»Das Leben besteht schließlich nicht nur aus lustigen Katzenvideos«

»Das Leben besteht schließlich nicht nur aus lustigen Katzenvideos«

Nach einem erfolgreichen Start wurde die Ausstellung »Noch dicht? Oder schon Dichter? – Kunst eines Zoomers« bis Ende Juni verlängert. Die Lautschrift war vor Ort und hat sich ein Bild davon gemacht.

von Anne Nothtroff

Die Kunstobjekte sind keine klassischen Gemälde, sondern das geschriebene Wort. An den Wänden hängen Poster mit Sprüchen, Gedichten und Texten. Von poetisch und tiefsinnig über sarkastisch bis hin zu bissig und absurd. Manchmal steht man davor und will weinen – manchmal krümmt man sich vor Lachen. 

Nach ihrer Ausstellung »A Hund bist scho?« in Bad Abbach präsentiert die Künstlerin Paulina Grünewald neue Werke im W1 – Zentrum für junge Kultur. Nach einem erfolgreichen Start im April wurde die Ausstellung »Noch dicht? Oder schon Dichter? – Kunst eines Zoomers« nun bis Ende Juni verlängert. 

Durch ihre Poster und großflächigen Gedichte versucht Paulina Grünewald vor allem ihre eigene Generation anzusprechen. Oft fehle ihr der Zugang zur abstrakten Malerei, gesteht die 23-jährige Künstlerin. Deshalb wolle sie mit ihren Bildern direkter sein sowie Themen aufgreifen, die junge Menschen kennen und belasten. In ihrem Vorwort zur Ausstellung schreibt Grünewald, dass zwischen schweigen, lachen und weinen alles erlaubt ist. 

Mit ihrem Gedicht »Ode an die Kartoffel« setzt sie alltägliche Gegenstände in Szene. Dabei ist es ihr wichtig zu zeigen, dass Gedichte nicht nur öde und langweilig sind. Sie müssen auch nicht immer nur von Dingen wie Ehre und Liebe handeln, wie man es klassischerweise aus dem Deutschunterricht kennt. Zum Verweilen lädt die Fernsehwand ein, auf der verschiedene Filme mit Schlagzeilen beschrieben sind – erraten ist erwünscht. In einem ausgelegten Märchenbuch kann man sogar mit eigenen Texten und Kritzeleien zur Ausstellung beitragen. Ein Reim neben der Toilette sorgt für ein kurzes Schmunzeln und als Student:in der Geisteswissenschaften fühlt man sich natürlich sofort in die Klokabinen des Philosophie-Theologie-Gebäudes der Universität Regensburg versetzt. Ob Grünewalds Wortspiel mit den höchst philosophischen Kritzeleien der PT-Toiletten mithalten kann, wird an dieser Stelle nicht verraten. 

Bild: Anne Nothtroff

Auch wenn die Ausstellung klein ist, ist sie deshalb nicht weniger tiefgründig. Neben humorvollen und lustigen Wortspielereien zeigt Grünewald auch ein bewegendes, gar verzweifeltes Bild unserer Generation: Junge Menschen, die sich nirgendwo zugehörig fühlen – eine gemischte Playlist aus den 80ern, 70ern und 90ern sind. Von Bindungsangst erfüllt und als Opfer eines digitalen Zeitalters können sie nur noch rote Herzen schicken, anstatt »Ich liebe dich« sagen. In Wohlstand erstickt, auf der Jagd nach Likes, begleitet von dem permanenten Druck glücklich zu sein, sind sie vor allem eins: Chancenlos.

Wenn man als junger Mensch diesen Text betrachtet, fühlt man sich zum einen verstanden, zum anderen ertappt. Ob man näher an das Werk herantreten möchte oder lieber auf Abstand geht, ist dem Betrachtenden selbst überlassen. Gefühle und eigene Worte können mit bereitgelegten Stiften auf Papier geschrieben und in der Ausstellung zurückgelassen werden – das Leben bestehe schließlich nicht nur aus lustigen Katzenvideos. Dabei soll es vor allem eins geben: Raum. Raum zum Verarbeiten, Raum zum Interpretieren und Raum zum Fühlen. 


Die Ausstellung kann noch bis zum 21.06 im W1 – Zentrum für junge Kultur immer mittwochs, donnerstags und freitags von 16 bis 20 Uhr besucht werden. 

Auf Instagram ist Paulina Grünewald unter @goereundchiller zu finden. Ihre Website ist die folgende: www.goereundchiller.de – dort ist auch ihr Etsy-Shop verlinkt.


Beitragsbild: Anne Nothtroff

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