Buchrezension: »Stay away from Gretchen«
Krieg, Demenz und Rassismus: Dies ist nur eine Auswahl an Themen, die Susanne Abel in ihrem historischen Roman anschneidet. Ihre in den 2010er-Jahren spielende Handlung entführt Leser:innen mittels Rückblenden in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und erzählt von einer verbotenen Liebe.
Von Luisa Spannagl
Worum geht es in diesem Buch?
Tom Monderath ist ein bekannter Moderator aus Köln, dessen Leben durchgetaktet und stressig ist, aber gegenüber der Öffentlichkeit perfekt wirken soll. Dennoch bereitet ihm jemand Sorgen: seine 84-jährige Mutter Greta, die zunehmend vergesslicher wird. Beispielsweise fährt sie orientierungslos von Köln nach Aschaffenburg und wird dort in die Klinik gebracht oder lässt den Wasserhahn aufgedreht und überschwemmt so das Bad. Tom muss sich daher um seine Mutter kümmern, was ihm nicht in seinen Alltag passt.
Doch unerwarteterweise erfährt Tom dadurch Dinge aus der Vergangenheit seiner Mutter, von denen er bisher nichts wusste. Er findet ein Foto, welches von einem GI (einen amerikanischen Soldaten) an Greta geschickt wurde. Auf diesem Foto ist ein ihm unbekanntes Mädchen zu sehen. Seine Mutter möchte allerdings keine Fragen dazu beantworten, er hingegen möchte mehr über dieses Mädchen und die Vergangenheit seiner Mutter erfahren.
Greta ist in Ostpreußen aufgewachsen, musste ihre Heimat aber im Krieg verlassen. Samt ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihren Großeltern floh sie vor der Roten Armee nach Heidelberg. Die russischen Soldaten raubten Menschen aus, vergewaltigten Frauen und holten schließlich auch Greta auf der Flucht ein. Auch wenn sie sich nicht an ihr vergingen, da Greta für einen Jungen gehalten wurde, erlebte sie daraufhin eine schreckliche Zeit und war getrennt von ihrer Familie. Erst im Jahr 1946 trafen sich die Familienmitglieder in Heidelberg wieder. Doch auch hier führten sie ein hartes Leben und mussten alles daransetzen, um überleben zu können.
In Heidelberg trafen Greta und Bob, der GI, das erste Mal aufeinander. Bob beschützte Greta vor einem weißen GI in einem Lokal, wurde deshalb von anderen Soldaten zusammengeschlagen und festgenommen. Die Beiden verliebten sich. Von der Liebe der Beiden durfte niemand etwas wissen, da sie verboten war. Greta aber wurde von Bob schwanger und die Beziehung ließ sich nicht mehr verstecken. Bob wollte für Greta und sein Kind da sein, kam jedoch von einem Amerikabesuch nicht mehr zurück.
Nach der Geburt Maries, welche am 23. Mai 1949 geboren wurde, begann für Greta ein Albtraum. Beschimpfungen gegen ihr Baby kamen zum einen von der Bevölkerung und zum anderen auch von ihrem Vater, der aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte. Greta und Marie konnten folglich nicht länger bei der Familie bleiben. Marie wurde trotz Gretas großen Widerstands in ein Kinderheim gebracht, woraufhin sie von einer amerikanischen Familie adoptiert wurde und dort aufwuchs.
Als Tom von all dem erfährt, möchte er unbedingt seine Schwester finden und stößt dabei auf Artikel über »brown babies«. »Brown babies« werden Kinder genannt, die nach Ende des zweiten Weltkrieges von deutschen Müttern geboren werden und afroamerikanische Väter haben. Diese Kinder wurden von der deutschen Bevölkerung nicht akzeptiert und beschimpft sowie diskriminiert. Tom reist nach Amerika, um dem Rätsel seiner Familie auf den Grund zu gehen.
Was hat mir an dem Buch gefallen?
Das im Jahr 2021 erschienene Buch ist meiner Meinung nach besonders, da gleich mehrere Themen wie Demenz, Krieg und Rassismus in eine Handlung eingebettet und somit miteinander verknüpft werden. Der Rassismus nach 1945 sowie weitere Formen von Diskriminierung werden eindringlich und schockierend geschildert.
Spannung wird durch die zwei Handlungsstränge erzeugt, die die Ereignissen der Jahre 2015/2016 und der Kriegszeit beschreiben. Durch diese im Wechsel auftretenden Handlungen erhält man sowohl Einblicke in Toms Welt, der mit der Demenz und der Geschichte seiner Mutter konfrontiert wird, als auch Eindrücke von Gretas Kriegserfahrungen, ihrer Flucht und ihrer verbotenen Liebe.
Thematisiertes Buch: Stay away from Gretchen von Susanne Abel.
Beitragsbild: DariuszSankowski I pixabay