Klimabilanz des täglichen Lebens – nicht nur von Bananen
Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen. Damit die guten Vorsätze zum CO2 einsparen im nächsten Jahr umsetzbar sind, hilft es sich mit konkreten Zahlen des eigenen Konsums zu beschäftigen. Mike Berners-Lee liefert in seinem Buch »Wie schlimm sind Bananen?« Denkanstöße dafür.
von Yvonne Mikschl
Normalerweise ist es ja so: Man bekommt für ein Referat einen mehr oder weniger interessanten Text aufgetragen, schreibt sich das Wichtigste zusammen, trägt es vor anderen Seminarteilnehmenden vor und ist froh, dass man es irgendwie geschafft hat. Groß zusätzliche Fakten recherchiert man eigentlich nur, wenn eine*n das Thema wirklich interessiert. Und glaubt mir, ich stell da keine Ausnahme dar.
Doch in Zeiten von »Fridays for Future«-Protesten und Aktionen der Gruppe »Letzte Generation« ein Referat in Medienwissenschaft zum Thema »Was kostet das Smartphone?« zu halten, brachte meine Recherchekünste auf Hochtouren. Besonders als ich im Regensburger Katalog auf den Titel »Wie schlimm sind Bananen?« aus dem Jahr 2020 gestoßen bin. Aus dem anfänglichen Grinsen über den Titel des Buches wurde schließlich ein neuer Blickwinkel auf das eigene Leben.
Um was geht’s?
Die Message des Buchs ist einfach: Wir müssen alle unsere Lebensweise überdenken, da wir nur den einen Planeten haben, um zu überleben. Der Klimawandel zeigt seit einigen Jahren große Auswirkungen auf die Erde. Doch wie ist ein kleiner Schritt hin zu weniger CO2-Ausstößen möglich? Ein Bewusstsein für das tägliche Leben zu entwickeln, fällt vielen schwer, da sich die Diskussionen in den Medien meist nur auf Autos und Flugzeuge beschränken. Dass kleine Schritte schon große Wirkungen haben können, zeigt Mike Berners-Lee in seinem Buch. Dabei geht der Autor von den kleinen Auswirkungen zu den Großen hin. Neben Lebensmitteln wie Bananen, Äpfeln und Pizza werden auch alltägliche Dinge wie das Schreiben einer Mail, Pendeln im Stau oder die Nutzung des Smartphones.
Der Autor: Mike Berners-Lee
Mike Berners-Lee ist durchaus ein Autor, dem man vertrauen kann. Er weiß, was er schreibt und woher seine Informationen kommen. Als Dozent an der Lancaster Universität (Großbritannien) lehrt er im Lancaster Environment Centre, welches sich mit den großen umweltpolitischen Themen unserer Zeit beschäftigt. Berners-Lee forscht zu den Themen Atmosphäre, Klima und Umweltschutz. Seine Publikationen beschäftigen sich allgemein mit dem CO2-Ausstoß und dem ökologischen Fußabdruck, der damit einhergeht. Fun Fact am Rande: Sein Bruder, Tim Berners-Lee, ist ein großer Name der Medienwissenschaft, da er als Begründer des Internets (oder besser: des World Wide Webs) gilt, welches Mike wiederum in seinem Buch auf umweltpolitischer Basis kritisiert…
CO2-Koeffizient als Maßstab des Buchs
Bevor Berners-Lee mit den Fakten und Zahlen richtig ins Thema einsteigt, begründet er erst den Koeffizienten CO2e, den er nutzt. Damit meint der Autor die „gesamten Auswirkungen aller Treibhausgase auf den Klimawandel […] anhand der Auswirkung, die CO2 im Laufe von 100 Jahren hätte“. Dieser wird auch im Greenhouse Gas Protocol, dem international am weitesten verbreiteten und anerkanntesten Standard für die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen von Unternehmen, genutzt. Berners-Lee kritisiert im selben Atemzug gleich vorweg, dass beim im populärwissenschaftlichen Kontext gebrauchten Begriff des CO2-Fußabdrucks einige oder die meisten Emissionen nicht miteinbeziehen – so beispielsweise bei Online-Rechnern, die den Energieverbrauch zuhause berechnen, aber Waren und Dienstleistungen außenvorlassen. Somit ist der Fußabdruck, den Berners-Lee berechnet, ein Messwert des Klimawandels, der alle Umstände in die Berechnung einfließen lässt. Weitere Grundlage ist die Annahme, dass ein 5-Tonnen-Lebensstil (also ein Verbrauch von maximal fünf Tonnen CO2 pro Jahr) ein großer Schritt zu einer kohlenstoffdioxidfreieren Welt.
Besonders erschreckend: die Zahlen der aktuellen weltpolitischen Themen
Wie schon erwähnt, folgt das Buch einer Sortierung nach Ausstößen, gestaffelt nach Gramm, Kilogramm und Tonnen. Am spannendsten ist hierbei, dass es keine Pauschalisierung gibt, so nach dem Motto: »Ein Wert, der für alle Situationen gültig ist«. So kommt es bei einer Google-Suche, die nur 0,0001 Prozent des Fußabdrucks ausmacht, beispielsweise zu Differenzen: Eine fünf Minuten Suche auf dem Laptop ist mit 8,2 g CO2e höher als eine Suche auf dem Smartphone. Dies liegt alleine an dem hohen Verbrauch, welches über das WLAN kommt und mit den Produktions- und Energiekosten der Endgeräte. Die Grafik zeigt beispielsweise den CO2-Fußabdruck von einem Jahr Smartphone-Nutzung, basierend auf einem iPhone 11 128 Gigabyte über zwei Jahre genutzt. Die Emissionen liegen bei insgesamt 69 Kilogramm. Die weltweite Informations- und Kommunikationstechnik kommt auf 1,4 Milliarden Tonnen CO2e gesamt, wobei da alle Nutzergeräte wie PCs und Smartphones, Rechenzentren und Fernsehgeräte mitgerechnet werden.
Die Zahlen für die Kommunikationstechnik scheinen schon gigantisch zu sein, doch im Vergleich zu den Zahlen für Krieg sind das noch geringe Werte. Fast schon erschreckend aktuell ist der CO2-Ausstoß in Kriegszeiten. Berners-Lee zeigt zwar nur den Irak-Krieg von 2003 bis 2019 mit 400 Millionen Tonnen CO2e. Sieht man sich an, dass das US-amerikanische Verteidigungsministerium mit 200 Millionen Tonnen CO2e laut Autor der »mit Abstand größte institutionelle Treibhausgas-Produzent der Welt« ist, kann man in etwa hochrechnen, wie der derzeitige Ukraine-Krieg der Welt treibhaustechnisch schaden kann. Was fast ironisch ist an der Aufstellung des Kapitels: Massenvernichtungswaffen, die die Menschheit sofort vernichten würden, reduzieren zwar die Emissionen deutlich, brauchen aber selbst hohe Emissionen, bis sie in den Einsatz kommen würden. Besonders traurig: 3,3 Milliarden Tonnen CO2e misst der weltweite Militärische Stiefelabdruck pro Jahr – doppelt so hoch wie der weltweite Fußabdruck der Informations- und Kommunikationstechnik.
Fazit: Jede*r kann was tun
Die Zahlen, die Berners-Lee darstellt, beziehen sich hauptsächlich auf Großbritannien und stammen von 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie. Zudem handelt es sich, wie der Autor im Anhang darstellt, um Hochrechnungen mit verschiedensten Hintergründen. Interessant wäre mit diesem Hintergrund die Veränderung zu heute oder gar den Fußabdruck der Corona-Pandemie im Hinblick auf den Maskenverbrauch zu betrachten. Die Betrachtung der Streaming-Dienste wie Netflix oder Spotify werden im Buch gar komplett ausgeklammert, ebenso die Recherche über Suchmaschinen, die sich explizit für den Klimaschutz einsetzen, wie zum Beispiel Ecosia.
Aller Kritik am Buch zum Trotz zeigt Berners-Lee vor allem eines: Wenn man sich ein wenig mit der Klimathematik beschäftigt, kann man durchaus seinen eigenen CO2-Fußabdruck verkleinern und seinen Lebensstil klimafreundlicher machen. Es reicht schon, regionale Produkte ohne weite Anreise zu kaufen oder mal mit dem Zug zu fahren statt dem Auto. Wichtig ist das Bewusstsein für die Dinge des täglichen Lebens – denn ohne zu wissen, wie viel Emissionen wirklich dahinterstecken, kann keine*r was verändern.
Quelle: Berners-Lee, Mike (2020): Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Fußabdruck von allem, Midas, Zürich, ISBN: 978-3-03876-535-6.
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