Vaginismus – wenn Sex zur Qual wird
»Und wann hattest du dein erstes Mal?«, fragt eine Freundin mich. Wir sind grade siebzehn und sitzen uns gegenüber. »Hm, das war so vor einem halben Jahr oder so.«, antworte ich ihr leise. Ich traue mich nicht, ihr die Wahrheit zu sagen. Ich hatte noch nie Sex. Dabei habe ich es so oft versucht. Aber mein Körper will nicht so, wie ich es gerne hätte.
»Du musst nur den Richtigen finden«
Ich liege auf seinem Bett. Eingerollt in Embryonalstellung. Heute haben wir es wieder versucht, aber es tut so weh. Heiße Tränen laufen mir über die Backen und ich schäme mich. Schäme mich für meinen Körper. Er vergewissert mir, dass alles okay ist, dass er mich liebt und wir zusammen einen Weg finden können. Doch er kann mir meine Angst nicht nehmen. Was, wenn es nie klappt?
»Was, wenn es nie klappt?«, frage ich sie. Sie ist meine Gynäkologin und versucht gerade, mich zu untersuchen. »Ach, mach dir keine Sorgen. Du musst nur den Richtigen finden, und jetzt huste mal, ich komm sonst nicht in dich rein.« Ich frage nicht weiter nach, sie versteht mich doch eh nicht. Vielleicht muss ich mich einfach damit abfinden, dass ich keinen Sex haben kann. Vielleicht ist das mein Los.
Vaginismus – eine der häufigsten Sexualstörungen bei Frauen
Wenige Monate nach dem Gynäkologentermin finde ich dann einen Artikel zum Thema Vaginismus. Zum ersten Mal seit Langem fühle ich mich verstanden. Und zum ersten Mal seit Langem habe ich Hoffnung – Hoffnung, dass es ja vielleicht doch noch klappt.
Vaginismus ist eine sexuelle Funktionsstörung, die organischen, aber meistens psychischen Ursprung haben kann. Hier kommt es zu einer so starken Verkrampfung der Muskulatur des Beckenbodens, dass Penetration, in Form von beispielsweise Geschlechtsverkehr oder dem Einführen von Tampons, äußerst schmerzhaft oder unmöglich ist. Aber was genau löst den Vaginismus, auch Scheidenkrämpfe genannt, aus? Die DAK schreibt hier: »Experten und Expertinnen gehen davon aus, dass die Verkrampfung der betroffenen Beckenbodenmuskulatur ein unbewusster und starker Abwehrreflex der Frau ist. Der Grund ist häufig die Angst vor (erneuten) Schmerzen oder Verletzungen im Intimbereich.« Es gibt zahlreiche unterschiedliche Ängste, welche die Störung auslösen können: Trauma durch sexuellen Missbrauch oder die Geburt eines Kindes, religiöses Trauma, allgemeine Ablehnung von Penetration, schmerzhafte gynäkologische Untersuchungen oder auch Probleme in der Partnerschaft. Vaginismus kann aber auch angeboren sein.
Was kann ich dagegen tun?
Es gibt unterschiedliche Methoden, welche dem Vaginismus entgegenwirken können. Zum einen werden Psycho- oder Sexualtherapien empfohlen, aber auch Beckenbodentraining oder das Dehnen der Vagina mit Vaginaldilatoren können zur Behandlung von Scheidenkrämpfen angewandt werden. Vaginismus ist komplex und bis heute sind viele Behandlungsansätze noch relativ unerforscht.
Wichtig ist vor allem, dass betroffene Frauen sich verstanden fühlen. Sex ist bis heute ein Thema, welches mit vielen Stigmata, mit Scham, Angst und Unverständnis verbunden ist. Diesen gilt es aktiv entgegenzuwirken, beispielsweise in Schulen oder auch bei gynäkologischen Untersuchungen.
Heute habe ich keine Ängste mehr und keine Schmerzen. Und heute verstehe ich auch, dass mein Wert nicht davon abhängt, ob ich in der Lage bin, Geschlechtsverkehr zu haben oder nicht.
Quellen:
https://www.dak.de/dak/doktorsex—alles-ueber-sexuelle-aufklaerung/vaginismus-2538774.html#/