Kunst der Störung: Von der Schönheit des Fehlers
Noch bis zum 17.03. läuft in der Pinakothek der Moderne in München eine Ausstellung, die sich der »Kunst der Störung« widmet. Eine faszinierende Reise in das metamediale Reich von Fehler, Unfall und Zufall.
Von Johannes F. Schiller.
Erst das Fehlerhafte schärft die Aufmerksamkeit für Unregelmäßigkeiten, Auffälligkeiten, Störsignale. Sie lassen das Bild wieder als solches wahrnehmbar werden in einer Welt der Impermanenz von Bildern: »Zerbrochene Smartphone-Displays, ein Knistern in der Radioübertragung, eingefrorene Bilder im Videocall. Erst im Moment der Störung richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit der technischen Medien.« In »Fehlern« steckt ebenfalls kreatives Potenzial. »Sie zeigen, dass sie Chancen darstellen und dazu anregen, andere Perspektiven einzunehmen und neue Wege zu beschreiten«, fasst Kuratorin Franziska Kunze zusammen. Nun widmet sich die Pinakothek der Moderne in München diesem Phänomen in einer Sonderausstellung.
Schon seit der Frühzeit der analogen Fotografie beschäftigt sich die Kunst mit dem Einbruch des Zufälligen; dasjenige, was der äußeren Kontrolle entgeht. »Glitch« beschreibt hier das unerwartete Ergebnis einer Fehlfunktion, etwa in Fernseh- oder Radiotechnologie. Im allgemeinen Sprachgebrauch verweist er auf Programmier- oder Grafikfehler, besonders seit der Computer-Ära. Mit dem Aufkommen digitaler Bildtechnologien in den 1990er-Jahren konnte sich eine eigenständige Kunstbewegung, die Glitch Art, etablieren.
Mediengruppe Bitnik und Sven König, Download Finished.
The Art of Filesharing, 2006, Copyleft: !Mediengruppe Bitnik & Sven König
Vom Unfall zum ästhetischen Artefakt
Aus einer kunstwissenschaftlichen Perspektive ist die Bezeichnung des Fehlerhaften zunächst irritierend. Denn wie etwas »Fehler« nennen, wenn er bewusst herbeigeführt wird? Der Fehler muss zwangsläufig dem Ausgangsmaterial selbst entspringen, der medialen Bedingtheit des Kunstwerks geschuldet sein. Künstler:innen manipulieren elektronische Geräte oder beschädigen gezielt digitale Daten, um dahinterliegende Strukturen, Codes etc., offenzulegen. Was ehemals Unfall oder digitaler »Müll« genannt, wird zum genuinen ästhetischen Objekt erhoben. In der Störung wird das beobachtbar, was sonst verborgen bleibt: der Filmstreifen beim Filmriss, die verwendeten Chemikalien, die dahinterliegende materielle Basis. »Störungen einzubeziehen erlaubt eine Art Dialog mit dem Medium«, so Christian Doeller, einer der ausgestellten Künstler:innen. Sie machen sichtbar, dass es sich um Konstruktionen handelt.
Die Sonderausstellung »Glitch« kann man auf 1200 Quadratmetern Ausstellungsfläche erkunden und hautnah Foto-, Video- und Soundkunst erleben. Mit Arbeiten von unter anderem Kilian Breier, Inge Dick, Gottfried Jäger, Arthur Jafa, Joan Jonas, André Kertész, Germaine Krull, Nam June Paik, Sigmar Polke, Man Ray, Evelyn Richter, Pipilotti Rist, Wolfgang Tillmans und Peter Weibel.
Bilder: https://www.pinakothek.de/de/glitch