Wie hast du letzte Nacht geschlafen? – Wie Schlaf unser Leben beeinflusst
Der Schlaf ist ein elementarer Bestandteil unseres Lebens: Ein Drittel unserer Lebenszeit verbringen wir damit. Jedoch gelingt es immer weniger Menschen diese Zeit erholsam und gesundheitsfördernd zu gestalten. Dieser kurze Einblick beschäftigt sich mit den Folgen von zu wenig und Maßnahmen für einen besseren Schlaf.
von Kim Kessler
Abends müde einschlafen und morgens erholt aufwachen – für immer mehr Menschen ist das ein Wunschtraum. Die Realität ähnelt eher: nachts wach liegen und sich am nächsten Tag regelrecht zerschlagen fühlen. Dass dieser Zustand für einen beträchtlichen Teil unserer Gesellschaft gilt, zeigt eine Umfrage der DAK-Krankenkasse aus dem Jahr 2017. Demnach ist in Deutschland seit 2010 die Zahl der Berufstätigen mit Schlafstörungen um 66% gestiegen. Fast jeder zehnte Berufstätige leidet sogar unter einer Insomnie. Unter Insomnie versteht man eine »langanhaltende oder in Abständen wiederkehrende Schlafstörung, welche sich durch Ein- und Durchschlafstörungen sowie körperliche oder auch psychische Beschwerden am Tag auszeichnet«. Vor allem gesellschaftliche Veränderungen, wie längere Arbeits- und Pendlerzeiten, Schichtarbeit, spätes Nachtleben und der digitale Wandel haben zu dem wachsenden Problem des Schlafmangels beigetragen. Jahrzehntelange Forschung zeigt, dass Schlaf keine sinnlos vergeudete Zeit, sondern ein elementarer Bestandteil unseres Lebens ist. Nicht verwunderlich, dass eine ungesunde Schlafhygiene drastische Folgen haben kann. Doch warum?
Was passiert im Schlaf?
Der Schlaf zeichnet sich durch eine gesteigerte Aktivität unseres Gehirns aus, mitunter höher als in unseren Wachphasen. Der Schlaf besteht aus hoch organisierten physiologischen Prozessen. Beispielsweise finden entscheidende Erholungsvorgänge im Schlaf statt; Im Tiefschlaf wird etwa das Wachstumshormon (HGH) ausgeschüttet, welches für die Regeneration der Haut sowie die Wundheilung sorgt. Schlaf spielt auch eine wichtige Rolle bezüglich unseres Immunsystems, welches mit zahlreichen anderen körperlichen Funktionen bzw. Organen in dieser Zeit hochaktiv ist. Schlaf fördert auch die geistige Leistungsfähigkeit; Wir können neue Erkenntnisse produzieren, verarbeiten gesammelte Eindrücke und Unwichtiges wird aussortiert. Mit anderen Worten: Es bildet sich das Gedächtnis. Außerdem fördert Schlaf die Kreativität und es kommt zur Bildung neuer Gedankengänge. Auch unsere Gefühlswelt sowie das Erlernen neuer motorischer Fertigkeiten, werden maßgeblich durch den Schlaf beeinflusst. Neben den aufgezählten Funktionen kann der Schlaf durch eine Vielzahl weiterer Faktoren unseren gesamten Organismus beeinflussen. Es ist daher von primärer Bedeutung diese Wirkungsweise zu erkennen um die möglichen, teils drastischen, Folgen schlechter Schlafhygiene verstehen zu können.
Zu wenig Schlaf ist ungesund
Angela Schuh beschreibt in »Gesunder Schlaf und die innere Uhr« wie sich eine schlechte Schlafhygiene auf unseren Körper auswirken kann; Schlechter Schlaf steht im Zusammenhang mit Fettleibigkeit, er fördert das metabolische Syndrom, welches schließlich zu Diabetes führen kann. Außerdem berichtet sie von Erkrankungen des Verdauungssystems, Herz-Kreislaufsystems sowie anderen schweren Erkrankungen wie Krebs, welche durch Schlafmangel begünstigt werden. Nicht zu unterschätzen seien auch Verkehrsunfälle – Jeder fünfte Verkehrsunfall lässt sich auf schläfriges Fahren zurückführen. Das liegt mitunter daran, dass Schlafentzug zu Beeinträchtigungen der geistigen und motorischen Leistungen führt, welche mit denen vergleichbar sind, die durch Alkoholkonsum auftreten. Welch gravierende Rolle Schlaf bei der geistigen Leistungsfähigkeit spielt, lässt sich am besten anhand des längsten wissenschaftlich dokumentierten Schlafentzugs demonstrieren: Der Rekordversuch von Randy Gardner. Dieser blieb 11 Tage ohne Zuhilfenahme von Drogen oder Stimulanzien wach. Die Folgen des Schlafentzugs reichten von Stimmungsschwankungen und Schwierigkeiten bei der Koordination von Bewegungsabläufen, über Gedächtnisausfälle, Konzentrationsschwierigkeiten und Sprachstörungen, bis hin zu Halluzinationen und Wahrnehmungsstörungen. Diese Einschränkungen traten teilweise schon nach dem dritten Tag ohne Schlaf auf.
Die Zeit vor dem Schlafen
Wie bereits beschrieben, ist einer der wichtigsten Gründe für die Entstehung von Schlafstörungen unser Lebensstil, welcher sich nicht mit unserer »inneren Uhr« in Einklang bringen lässt. Die innere Uhr ist ein durch die Evolution vorgegebener Rhythmus, der im Wesentlichen von zwei Prozessen kontrolliert wird: Zum einen durch das zirkadiane Zeitsystem, welches die Fähigkeit eines Organismus beschreibt, physiologische Vorgänge auf eine Periodenlänge von etwa 24 Stunden zu synchronisieren, zum anderen durch die chemische Substanz Adenosin, welche sich über den Tag aufbaut und dazu führt, dass wir müde werden. Diese Vorgänge sind wichtig, um zu verstehen, wie sich verschiedene Faktoren negativ auf unseren Schlaf auswirken können. Koffein beispielsweise schaltet das Adenosin stumm – Es setzt sich an die Adenosinrezeptoren und blockiert somit deren Wirkung. Koffein ist nicht grundsätzlich schlecht, es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass es eine Halbwertszeit von 5-7 Stunden hat, d.h. unser Körper benötigt diese Zeit, um die Hälfte des Koffeins in unserem Körper abzubauen. Auch Alkohol beeinflusst unseren Schlaf maßgeblich – Alkohol hat zwar eine künstlich beruhigende Wirkung, beeinflusst jedoch die Qualität unseres Schlafs; Es kommt zu häufigerem nächtlichem Aufwachen und zur Unterdrückung des Tiefschlafs sowie der REM-Schlafphase, welche vor allem für die Verarbeitung neuer Informationen wichtig ist. Wenn man jedoch nicht auf das Glas Wein am Abend oder den Espresso nach dem Abendessen verzichten möchte, gibt es weitere Stellschrauben, anhand derer man die Schlafqualität maßgeblich verbessern kann.
Für einen gesunden und erholsamen Schlaf ist eine gewisse Regelmäßigkeit unabdingbar. Somit sollte, wenn möglich, das Zubettgehen sowie das Aufstehen immer zur selben Zeit erfolgen und sich im Idealfall nach dem eigenen Chronotyp (Lerche oder Eule) richten. Wenn du mehr über deinen eigenen Chronotyp erfahren willst, findest du am Ende des Artikels ausführliche Literatur dazu. Allgemein einen gewissen Tagesablauf einzuhalten, wie regelmäßige Schlafenszeiten, Essenszeiten etc., kann sich positiv auf den Schlaf auswirken. Auch Licht beeinflusst unsere Schlafhygiene. Hierbei gilt die Regel sich möglichst viel hellem Licht am Tag und gedämpftem, warmem Licht am Abend auszusetzen. Wem es nicht möglich ist sich tagsüber im Freien aufzuhalten, sollte sich morgens zumindest künstlichem Licht aussetzen. Hierzu eigenen sich weiße LEDs oder auch spezielle Tageslichtlampen.
Dass körperliche Aktivität einen positiven Effekt und eine schlaffördernde Wirkung hat, ist kein Geheimnis. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, sich spätestens 3 Stunden vor dem Zubettgehen körperlich zu betätigen. Grund hierfür ist, dass Sport den Körper erhitzt und zur Ausschüttung rauschgiftähnlicher, aktivierender Substanzen führt, was wiederum guten Schlaf verhindern kann. Ausgenommen hiervon sind sexuelle Aktivitäten, die sich schlaffördernd auswirken.
Einigen von uns fällt es häufig schwer am Abend abzuschalten – man liegt nachts wach und vor lauter Eindrücken des Tages kommen wir einfach nicht zur Ruhe. In diesem Fall kann es möglicherweise helfen, eine klare Trennung des Abends vom Alltag vorzunehmen. Hierbei können Rituale wie das Wechseln der Kleidung, eine Entspannungsübung, das Hören von entspannender Musik oder das bewusste Reflektieren über dem vergangenen Tag helfen. Das Aufschreiben von belastenden Ereignissen oder Gedanken vor dem Schlafengehen kann dazu dienen, diese abzulegen und sie nicht mit ins Bett zu nehmen. Auch das Licht zu dimmen und eine angenehme Atmosphäre für sich zu schaffen, kann in das abendliche Ritual aufgenommen werden. Ein weiterer positiver Effekt von Ritualen vor dem Schlafengehen ist, dass diese die zeitliche Ordnung unterstützen und uns somit helfen, zügig einschlafen zu können. Das Ritual wirkt hierbei in Form eines Signals, welches den Körper und den Geist auf das Einschlafen konditioniert. Wichtig ist hierbei, dass das Ritual konsequent jeden Abend dasselbe ist.
Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir schlafend. Wir sollten es uns wert sein, diese Zeit so angenehm wie möglich für uns zu gestalten. Bett und Schlafzimmer sollten somit ganz nach individuellen Wünschen ausgestattet sein, von der richtigen Bettwäsche bis hin zur richtigen Beleuchtung. Das Schlafzimmer sollte über eine angenehme Atmosphäre zum Wohlfühlen verfügen, denn dadurch fällt es uns leichter, abends zu entspannen. Folglich sollte das Bett auch nur zum Schlafen benutzt werden. Grund hierfür ist, dass wir somit das Bett in unserem Gehirn als Schlafplatz konditionieren und wir uns schon beim bloßen Anblick dessen auf das Schlafen gehen einstellen.
Aber was tun, wenn‘s einfach nicht so ganz funktionieren will mit dem Einschlafen?
Sollte das der Fall sein, gilt es die Ruhe zu bewahren, nächtliches Aufwachen ist normal. Dies lässt sich teils durch die Evolution begründen, denn hier war eine hohe Wachsamkeit überlebenswichtig. »Auch heute wachen wir nachts noch häufig auf: im Durchschnitt viermal pro Stunde, das bedeutet bei sieben Stunden Schlaf ca. 28-mal pro Nacht. Meistens wird es gar nicht wahrgenommen. Falls es doch bemerkt wird, ist es wichtig, das nächtliche Aufwachen nicht überzubewerten und nicht zu denken, man bekäme deshalb nicht genügend Schlaf«, berichtet Angela Schuh. Wir tendieren auch dazu, Wachzeiten zu überschätzen und sie als viel länger zu empfinden, als sie eigentlich sind – das Gefühl die ganze Nacht wachgelegen zu haben entspricht fast nie der Wahrheit. Dies konnte durch zahlreiche Studien im Schlaflabor an Menschen mit nicht-organischen Schlafstörungen belegt werden.
Sollte man jedoch wirklich nicht einschlafen können, kann es helfen das Bett kurz zu verlassen und das abendliche Ritual, von Zähneputzen bis Bettmachen, nochmals zu durchlaufen. Sollte das auch nicht helfen, weil die Gedanken einen nicht loslassen, rät Angela Schuh dazu, sich einen sogenannten »Sorgenstuhl« außerhalb des Schlafzimmers zuzulegen und dort alle belastenden Gedanken aufzuschreiben, bis sich wieder eine gewisse Müdigkeit einstellt und man wieder einschlafen kann.
Die dargestellten Methoden sind bei weitem noch nicht alles, was uns helfen kann wieder zu einem besseren Schlaf zu finden. Auch gilt es hierbei, sich nicht durch die vielen Möglichkeiten unter Druck setzen zu lassen, sondern darauf zu hören, was einem gut tut. Wer das Thema vertiefen möchte, die/der kann sich von den Literaturangaben noch weitere Inspirationen holen.
In diesem Sinne: Gutes Schlafen.
Schuh, A. (2022). Gesunder Schlaf – Was ist das?. In Gesunder Schlaf und die innere Uhr (pp. 5-37). Springer, Berlin, Heidelberg.
Beitragsbild: Grafik von Kim Kessler