Der Sound im Frühling – bitte aufdrehen!
In Regensburg kommt der Frühling zurück. Die passende Musik dafür kommt für mich von ZZ Top, ENNIO, The Clause, Macklemore, Kraftklub und Portugal. The Man. In der Kolumne geht es nicht nur um diese Künstler, sondern auch darum, welche ihrer Songs wirklich in die Jahreszeit passen.
von Helge Wittenberg
Seit dem 20. März haben wir offiziell Frühling. In der letzten Woche kam dieser hier in Regensburg auch deutlich heraus. Die höheren Temperaturen, viel Sonnenschein und die Wiederbevölkerung der Stadt zum Ende der Semesterferien holen die Stadt aus ihrem Winterschlaf. So kommt es, dass auf den Tischen in Stadtamhof wieder literweise Aperol steht und Fahrradfahren in der Innenstadt einige Aufmerksamkeit erfordert. Auch die ersten Irren liegen bereits oberkörperfrei an der Donau. Kurzum: Das Leben in der Stadt blüht wieder auf und dafür brauchen wir auch gute Musik.
Passend zum Frühling ist für mich Musik, die das vermittelt, was die Jahreszeit in der Stadt und auch bei mir auslöst: Energie, Motivation, Bewegungsdrang und viel Gute Laune. Ich brauche also sofort überzeugende Melodien, laute Instrumente und eine gute Mischung aus allen Richtungen und Altersklassen. Die folgenden Songs kann man gerne schön laut drehen und sich von ihnen durch diese schönen Tage tragen lassen.
ZZ Top – »Sharp Dressed Man«
Hat man sie einmal gesehen, sind ZZ Top leicht wiederzuerkennen. Sonnenbrille, langer Bart und Stetson sind die Markenzeichen von Frontmann Billy Gibbons und dem 2021 verstorbenen Bassisten Dusty Hill. Gemeinsam mit Schlagzeuger Frank Beard (der ironischerweise weniger Bart trägt) entwickelten sie ihren ganz eigenen Stil aus verschiedenen Gegenden der Rock- und Bluesmusik kombiniert. Besonders ihre Alben »Eliminator« (1983) und »Afterburner« (1985) wurden Verkaufsschlager und erreichten Diamant- beziehungsweise Platinstatus in den USA.
»Sharp Dressed Man«, mit simplem aber immer forderndem Drumbeat und einprägsamem Gitarrenriff, handelt zwar von einem wohlhabenden und wohlgekleideten Mann, vermittelt aber eher die Atmosphäre eines Motorradtrips im Sonnenschein der ersten warmen Sommertage. Die zwei Zeilen Refrain lassen sich schon nach einem Mal Hören mitsingen und das gehört für mich zu jedem guten Frühlingssong.
ENNIO – »König der Nachbarschaft«
Als Student im Jahr 2023 komme ich um deutsche Indiemusik nicht mehr herum – zum Glück! Neben bekannten Größen wie Kraftklub, Provinz und Kaffkiez ist mein neuer Favorit in diesem Bereich ENNIO. Nach einigen Singles unter dem Namen Emotional Club hat der Münchner Ennio Frankl nun mit seinem Vornamen einen Neustart gewagt und im Dezember 2022 sein Debütalbum »Nirvana« veröffentlicht. Geprägt wird es von ruhigen Songs, aber mit »Gift«, »Blaulicht« und eben »König der Nachbarschaft« sind auch schnellere Nummern dabei. Die Thematik ist Indie-typisch: Liebe, Partys, Probleme mit der Elterngeneration und noch mehr Liebe(skummer). Hip-Hop Einflüsse und Ennios außergewöhnliche Stimme, die er von glasklar bis kraftvoll rau unter Kontrolle hat, sorgen für Abwechslung.
»König der Nachbarschaft« überzeugt durch einen coolen Synthesizer-Beat und einer Bearbeitung des Gesangs, die zusammen im Verse einen tollen Retro-Sound schaffen. Wenn es eins gibt, dass unsere junge Generation überzeugt, ist es schließlich Retro, das ist hier aber nicht alles. Hinzu kommt ein frischer Refrain mit genau der anfangs angesprochenen, sofort überzeugenden Melodie. Der Song löst in mir das Bedürfnis aus, das Haus zu verlassen und durch die langsam wieder vollere Stadt zu laufen. Daher bin ich mir auch sicher, dass er weiterhin laufen wird, wenn wir Student:innen in einigen Monaten wieder in Scharen an der Donau liegen und die Nachmittage mit Baden, Bier und Spikeball verbringen.
The Clause – »Hate the Player«
Über die Band The Clause wusste ich bis heute selbst nicht viel. In irgendeiner Spotify-Playlist habe ich vor einiger Zeit ihren Song »Hate the Player« entdeckt und höre ihn seitdem, aber jetzt wollte ich auch mehr wissen. Das Ergebnis meiner Recherche: Die vier Jungs aus Birmingham sind mir sympathisch. The Clause ist eine 2016 gegründete britische Indieband, die sich musikalisch gut in der aktuellen Rockmusik einfindet – Grundideen aus den letzten fünf Jahrzehnten Rockgeschichte und dazu ein eigener Touch und der nötige Kick, um es in meine Frühlingsmusik zu schaffen. Bisher gibt es kein Album, dafür neun Singles, von denen einige 2022 auf einer EP vereinigt wurden. In ihrer Heimatstadt Birmingham und inzwischen auch einigen anderen Städten im Vereinigten Königreich spielen sie ausverkaufte Shows in Locations mit Besucherzahlen im hohen dreistelligen Bereich. Geschafft haben sie das alles in Eigeninitiative ohne Label oder Manager mit eigener Vermarktung und Produktion.
Die neueste Single »Hate the Player« ist mit vielen Pop-Elementen ein fröhlicher Ohrwurm mit dem richtigen Tempo und coolen Gitarren- und Keyboardmelodien im Hintergrund. Für die aktuelle Tour der Band sind noch Tickets zu haben, schade nur, dass sie nur in England und Wales spielen – für gerade einmal 11 Pfund pro Karte hätte ich zugeschlagen. Die Fotos ihrer bisherigen Konzerte sehen zumindest aus, als könnten sie eine Location voll in Beschlag nehmen. Aber auch wenn live nicht drin ist, in meinen Playlists etabliert sich The Clause jetzt noch stärker.
Macklemore, Lil Yachty – »Marmalade«
Macklemore vorzustellen wäre wohl respektlos. Sein Feature Lil Yachty ist zwar in Deutschland weniger bekannt, aber inzwischen im amerikanischen Rapgeschehen auch eine Größe. Macklemore hat vor etwa vier Wochen sein drittes Soloalbum »Ben« veröffentlicht, in welchem er vor allem seine Erfahrungen mit einem Rückfall und erneutem Entzug während der Pandemie verarbeitet. Gerade die Singles »Maniac«, »No Bad Days« und »Faithful« sind, auch dank starken Features, für jeden hörenswert.
Trotzdem ist es dieser ältere Song, der es mal wieder in meine aktuelle Playlist geschafft hat. »Marmalade« war schon bei Release eine nach Verkaufszahlen deutlich schwächere Single als die anderen beiden Auskopplungen aus dem Album »Gemini« von 2017 und reicht auch heute nicht an die Bekanntheit von Macklemores größten Hits heran. Als echter Hiphop Song mit starkem Beat und schönem Flow in allen Parts, dazu einer einfachen, aber interessanten und positiven Klavierbegleitung macht »Marmalade« immer wieder aufs Neue Spaß. Meine persönliche Empfehlung: Während einer Autofahrt bei gutem Wetter richtig laut drehen.
Kraftklub – »Hand in Hand«
Ich weiß, ich weiß: Noch einmal deutsche Indiemusik, das hatten wir schon. Kraftklub gehören schließlich zu den bekanntesten Vertretern dieser Szene. Alle vier Studioalben von Kraftklub haben es auf Platz eins der deutschen Charts geschafft und die Band aus Chemnitz kann schon zahlreiche Festivalauftritte und ausgebuchte Soloshows verzeichnen. 2022 kamen die fünf Jungs um Frontmann Felix Kummer nach fünfjähriger Pause mit ihrem neuen Album »Kargo« zurück und spielten in den letzten Monaten wieder Konzerte. Nicht nur deshalb höre ich viel Kraftklub: Besonders einige der älteren Songs sind inzwischen Klassiker der deutschsprachigen Musik, verbreiten eine gute Stimmung und gleichzeitig oft eine gut vertretbare Botschaft.
Eines dieser älteren Lieder ist besonders, auch wenn es sicher nicht zu den Klassikern zählt, nicht einmal zu den bekannteren Liedern der Band – »Hand in Hand«. Der Song ist anders als viele Songs der Band, lauter, härter, weniger Charttauglich. Eins bringt diesem Song aber einen sicheren Platz auf dieser Liste ein: Kraftklub stecken weniger Klub, dafür mehr Kraft hinein. Ein Refrain zum Mitgrölen, so laut es nur geht und eine treibende Bassline, unterstützt von Schlagzeug und Gitarre machen »Hand in Hand« zu einem guten Teil einer Motivationsplaylist, egal ob beim Sport oder morgens bei schlechtem Wetter auf dem Weg zu einer langweiligen Vorlesung. Mit dieser Eigenschaft habe ich mir schon im Winter den musikalischen Frühling und die damit einhergehende Motivation in brutaler Lautstärke eingetrichtert.
Portugal. The Man – »What, Me Worry?«
Portugal. The Man kennt jede*r, der 2017 Radio gehört hat. Die Single »Feel It Still« (3x Gold DE, 7x Platin USA) lief auf Dauerschleife, die Band aus Alaska wurde weltbekannt. Dahinter steckt aber viel mehr: Die Band gibt es schon seit fast 20 Jahren, in denen mit zahlreichen verschiedenen Bandmitgliedern neun Alben entstanden sind. Die aktuelle Besetzung mit sechs Musikern besteht seit 2016 und ist für das erfolgreichste Album »Woodstock« verantwortlich. Seitdem gab es keine weiteren Alben, dafür aber einige Singles.
Die vorletzte dieser Singles, »What, me Worry?«, hat es irgendwann im Laufe der letzten Monate in meine Spotify-Vorschläge geschafft und gehört seitdem zu meinen meistgehörten Songs. Die bei Portugal. The Man oft vertretene Kreativität im Umgang mit verschiedensten Instrumenten und Effekten schafft eine Urlaubsathmosphäre mit eigenem Touch. Elemente aus Indiepop, Rock und Hip-Hop bringen das Bedürfnis in einer Strandbar Cocktails zu schlürfen – ohne anstrengend erzwungene Partystimmung.
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