Tagebucheintrag einer Frau
Ein Tag voller Cat-calling, was ich davon halte, was damit zusammenhängt und warum ich nie meine Klappe halten kann und auch nicht werde.
Von Eleonore Krisa
Vor ein paar Wochen haben ich und zwei Freundinnen von mir entschieden, einen Ausflug nach Bamberg zu machen.
Ich fuhr also mit dem Zug von Regensburg nach Nürnberg und traf mich dort mit ihnen um gemeinsam in den Zug nach Bamberg zu steigen. Als wir schließlich gemeinsam im
Zug saßen, konnten wir keinen Platz finden und entschieden, uns alle im Zug zu verteilen um nicht stehen zu müssen.
Nach ein paar Minuten bekomme ich eine Nachricht von meiner Freundin: »Ein Typ schaut mich schon die ganze Zeit an und zwinkert mir zu«. Na das fängt ja gut an, denke ich mir.
Als wir endlich in Bamberg ankommen und aussteigen, läuft er uns sogar nach. Bis ich mich irgendwann umdrehe und ihm klar zu verstehen gebe, dass er bitte gehen soll.
Danach fangen wir unseren Rundgang in die Stadt an: Wir laufen vom Bahnhof bis in die Fußgängerzone, von da aus gehen wir zum alten Rathaus, spazieren am Fluss entlang und kommen an einem Viertel vorbei, das „Klein Venedig« heißt. Die Stadt ist sehr schön, das Wetter ist warm und es sind viele Leute unterwegs, ich unterhalte mich gut mit meinen Freundinnen. Eigentlich die perfekten Voraussetzungen für einen schönen Tag. Wenn da nicht die Tatsache gewesen wäre, dass uns bestimmt 20 Mal nachgerufen wurde. Pfiffe, Küsschen, Rufe, Aufforderungen und vieles mehr. Ein Mann ist uns sogar nachgerannt und wollte uns etwas von seiner »Zigarette« anbieten. Ich habe jedes Mal was gesagt. »Geht’s noch« und »Lasst uns in Ruhe« waren meine Standardsätze. Den ganzen Tag über. Ein Tag der eigentlich geplant war, um einen schönen Sommertag in guter Gesellschaft zu verbringen verwandelte sich in einen Alptraum, der mir ein unwohles, unsicheres Gefühl gab. Ich wusste ja nicht, ob es »nur« beim Catcalling bleibt. Oder ob es weitergeht. Ob sie uns nachlaufen oder uns weiterhin belästigen würden. In meinem Kopf waren so viele Fragen und Gedanken. Was erwarten diese Männer wenn sie uns catcallen? Und ja, es waren Männer. Es waren alles Männer (die diese Eigenschaft übriges auch auf ihren Kleidungsstücken porträtierten, mit Sprüchen wie »The World’s Best Dad«…). Wo liegt ihr Ziel? Was denken sie, was passiert, wenn sie uns (auf sexistischster, objektivierenster Art und Weise) hinterherrufen? Hat das jemals funktioniert? Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass es total unlogisch ist und gegen jegliche Art der Zielsetzung strebt: Falls Letztere sein sollte, bei Frauen bzw. als weiblich gelesene Personen zu »landen« und deren Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu bekommen, ist dieser Ansatz total irreführend.
Ich selbst empfinde es als Belästigung. Ich fühle mich dabei unwohl, angewiedert, ekelhaft, verängstigt aber vor allen Dingen fühle ich mich sauer. Ich merke, wie sich mein Hals zuschnürt und sich ein heißer Ball Wut in meiner Brust aufbauscht. Meine Wut richtet sich nicht nur an die Männer, die solche Belästigungen an den Tag legen. Sonder an unsere Gesellschaft und unser Wertesystem: Diese Vorfälle die JEDEN TAG passieren, zeigen wo wir stehen. Patriarchale, frauenfeindliche Mentalitäten sind die Norm.»Nimm es doch als Kompliment« ; »Freu dich doch, wenn dich alle so attraktiv finden«, sind einige der Kommentare die ich mir schon öfters anhören musste, wenn ich das Thema Catcalling und verbale Belästigungen thematisierte. Mal abgesehen von der Tatsachen, dass wir nicht für den Blick oder die Wertschätzung irgendwelcher dahergelaufener Männer existieren (Surprise Surprise!). Auf diese Kommentare kann ich dann meistens nicht »Rational« antworten. Oftmals wurde mir unterstellt, dass ich bei feministischen Themen »Zu emotional aufgeladen sei«. Darauf möchte ich antworten, und ich denke , dass ich dabei für viele Frauen und als weiblich gelesene Personen spreche wenn ich sage, dass dieses Thema nun mal emotional geladen IST. Es betrifft UNS. Es schränkt uns in unserem Alltag ein. Es ist omnipräsent.
Wenn wir auch nur für eine Minute abgelenkt oder unachtsam sind, kann es uns unser Leben kosten. Wenn wir den falschen Weg entlang gehen, einmal falsch abbiegen, einmal der falschen Person vertrauen.
Eine Sache die so einfach ist wie an einem hellen, sonnigen Nachmittag einen Ausflug in eine schöne Stadt zu machen, kann uns psychisch belasten oder böser enden. Verbale Belästigungen sind nur die alleroberste Schicht an Taten, die gesellschaftlich als akzeptabel gelten. Wir wissen es ja nie: Endet es bei einer verbalen Belästigung? Oder geht es weiter? Endet es in sexualisierter Gewalt? Oder sogar einem Femizid?
Jüngste Ereignisse, machen es leider noch einmal klar und deutchlich: Wir sind nirgends und niemals sicher. Einfach nur als Frau oder weiblich gelesene Person zu existieren, ist eine Gefahr. Wir müssen nichts mehr machen, als schlicht und einfach zu sein. Das stimmt mich traurig und wütend. 33% der Männer in Deutschland finden Gewalt an Frauen akzeptabel
Wenn Artikel über K.O. Tropfen veröffentlicht werden, kommen meistens Tipps für die Opfer. Wie man sich schützen kann. Das Narrativ solcher Artikel schreibt uns die Verantwortung zu, niemals den Männern oder den Personen die solche Straftaten begehen. Der implizite Anspruch auf unsere Körper und unsere Leben ist ausschlaggebend, er ist da, er ist uns inhärent. Ja UNS , weil selbst ich musste mich oftmals dabei ertappen, wie ich den Gedanken hatte , dass ich Sachen machen MUSS weil man(n) das so von mir verlangt. Oder mir selbst die Schuld zuschreiben, aufgrund sinnloser Gründe wie meiner Kleidung. Muss ich aber nicht. Müssen wir alle nicht. Das ist aber eben den meisten nicht bewusst. Und deswegen möchte ich mit diesem kleinen Rant einfach nochmals betonen, dass unsere Kolumne keinen besseren Namen tragen könnte als eben Feminis:muss. Es muss eben sein, wir müssen darüber immer und immer wieder reden, und glaubt mir, ich wünschte auch, dass ich mich nicht so oft wiederholen müsste. Muss ich aber immer noch, und ich werde solange weitermachen, bis es nötig ist. Leider habe ich das Gefühl, dass das noch eine gute Weile dauern wird…
Beitragsbild: Gayatri Malhotra | unsplash