Der Kampf um die Wahrheit – »Glaube Liebe Hoffnung« am Theater Regensburg

Der Kampf um die Wahrheit – »Glaube Liebe Hoffnung« am Theater Regensburg

Eine Frau als Leidtragende eines strikten Systems, gefangen zwischen Betrug und Hoffnung – Robert Schuster bringt mit »Glaube Liebe Hoffnung« von Ödön von Horváth ein Volksstück ins Theater Regensburg, das als Sinnbild für heutige Zeiten sein kann.

von Yvonne Mikschl

Zur Handlung

Elisabeth (Lilly-Marie Vogler) hat es nicht leicht. Um ihre Vorstrafe wegen Handels ohne Gewerbeschein zu begleichen, benötigt die Miederwarenverkäuferin 150 Mark und wendet sich an das Anatomische Institut, um ihren Leichnam zu Lebzeiten zu verkaufen. Angetan von dem Zollinspektor-Titel ihres Vaters will der Präparator (Guido Wachter) ihr helfen, nur um wenig später festzustellen, dass er ihr auf den Leim gegangen ist. Er kreuzt auf, während sie im Kontor der Firma Prantl, wo Elisabeth arbeitet, ihre Verkaufsbemühungen vorstellt, die – im Gegenteil zu Frau Amtsgerichtsrat (Katharina Solzbacher) – wenig erfolgreich ausfallen. Chefin Irene Prantl (Franziska Sörensen) ist wenig begeistert von dem Betrug ihrer Angestellten und kündigt Elisabeth fristlos. Nach ihrer vierzehntägigen Haft enden aber ihre Probleme nicht: Wohlfahrt bekommt die langsam hungernde Elisabeth wegen des Berufs ihres Vaters nicht. Hilfe naht allerdings: Schupo Alfons Klostermeier (Jonas Julian Niemann) kreuzt ihren Weg. Kann er ihr überhaupt helfen, wenn sie ihm ihre Gefängnisstrafe verschweigt? Und findet Elisabeth einen Weg aus dem Teufelskreis der Gejagten vom Gesetz?

Ödön von Horváth – Weltenwanderer

Autor des Volksstücks ist der 1901 in Kroatien geborene Ödön von Horváth. Nach seinem Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften schrieb er mehrere Theaterstücke, unter anderem »Kasimir und Karoline«. »Glaube Liebe Hoffnung« ist das Einzige seiner Werke, das er mit einem Co-Autoren schrieb: 1932 trifft er auf der Durchreise den Journalisten Lukas Kristl, der ihm von dem Fall der Klara Grimm, die ein ähnliches Schicksal wie Elisabeth erlitten hatte, und der dazugehörigen Gerichtsverhandlung von 1929 erzählt. In den Randbemerkungen zum Stück erwähnt Horváth, dass die Figuren Elisabeth, Schupo, Oberinspektor und Frau Amtsgerichtsrat auf realen Vorbildern basieren.

Elisabeth zwischen Lüge und Leid

Franziska Sörensen, Guido Wachter, Katharina Solzbacher, Lilly-Marie Vogler © Tom Neumeier Leather

»Glaube Liebe Hoffnung« ist in der Tat eine Geschichte zwischen Lüge und Leid. Hauptfigur Elisabeth befindet sich zwischen diesen Polen. Zwar dreht sie die Geschichten immer wieder so, dass sie ihren Willen bekommt. Sie zögert auf Nachfragen hin im Laufe des Stücks und denkt offenbar über die Konsequenzen mehr nach, bleibt aber bei ihrer Strategie. Jedoch zeigt Horváth, dass die Wahrheit immer ans Licht kommt. Elisabeth ist in den Augen des Gesetzes eine Gejagte, ohne zu wissen, warum sie gejagt wird oder was sie überhaupt angestellt hat. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie vor ihrem Tod, als die Polizei sie vor sich selbst schützen will, ein großes Misstrauen verspürt. Dies erklärt auch den Untertitel »Ein kleiner Totentanz in 5 Bildern«.

»Wie lange es dauert, bis ein Amt für dich zuständig ist.«

Der Invalide vor dem Wohlfahrtsamt

Nicht nur Elisabeth sieht sich mit persönlichen Problemen konfrontiert: Das Stück spielt zu einer Zeit, in der Arbeitslosigkeit und Rezession herrschen. Besonders die prekären Verhältnisse, wie sie der Invalide vor dem Wohlfahrtsamt darstellt, sorgen unter anderem dafür, dass der weibliche Hauptcharakter die Hoffnung und den Glauben verliert.

Eine Liebe unter schlechten Sternen

Jonas Julian Niemann, Lilly-Marie Vogler, Michael Heuberger © Tom Neumeier Leather

»Ohne Glaube Liebe Hoffnung gibt es logischerweise kein Leben. Das resultiert alles voneinander.«

Schupo Alfons Klostermeier im dritten Bild in »Glaube Liebe Hoffnung«

Einzig die Liebe kann Elisabeth nach ihrer Haft noch Hoffnung geben. Schupo Alfons Klostermeier lernt sie bereits im ersten Bild kennen. Dem Staatsbeamten schenkt sie zunächst kein Vertrauen, aber im vierten Bild ist ihr Verhältnis »ein Bild des glücklichen Friedens zweier liebender Herzen«, wie es in der Regieanweisung steht.

Diese Liebe steht jedoch unter schlechten Sternen. Die Vermutung liegt nahe, dass Elisabeth einer »bestimmten Damenkategorie« angehört, das heißt mit Prostitution ihr Geld verdient. Aufgrund dessen würde eine Hochzeit von Alfons mit ihr die Karriere des Schupo gefährden. Als die Wahrheit ans Licht kommt, wird Alfons von seinem Pflichtbewusstsein eingeholt und verlässt sie – und damit auch ihr Glauben an die stärkste Kraft im Leben, an die Liebe.

»Alle Männer sind krasse Egoisten.«

Elisabeth in »Glaube Liebe Hoffnung«

Die Regensburger Inszenierung

Dramaturg Daniel Grünauer gelingt die Umsetzung des Stoffes gut. Lily-Marie Vogler ist mit ihrer Figur der Elisabeth eine Figur auf den Leib geschrieben, die mit der Wahrheit kämpfen muss. Jonas Julian Niemann überzeugt mit seiner Schupo-Rolle. Katarina Solzbacher, die in ihrer Rolle als Fräulein Agnes in dieser Spielzeit schon zu sehen ist, brilliert als Frau Amtsgerichtsrat in einer Nebenrolle.

Lilly-Marie Vogler, Ensemble, Jonas Julian Niemann © Tom Neumeier Leather

Nicht nur schauspielerisch kann die Inszenierung überzeugen. Anstatt der Drehbühne, wie sie beispielsweise in »María de Buenos Aires« eingesetzt wird, kommt eine nach hinten wegdriftende Bühnenkonstellation zum Einsatz und erleichtert den Szenenwechsel. Es wird mit den seitlichen Rängen als Ausgänge für die Schauspieler:innen gearbeitet. Die Rampe, auf der sich ein Großteil der Handlung abspielt, symbolisiert im Bühnenbild die Schieflage, in der sich Elisabeth befindet. Einzig der Weihraucheinsatz, der zu Kreislaufproblemen im Publikum führen kann, im zweiten Bild ist nicht ganz schlüssig.

Fazit

»Glaube Liebe Hoffnung« fügt sich in das aktuelle Spielzeitmotto perfekt ein. Ödön von Horváth schrieb ein Stück, das durch die Aufführung so lebendig wird, um auf immer noch geltende Missstände aufmerksam zu machen. Dass es zwar mit dem (Spoiler!) Tod Elisabeths kein Happy End gibt, zeigt durchaus, dass es noch viel zu ändern gibt, sodass fehlende »Glaube Liebe Hoffnung« nicht der Grund für ein persönliches Ende sein muss. Oder wann haben Sie das letzte Mal den Glauben an die Liebe oder die Hoffnung verloren?

Termine und Tickets unter https://www.theaterregensburg.de/produktionen/glaube-liebe-hoffnung.html?m=15

Hier der Trailer zum Stück:

Die Vorstellung wurde mit einer Pressekarte besucht.

Alle Bilder zur Verfügung gestellt von Theater Regensburg, © Tom Neumeier Leather

Beitragsbild: Lilly-Marie Vogler © Tom Neumeier Leather

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