Wohnen in der Fremde

Wohnen in der Fremde

Ich bin gerne und viel unterwegs. Allein dieses Jahr war ich in Prag und Wien, in Ungarn, der Slowakei, Frankreich und Irland, über Weihnachten und Silvester geht es nach London. Als Studentin versuche ich dabei, vor allem in den Unterkünften an Geld zu sparen.

von Ida Müermann

Die wichtigste Frage bei der Urlaubsplanung lautet: Wo werde ich wohnen? Bei der Suche nach der richtigen Unterkunft helfen eine Vielzahl an Apps, um das billigste, am besten bewertete und dabei noch zentral gelegene Angebot zu finden. Auch bei einem begrenzten Budget von 20 bis 25 Euro pro Nacht gibt es jede Menge Auswahl. Der Klassiker ist natürlich das Bett in einem Hostel. Ein wenig seltsam ist es schon, sich das Schlafzimmer mit drei bis neun fremden Menschen zu teilen. Zumal man doch immer wieder auf die gefürchteten Schnarcher trifft. Mit meinem Freund war ich einmal in Hamburg in einem Schlafsaal für vier Personen. Außer uns beiden war noch genau ein weiteres Bett belegt, das vierte blieb leer. Wir hatten trotz der geringen Chance den Jackpot geknackt: Der Mann schnarchte unglaublich laut, man konnte innerlich wie im Comic das Hochbett wackeln sehen. Ohrstöpsel sind also ein muss, um die Atemgeräusche der Bettnachbar:innen auszublenden.

Mit oder ohne Mitbewohner:innen

Das Hostel ist auf jeden Fall die Option mit der wenigsten Privatsphäre, allerdings gibt es sie meist nur in größeren Städten. Wenn man also in einer abgelegen Gegend Urlaub machen möchte, bieten sich eher Apartments oder Zimmer an. Zu zweit oder mit mehreren Mitreisenden bleibt man auch dort im finanziellen Rahmen. Das einzige Problem ist, dass man dabei auch an skurrile Wohnungen kommen kann. In Lyon zum Beispiel schliefen wir auf einem Dachboden mit zehn Quadratmetern in einer zugigen Kammer, die kalt war und nach Schimmel roch, das Waschbecken war verstopft und die Dusche stand mitten im Zimmer. Ein anderes Mal wohnten wir zu sechst in Wien und sahen an der Tür der Nachbarwohnung den Abrissbescheid hängen. Neben günstigen Ferienwohnungen, in denen man ein Bad und meistens eine Küche für sich hat, gibt es aber auch jede Menge Leute, die Zimmer in ihren eigenen Wohnungen vermieten, wie eine Art kurzzeitige WG. Ein interessantes Konzept, wenn man seine Mitbewohner:innen nicht kennt und seinen privaten Raum immer wieder mit Fremden teilt. Daraus wird eine WG, in der man zwar immer wieder die Möglichkeit hat, neue Menschen kennenzulernen, aber dafür stets das Bad, die Küche und das Wohnzimmer so ordentlich halten muss, als kämen gleich die Eltern zu Besuch. Der Putzplan besteht darin, hinter Fremden her zu wischen – wobei es schon Fälle gab, in denen sich Vermieter:innen nicht darum gekümmert haben. Beim Blick an die Decke der Küche konnte man dann ein paar neue, sich windende und krabbelnde Mitbewohner:innen entdecken…

Spontane Freundlichkeit unter Fremden

Was jedoch ganz besonders am Reisen ist, sind die unerwarteten Begegnungen und Momente der Freundlichkeit, die einem das Lächeln ins Gesicht zaubern. So erging es mir auf dem Weg von Frankreich nach Irland. Am Bahnhof der französischen Hafenstadt angekommen wurde mir von einer jungen Frau spontan Übersetzungshilfe für die Ticketbuchung angeboten, da ich leider kaum ein Wort Französisch spreche. Dementsprechend gut gelaunt machte ich mich auf die Suche nach der Fähre und bekam überraschend das Angebot, zum Hafen gebracht zu werden – bei meinem riesigen Rucksack eine willkommene Erleichterung. Wegen all der Freundlichkeit in Hochstimmung suchte ich mir auf dem Schiff ein ruhiges Plätzchen für die sechzehn Stunden Überfahrt über Nacht – eine Kabine war zu teuer gewesen. Ein bisschen unheimlich war es mir schon, da die riesige Fähre wegen geringer Passagier:innenzahlen eher einem Geisterschiff glich. Wenig später kam eine Frau vorbeispaziert, die ich schon beim Check- in kennengelernt hatte. Wir unterhielten uns ein bisschen und sie sagte mir spontan zu, dass ich das freie Bett in ihrer Kabine bekommen könnte. Durch die Freundlichkeit einer völlig Fremden, hatte ich plötzlich eine sehr bequeme Unterkunft für die lange Überfahrt. Für solche und viele andere unvergessliche Momente lohnt es sich immer wieder, die vertraute Wohnung zu verlassen. Auch für die Musik, die Landschaften und das leckere Essen – und, um sich am Ende über die Rückkehr in die eigenen vier Wände zu freuen.


Beitragsbild © Valentin Brosda

Wohn:sinn ist zurück! Nach einem Semester Pause startet die Kolumne wieder mit neuen Themen.

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