteten. 

Um andere zu schützen, nahm ich also meine Uhr ab und bemerkte immer wieder diesen Stich, diesen leichten Ärger darüber, gleich nicht mehr aufgezeichnet zu bekommen, wie viele Schritte ich in diesem Training laufen und in welche Zonen meine Herzfrequenz gejagt werden würde. Ich fühlte mich, als wäre mein Training dadurch weniger wert, als hätte es nicht stattgefunden. Gespräche darüber zeigten mir, dass ich nicht die einzige war, die ihrer Uhr so viel Relevanz für das Training zuschrieb. 

Wie also kann es passieren, dass wir ein Training, das unser Körper bewusst durchläuft, als weniger wert wahrnehmen, wenn wir es gewohnt sind, es normalerweise aufzuzeichnen? Und was für Konsequenzen kann das für unsere Psyche haben?

Zahrt und Kollegen haben 2023 eine kontrollierte, randomisierte Longitudinalstudie mit dem Namen “Effects of Wearable Fitness Trackers and Activity Adequacy Mindsets on Affect, Behavior, and Health: Longitudinal Randomized Controlled Trial” gemacht. 

Wie der Name schon sagt, ging es dabei um den Einfluss von Fitness Trackern auf Activity Adequacy Mindsets (AAM), also für wie adäquat ich meine eigene Aktivität einschätze. 

In dieser Studie wurden 162 Teilnehmende über eine Baseline Woche und vier Testwochen dazu beauftragt, einen Fitnesstracker (in dem Fall war es eine AppleWatch) zu tragen. In der Baseline-Woche wurde ihre tägliche Schrittzahl kalibriert, aber nicht angezeigt. In den folgenden vier Wochen konnten die Teilnehmenden ihre Schrittzahl sehen, in einigen Fällen wurde sie allerdings manipuliert. Ein Teil sah die korrekte Schrittzahl, ein andere eine inkorrekte Schrittzahl: Entweder wurde die tatsächliche Schrittzahl auf dem Display um 40% erhöht oder verringert. Die letzte Gruppe erhielt über die Zeit eine Intervention, in der sie bezüglich ihres Mindsets gestärkt wurde. Das Activity Adequacy Mindset wurde vor und nach dem Experiment anhand von Fragebögen getestet. 

Zahrt und Kollegen kamen zu drei Ergebnissen: 

  1. In der Bedingung der korrekten Schrittzahl wurde das AAM und die mentale Gesundheit verbessert. Auf die körperliche Gesundheit gab es keine Auswirkungen
  2. Die Gruppe, die inkorrektes Feedback über die geringere Schrittzahl erhalten hat, nahm an Selbstbewusstsein und mentaler Gesundheit ab, zeigte dafür aber einen erhöhten Blutdruck und eine erhöhte Herzfrequenz und einen erhöhten Negativen Affekt
  3. Die Teilnehmenden, die eine Meta-Mindset Intervention erhielten, hatten eine größere Steigerung des AAMS als die erste Gruppe, sowie bessere affektive Erfahrungen und allgemein bessere mentale Gesundheit. Zudem hat sich auch die funktionale Gesundheit verbessert, d.h. die Teilnehmenden fühlten sich bei täglichen Aktivitäten fitter und fähiger. 

Zusammengefasst bedeutet das, dass, was wir auf der Uhr sehen (oder eben nicht, wenn man sie für ein Training ablegen muss, oder der Akku leer ist, was ähnlich der Bedingung mit der manipulierten Schrittzahl ist), tatsächlich einen Einfluss darauf haben kann, wie adäquat wir unsere Aktivität wahrnehmen. Wenn wir unsere Aktivität als inadäquat wahrnehmen, kann das tatsächlich physiologische Parameter wie Herzfrequenz und Blutdruck und psychologische wie unsere Stimmung negativ beeinflussen.

Das Gute: Diese Effekte können vermieden werden, wenn wir uns über unsere Mindsets bilden und sie reflektieren. 

In der Studie sah das wie folgt aus: 

  • Videos mit Informationen über gesundheitsbezogene Einstellungen allgemein
  • Videos über Activity Adequacy Mindsets im besonderen und darüber, dass Mindsets selbsterfüllende Effekte haben können
  • Eine Reflexion darüber, welche Aktivitäten die Teilnehmenden bei sich in der vergangenen Woche bemerkt haben (eingeschlossen Bewegung in der Arbeit, beim Putzen, o.ä.)
  • sie wurden dazu aufgefordert auch all diese Formen der Bewegung als Aktivität zu zählen und sich dafür zu feiern
  • Die Teilnehmenden wurden dazu aufgefordert, zu überlegen, welche Einflüsse ihre körperliche Aktivität kurz- und langfristig haben kann

Ich persönlich möchte jedenfalls meinen Blutdruck, meine Laune und die Wahrnehmung meiner sportlichen Leistung nicht von einem kleinen schwarzen Kasten abhängig machen (der mir übrigens auch schon mal angezeigt hat, dass mein Puls bei 184 liegt, weil ich zwar im Stehen, aber sehr schnell und mit viel Vibration aus dem Boden gedribbelt habe). Deshalb ist es wichtig, dass wir, unabhängig davon, ob die Uhr gerade am Handgelenk ist oder nicht, jede Form der Bewegung als solche wahrnehmen und lernen, allein schon dafür, dass wir uns bewegen, stolz auf uns sein zu dürfen.

Beitragsbild: unsplash.com I Dushawn Jovic

Und hier die Open-Source-Studie: Journal of Medical Internet Research – Effects of Wearable Fitness Trackers and Activity Adequacy Mindsets on Affect, Behavior, and Health: Longitudinal Randomized Controlled Trial (jmir.org)

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