»Sie haben keine neue Nachricht« – Vom Suchen und (nicht) Finden einer neuen Bleibe

»Sie haben keine neue Nachricht« – Vom Suchen und (nicht) Finden einer neuen Bleibe

Ein WG-Zimmer zu finden ist in Regensburg gar nicht mal so leicht. Obwohl, oder gerade, weil es in der Stadt nur so von Studierenden wimmelt, gibt es längst nicht genügend Angebote für alle. Wie geht es denen, die trotzdem suchen? Unsere Autorin schreibt über verschiedene Stadien, die Studierende auf ihrer Wohnungssuche in Regensburg aktuell durchlaufen (könnten).

»Umzug: Neues Angebot zu Ihrem Suchauftrag gefunden«, informiert mich mein Emailpostfach in letzter Zeit regelmäßig. Immer dann, wenn auf WG-Gesucht ein neues Zimmer angeboten wird – und das ist gar nicht mal so selten. Schließlich geht es auf das Ende des Semesters zu, zahlreiche Studierende schließen Bachelor-, Master- oder Lehramtsstudiengänge ab und brechen damit langsam die Zelte in den pittoresken Altbauten der Regensburger Innenstadt ab, um Platz für neue Mitbewohner:innen zu schaffen. Würde man meinen. Dass das Ende des einen Semesters aber immer auch gleichzeitig den drohenden Beginn des nächsten bedeutet und, dass deshalb natürlich noch deutlich mehr Studierende nach Zimmern suchen als überhaupt jemals angeboten werden können, macht den sehnsüchtigen Wohnungssuchenden leider schnell einen Strich durch die Rechnung.

Es hilft natürlich nicht, dass sich in meinem Kopf schon vorab dieses Bild festgesetzt hat: eine gemütliche WG in der Regensburger Altstadt, hohe Decken, schiefe Wände und die entspanntesten Mitbewohner:innen der Welt. Solche, die im Sommer gerne an der Donau sitzen, Spikeball spielen und für gelegentliche Kneipenabende zu haben sind, aber auch fleißig Sport treiben. Solche, die offen und herzlich sind, immer gut gelaunt und ebenso entspannte Freund:innen haben, mit denen man in gemischten Grüppchen Zeit verbringt. Solche, die genau dasselbe Level an Sauberkeit erwarten, wie man selbst, nie vergessen, wenn sie den Glasmüll raustragen sollen und mit denen es in der Hinsicht deshalb auch nie Konflikte gibt. Solche, die aktiv sind, gerne gemeinsam kochen, Musik hören oder mal Gesellschaftsspiele spielen. Und die gibt es ziemlich sicher auch.

Je öfter ich allerdings meine Lieblingsnudelsorte, meine Lieblingsband oder auch einfach eine Aufzählung meiner diversen Hobbys – im Sommer an der Donau sitzen, Spikeball spielen, durch die Regensburger Kneipen ziehen, kochen, Gesellschaftsspiele spielen, Freunde treffen und und und – zügig in das Kontaktfeld einer neuen verlockenden Anzeige bei WG-Gesucht tippe, um möglichst schnell, personalisiert und freundlich auf den Anzeigentext antworten zu können, desto mehr beschleicht mich das Gefühl, dass 99 Prozent der anderen Wohnungssuchenden im selben Moment exakt das Gleiche schreiben. Regensburger Studierende sind in dieser Hinsicht doch eine eher homogene Gruppe. Auf Antwort zu hoffen, besonders wenn die angestrebte WG am Neupfarrplatz, am Fischmarkt oder in der Glockengasse liegt, ist daher ein aussichtsloses Unterfangen.

Schnell lernt man, dass zwanzig kontaktierte Anzeigen nicht gleichbedeutend sein müssen mit zwanzig Zu- oder Absagen zu WG-Castings. Stattdessen herrscht im Postfach gähnende Leere, während man fast im Echtzeittempo beobachten kann, wie immer mehr der Zimmer das Label »deaktiviert« oder »vermietet« erhalten. Irgendwann geht man also doch dazu über, die zuvor liebevoll zusammengestellten Nachrichten zu kopieren, ein paar Details passend zu verändern und an geeigneter Stelle erneut ins Kontaktfeld einer neuen Anzeige einzufügen. Die Erfolgsaussichten steigen dadurch allerdings nur sehr bedingt – oder eher gar nicht.

Ein letzter Versuch wird gestartet und ich schalte selbst eine Anzeige. Es fühlt sich an wie ein Fall von »jung, ledig, verzweifelt sucht« und abgesehen von einer sehr sympathischen, aber leider nicht ganz passenden Antwort und zwei Anfragen, die sehr stark vermuten lassen, dass das entsprechende Zimmer so nie existiert hat und auch nie existieren wird, bleibt auch hier der große Ansturm aus. Letztendlich bleibt jetzt nur noch warten übrig, während man weiter die eigenen Persönlichkeitseigenschaften in unterschiedlichen Reihenfolgen zusammenpuzzelt, sodass sie bestmöglich zu den zukünftigen Mitbewohner:innen passen und an Silvester einen geheimen Neujahrswunsch in den Himmel schickt – vielleicht reagiert ja wenigstens das Universum auf die Nachricht.

Letztendlich gilt: Die Masse machts. Nach mehreren Wochen mit unruhigem Schlaf, unkontrolliertem Öffnen und Schließen der WG-Gesucht App, zahlreichen Nachrichten an Bekannte, in der Hoffnung man könnte doch noch über Kontakte an ein passendes Zimmer kommen, melden sich dann doch die ersten WGs zurück. Zwar haben sie mit dem ursprünglich imaginierten Idyll nahezu nichts gemeinsam, in den Gesprächen und bei den Besichtigungen merkt man aber, dass es auch ziemlich gut passen kann, wenn nicht alle Idealvorstellungen abgedeckt sind – und man fragt sich schließlich auch, ob diese Idealvorstellung am Ende überhaupt zwangsläufig glücklich gemacht hätte. Was in jedem Fall glücklich macht, ist am Ende den „Deinstallieren“-Button bei WG-Gesucht zu drücken, den Suchauftrag endlich zu deaktivieren und kurz mal durchschnaufen zu können. Als nächstes heißt es: sich freuen, Kisten packen und die Strapazen der Wohnungssuche hinter sich lassen.


Beitragsbild: Alicia Christin Gerald I Unsplash

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