Alles ist vergänglich, außer der Krieg selbst – »Draußen vor der Tür« im Theater Regensburg
Ein Mann, gefangen zwischen Kriegstrauma und gesellschaftlicher Ablehnung – Mit dem Drama »Draußen vor der Tür« von Wolfgang Borchert präsentiert das Theater Regensburg ein Stück über die vergebliche Heimkehr aus dem Krieg.
von Anne Nothtroff
Das Heimkehrerdrama »Draußen vor der Tür« hat den Untertitel »Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will«. Möglicherweise, weil der Autor Wolfgang Borchert einen ehrlichen Blick auf das zerstörte Nachkriegsdeutschland gibt. Bewahrheitet hat sich der Untertitel jedoch nicht. Nach der Uraufführung im Jahr 1947 wurde das Werk bereits unzählige Male inszeniert. Seit dem 28. Oktober auch im Antoniushaus in Regensburg.
Wer einen lustigen Theaterabend genießen möchte, sollte jedoch eine andere Vorstellung aus dem Repertoire des Theater Regensburg wählen. Bereits auf der Website befindet sich der Trigger-Hinweis, die Inszenierung setze sich auf sprachlicher und darstellerischer Ebene mit Kriegserfahrungen und Suizid auseinander.
Über die Handlung
Nach unzähligen kalten Nächten an der Front kehrt der Protagonist Beckmann aus dem Krieg in seine Heimatstadt Hamburg zurück. Dort muss er feststellen, dass nichts mehr so ist, wie es einmal war. Der Krieg hat ihm nicht nur seinen Vornamen, seine Eltern und sein altes Leben genommen, sondern auch seine Lebensfreude, seine Würde und seine Seelenruhe. Schmerzlich erfährt er, dass es keinen Platz mehr für ihn in der Gesellschaft gibt. Ebenso kann er niemanden finden, der ihm die Verantwortung für all jene, die unter seinem Kommando im Krieg umgekommen sind, abnehmen möchte. Mit dieser schweren Last und von Albträumen geplagt, kehrt er immer wieder auf die Straße zurück. Von der Gesellschaft ausgegrenzt, bleibt er draußen vor der Tür – seelisch und körperlich kaputt. Protagonist Beckmann ist kein Einzelschicksal. Vielmehr steht er für eine ganze Generation von Männern, die aus dem Krieg als Täter zurückkamen und mit dieser Verantwortung allein gelassen wurden.
Die Regensburger Inszenierung
Antje Thoms inszeniert das Stück mit einem melancholisch-dramatischen Erzählfluss. Stellenweise gibt es jedoch kurze humorvolle Szenen. So ist ein Schmunzeln im Publikum zu vernehmen, als der übersatte, rülpsende Tod (Paul Wiesmann) dem weinenden Gott (Paul Wenning) im Prolog begegnet.
Die Umsetzung des Stoffes gelingt der Dramaturgin Anna Lieselotte Gerhards sehr gut. Dabei wird dem Zuschauenden genug Freiraum zur Eigeninterpretation gelassen. Beispielsweise ist die zeitliche Abfolge der dargestellten Szenen nicht immer eindeutig und regt zum Nachdenken an. Auch die zweifache Darstellung des Protagonisten mit zwei unterschiedlichen Schauspielern im vorderen und hinteren Bühnenbereich ist sehr gelungen. Einige Textstellen werden synchron oder versetzt gesprochen, wodurch die Wirkung der Worte intensiviert wird.
Die Schauspieler Thomas Mehlhorn und Guido Wachter präsentieren damit, sowohl auf sprachlicher Ebene als auch auf darstellerischer Ebene, eine überzeugende Interpretation des Protagonisten Beckmann. Gemeinsam sind die beiden Darsteller in dieser Spielzeit auch in der Inszenierung »Der nackte Wahnsinn« zu sehen. Paul Wiesmann liefert eine gelungen Umsetzung der Rolle »Der Andere, den jeder kennt«, die als Gegenspieler zu Beckmanns Suizidalität interpretiert werden kann.
Nicht nur schauspielerisch kann die Inszenierung überzeugen. Als Bühnenbild kommt eine Konstruktion mit verschiedenen Fenstern zum Einsatz, in denen jeweils unterschiedliche Szenen stattfinden. Die elektrische Rollläden, die für die einzelnen Bühnenbildwechsel heruntergelassen werden, geben dem Bühnenbild eine zeitgenössische Note. Teilweise sind die Darsteller:innen in den Fenstern durch eine Folie vom weiteren Bühnengeschehen getrennt, welche unter anderem die gesellschaftliche Ausgrenzung des Protagonisten Beckmann symbolisieren dürfte.
Die Figuren des Stücks existieren auch im realen Leben
Auch im anschließenden Nachgespräch wird deutlich: Das Stück von Wolfgang Borchert hat in einer Welt, in der alles vergänglich ist außer der Krieg selbst, eine fortbleibende Relevanz. Schauspielerin Natascha Weigang ermutigt die Zuschauer:innen auch im Alltag nach den Rollen des Theaterstücks Ausschau zu halten. Die Figuren aus dem Stück gebe es auch heute noch: Menschen, die unter post-traumatischen Belastungsstörungen und Kriegsfolgen leiden, ebenso wie Personen, die von der Gesellschaft abgelehnt werden. Somit wird das Stück aus dem Theater heraus in das reale Leben geholt und lädt zu einer Auseinandersetzung mit den Themen Moral, Verantwortung und Schuld ein.
Beitragsbild: Thomas Mehlhorn und Guido Wachter © Tom Neumeier Leather
Weitere Informationen zum Stück gibt es auf der Website des Theater Regensburg.