Oh, she´s sweet but a Psycho
Psychische Krankheiten, die Sprache und Soziale Medien – wirft man das alles in einen Topf, kommen manchmal Sachen dabei raus, die zwar gut gemeint, aber deshalb leider nicht gut sind.
von Laura Kappes
Ich spreche dabei zum Beispiel von der inflationären Benutzung von Bezeichnungen psychischer Krankheiten. »Trauma«, »Trigger«, »Psycho«, »Depri«, »Bipolar«, »Anxiety«, die Liste geht endlos weiter. Während es auf der einen Seite gut ist, dass ein breiteres Bewusstsein für psychische Krankheiten geschaffen wird, führt die unbedachte Verwendung der Begriffe leider auch zu Verharmlosung der Krankheiten. Betroffene Personen zögern oft lange, sich bei einer psychischen Erkrankung Hilfe zu holen, diese diagnostizieren zu lassen und schließlich anderen Personen davon zu erzählen [Auch, wenn das Thema mit den Diagnosen ebenfalls diskussionswürdig ist, aber dazu ein andermal mehr…]. Es kann verletzend sein, diese Begriffe in trivialem Kontext verwendet zu hören, während für einen selbst bei dem Erhalt einer Diagnose die gesamte Identität durcheinandergewirbelt wird.
So kommt es schon mal vor, dass eine Influencerin es als »traumatisch« betitelt, wenn bei Starbucks die Lieblingssorte Eiskaffee ausverkauft ist oder eine peinliche Situation beim Einkaufen entsteht. Leider ist ein wirkliches Trauma zum Beispiel durch einen Unfall, Kriegserfahrungen oder sexualisierte Gewalt alles andere als lustig und Betroffene haben oft lange damit zu kämpfen.
Des Weiteren ist nicht alles gleich ein »Trigger«, im Sinne des Auslösers einer psychisch »kranken« Reaktion. Wir bezeichnen inzwischen so gut wie jede Situation, die unangenehme Gefühle in uns auslöst, als einen solchen. Gewöhnen wir uns lieber gute Copingstrategien an, anstatt die Umstände für unsere Reaktion verantwortlich zu machen und einen psychotherapeutischen Begriff zu missbrauchen.
Gleiches gilt für die Bezeichnung jeder nicht-einfühlsamen Person als »Narzisst:in« oder einem schlechten Tag als »Depri-Phase«. Eine längere Übersicht, über Abkürzungen und ihre Hintergründe, gibt es zum Beispiel bei warda.at und Deutschlandfunknova hat eine betroffene Journalistin und einen Psychologen zu dem Thema befragt.
Bei genauerem Nachdenken sind auch mir einige Situationen aufgefallen, in denen ich die Begriffe gedankenlos verwendet habe – aber jede:r kann dazu lernen. Ich bin dafür, die Bezeichnungen sparsam und bedacht zu verwenden.
Ein ähnliches Problem wie bei den Begriffen gibt es bei jeglichen Tipps, Tricks und Ratschlägen, die in den sozialen Medien für psychische Krankheiten vorgeschlagen werden. Auch, wenn es gut gemeint ist, ersetzten Posts mit dem Anfang »meine Therapeutin hat mir XY vorgeschlagen, probiert doch mal…« keine Therapie. Und nur, weil ein Ansatz bei einer Person funktioniert hat, hilft es nicht allen anderen. Psychotherapie sollte individuumszentriert sein und kein Kochrezept für jegliche Störungsbilder. Psychotherapeut:innen durchlaufen 10(!) Jahre Ausbildung, bis sie sich als solche bezeichnen dürfen. Der Begriff Coach ist nicht geschützt und Personen bieten teilweise nach dem Besuch eines einmonatigen Online-Workshops zu dem Thema Trauma sensitive Sitzungen an. Ja, eine Hochschulausbildung kann keine Lebenserfahrung ersetzen und es gibt auf jeden Fall Menschen, die sich sehr gut mit den Störungsbildern auskennen und keine anerkannten Psychotherapeut:innen sind. Aber bitte achtet darauf, aus welchen Quellen ihr Inhalte zu dem Umgang mit psychischen Erkrankungen konsumiert. Trotz der großen Aufmerksamkeit – die positiv ist – kursiert leider auch viel Unwissen in den sozialen Medien.
Beitragsbild: Adam Satria I Unsplash