Abschied vom Vertrauten
Wer umzieht, verliert für eine gewisse Zeit die Wohligkeit seines Zuhauses – und fühlt sich wie in eine kalte Winternacht geworfen. Über Bedauern, Angst und Zuversicht in ungewissen Lebensphasen.
Sich in der eigenen Wohnung wohl fühlen – das ist nicht selbstverständlich. Umso schöner ist es, wenn man sich abends gerne in sein Zimmer verkrümelt, um bei Lichterkettenschein ein gutes Buch zu lesen. So geht es mir mit meinem kleinen Apartement, das ich mir nach meinem Geschmack eingerichtet habe und auf das ich mich nach einem langen Tag an der Uni immer freuen kann.
Bald werde ich all das aufgeben müssen: In nur drei Wochen, zwischen Weihnachten und Silvester, ziehe ich aus. Dann werde ich die Poster von den Wänden reißen, meine Bücher und Klamotten in Umzugskartons stapeln und schließlich alle Möbel ausräumen – vorbei ist es dann mit der Gemütlichkeit.
Und danach? Vermutlich erst mal aus dem Koffer leben, sich zur Zwischenmiete für ein paar Wochen in den Zimmern fremder Leute provisorisch einrichten – denn nach dem Ende meines Studiums verschlägt es mich die nächsten Monate erst mal in andere Städte. Wann ich wieder ein dauerhaftes Zuhause haben werde, das ich mir nach meinen Vorstellungen gestalten kann, ist noch ungewiss.
Eine Wohnung aufzugeben, bedeutet nicht einfach, seine Sachen von A nach B zu verlagern – vor allem, wenn man in eine andere Stadt geht. Es ist ein schmerzhafter Prozess, verbunden mit dem Abschied von täglichen Routinen, der Uni oder dem Arbeitsplatz und natürlich von Freunden, die man nun seltener sehen wird. Auch der Stadt, die man liebgewonnen hat, muss man Lebewohl sagen. Bei jedem Abstecher in die Altstadt denke ich: Das ist die letzte Gelegenheit, dieses oder jenes Restaurant zu besuchen oder mit den Kommiliton:innen feiern zu gehen. Denn wie oft ich für einen Besuch nach Regensburg zurückkommen kann, weiß ich noch nicht.
Wegziehen ruft schöne Erinnerungen hervor an das, was man alles erlebt hat – und Reue. Warum habe ich nicht mehr Neues ausprobiert, wieso bin ich jede Woche in dieselben Bars gegangen, wo die Stadt doch so viel mehr zu bieten hat? Ich habe doch eine ganze Liste an Dingen, die ich noch sehen, noch ausprobieren wollte! Vor allem Corona hat mir Zeit gestohlen, in der ich so vieles zusammen mit meinen Freunden hätte erleben können.
Doch noch habe ich ein paar Wochen in Regensburg, die ich für Unternehmungen nutzen kann. Außerdem: Die letzten Jahre waren intensiv. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt und mich weiterentwickelt. Nach fünf Jahren Studium wird es jedoch Zeit für Veränderung. Und dafür ist es nun mal notwendig, eine Umbruchsphase zu durchlaufen, auch wenn sie unbequem ist. Grund zur Angst gibt es schließlich nicht. Denn eine Zeit der Ungewissheit ebnet den Weg für ein neues Zuhause, das einem genauso ans Herz wachsen wird wie das vorherige.
Beitragsbild: cottonbro studio