Kurzkritik zur Oper »Valuschka«: ‚Einen Schnee wird es nicht mehr geben‘
Die deutschsprachige Version Peter Eötvös‘ in Ungarn uraufgeführter Oper »Valuschka« feierte am Samstag, den 03. Februar 2024 in Regensburg Premiere. Zwei Monate nach der Uraufführung in Budapest darf nun auch die brandaktuelle groteske Oper von Peter Eötvös in das deutsche Theater. Auch die Lautschrift war bei der Premiere und berichtet.
von Franziska Werner
Es ist seine erste ungarische Oper, die Eötvös nun im Dezember in Budapest und Anfang Februar in Regensburg herausbringt. Sein Dirigierstudium hat der gebürtige Ungar in Deutschland absolviert. Nach gut zwei Jahren bringt er nun in Zusammenarbeit mit Literaturübersetzer György Buda, der den Text für dieses deutschsprachige Libretto übersetzte, im Theater Regensburg unter der Leitung von Sebastian Ritschel mit Valuschka seine 13. Oper heraus.
Die groteske Oper Valuschka basiert auf dem Roman: »Die Melancholie des Widerstands« von László Krasznahorkai. Der Roman wurde bereits im Jahr 2000 vom ungarischen Regisseur Béla Tarr in »Die Werckmeisterschen Harmonien« auf die Leinwand gebracht. Nun ist die Geschichte aktueller denn je und schafft es in diesem Jahr erstmals in Regensburg auf die Bühne.
Krasznahorkais Roman erschien 1989, im Jahr des Mauerfalls und spielt in einer Kleinstadt, in der das reine Chaos herrscht und eine Bewegung mit dem Namen »Es grünt so grün« den Anschein macht, wieder Ordnung in die Gesellschaft zu bringen.
Worum geht’s?
János Valuschka, eigentlich eher eine Nebenfigur, ist hier Spielball verschiedener Kräfte inmitten des politischen Kräftemessens.
Nur er hat Kontakt zum einzig überzeugendendem Gesicht der Stadt, dem Professor, dem Mann der Bürgermeisterin Frau Tünde. Er wird sich ihrer Meinung nach nur durch gutes Zureden durch Valuschka dem Bündnis anschließen. Frau Tünde ist es nämlich, die die Bürgerinitiative »Es grünt so grün« ins Leben rufen möchte.
Für die Überzeugung ihres Ehemannes, dem Professor, mit dem sie nicht mehr zusammenlebt, spricht Frau Tünde mit Frau Pflaum, der Mutter von Janos Valuschka, mit der sie seit Kindheit befreundet ist. Es brauche den Jungen Valuschka, der gutmütiger nicht sein könnte. Doch dass Gutmütigkeit leicht ausgenutzt werden kann, wird im Folgenden schnell klar.
Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst und damit auch das Bedürfnis nach Rache. Sind wir verloren? Diese Frage stellt sich, wenn man nur umgeben ist von wütenden Aufständen und Bürgerkriegen und der Gutmensch nur noch schief angeschaut wird. Dafür ist kein Platz in so einer Gesellschaft, hier herrscht der Pöbel.
Wenn man von der Besetzung der Frau Tünde und ihrer Mitstreiterin Frau Pflaum absieht, handelt es sich bei dem Ensemble dieser Produktion um eine reine Männerbesetzung, welche hier eine dominante Rolle einnimmt. So dominant, dass sie ein Abbild des Pöbels wird, der trunkenen Meute, die nur eins will, und zwar Aufstand und Krieg: Sei es in einem Zugabteil, in dem die einzige Frau unter den Männern belästigt wird oder in der Rolle der Frau Tünde, die sich erst durch das Einverständnis ihres Mannes den Ruhm der Bürgerinitiative auf ihre Kappe schrieben lässt, um ihre nun erlangte Macht schlussendlich zu missbrauchen. Die Dominanz der männlichen, zerstörerischen, destruktiven Kraft lässt sich nicht mehr aufhalten.
Die Inszenierung am Theater Regensburg
Das Stück ist so aktuell wie ein Stück nur aktuell sein kann. Die Mischung aus Gewalt und Angst wird musikalisch unter der Leitung des Generalmusikdirektors Stefan Veselka mit massiven Klängen unterstrichen. Und das Orchester sitzt, wie die wütende Menge ebenfalls in Angriffsposition: Links zwei Tuben, rechts zwei Tuben. Diese Aufstellung wiederholt sich in der vergleichsweise eher kleinen Besetzung des Orchesters in den Reihen der Bläser und Streicher. Zudem sitzen für die tiefen Klänge eine Bassklarinette und zwei Kontrabässe im Orchestergraben.
Doch was neben der besonderen Rolle des Orchesterklangs am meisten beeindruckt, ist sicherlich das Bühnenbild. Ein Vorhang nach dem nächsten fällt auf der Bühne, bis sie sich zum Schluss fast ganz auflöst. In das Zugabteil, das naturgetreuer nicht dargestellt werden konnte, wurde sogar eine Toilette eingebaut. So kann man in der zweiten Szene, in der wir uns noch im Zug befinden, das Geschehen im Zug und Szenen in der Toilette gleichzeitig beobachten. Kristopher Kempf, Bühnenbildner in dieser Produktion, sagte in der Vorbesprechung der Matinee zuvor, Bühnenbild und Kostüm müssten strikt zusammenarbeiten. Und dass bei Kostümen hier an Arbeit und Mühe nicht gespart wurde, lässt sich an den Perücken der wilden 90er und der modernisierten postsowjetischen Mode erkennen.
Doch auch im Bühnenbild wird klar, die Geschichte spielt zu einer grauen, kalten Zeit. Die Bewegung, die sich zu Beginn mit dem Titel »Es grünt so grün« nach Neuanfang und Hoffnung anhört, entpuppt sich zum Schluss als militaristische Bewegung mit der überzeugendenden Rolle der Frau Tünde als Anführerin, gespielt von Kirsten Labonte. Und der gutherzige Valuschka, gespielt von Benedikt Eder, endet durch sein naives Denken und Anfälle der Melancholie in den Bierstuben der Stadt schlussendlich in der Nervenheilanstalt, in der er zu lebenslanger Behandlung verurteilt wird.
Im Gespräch mit Dramaturg Ronny Scholz stellt der Intendant Sebastian Ritschel treffend fest: »Die Oper Valuschka ist eine bitterböse Parabel über Machtergreifung und aufkeimenden Faschismus.«
So spricht das Marschliedchen Bände, in dem die eingebautes Zeilen von Erich Kästner (1932) ihre Wirkung erzielen:
Wie ihr’s euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!
Beitragsbild: Marie Liebig I Theater Regensburg