Highlights des Jahres 2022 – eine etwas andere Playlist
Das Jahr neigt sich dem Ende zu, die letzten Tage brechen an. Und während bei Anderen zuhause nur mehr »Last Christmas« und Co. läuft, lohnt sich zwischen den Jahren ein persönlicher Rückblick auf die eigene Playlist mit der Frage, was denn so das ganze Jahr über rauf- und runtergelaufen ist.
von Yvonne Mikschl
Mal ehrlich: Es gibt doch keine schönere Konstante als die Musik, oder? Besonders in den schwierigsten Zeiten versteht sie uns doch, obwohl sie von unseren Problemen keine Ahnung hat. Und durch Abos von Spotify und co. oder dem eigenen Stadtbibliotheksausweis ist sie immer und überall verfügbar – und das relativ kostengünstig.
Jahresrückblick etwas anders
Wenn wir das Jahr 2022 mal grob zusammenfassen: Es hatte Höhen und Tiefen (mit den Details und Aufregern sollen sich mal die duzenden Jahresrückblicke in Funk und Fernsehen beschäftigen). Sowohl weltpolitisch als auch privat – ich bilde da keine Ausnahme. Und selbst wenn ein verregneter Samstagnachmittag die Stimmung verhaut, ist Musik und die persönliche Playlist immer da, um ein Lächeln ins Gesicht zu hauen. Aus irgendeinem Grund heißt diese bei mir seit über fünf Jahren »Mafra«…
Diese Ausgabe der Lautstark-Kolumne braucht zum Jahresende kaum große Worte oder große Erklärungen. Denn hier versuche ich mal meine Playlist der meistgehörtesten Songs des Jahres 2022 zu rekonstruieren. Sicherlich ginge es mit Spotify einfacher – doch ich schaff das auch ohne. Meine persönlichen Lieblingssongs des Jahres – und dabei sind alte Klassiker genauso vertreten wie neuere Erscheinungen. Und übrigens: Diese Liste muss keinem:n groß gefallen. Ich fand es nur mal interessant, das einfach zu machen.
Die alten Klassiker – von Dido und Tangerine Dream
»I can smile now, and turn away, Come over here, so you can see me walk away, and celebrate The end of night«
Dido: »End of Night«
Hätte mich jemand am Anfang des Jahres gefragt, wer zu meinen Lieblingssängerinnen gehört, hätte ich wahrscheinlich nicht sofort Dido gesagt. Heute, Ende 2022, ist sie aus der »Mafra« kaum wegzudenken. Wahrscheinlich liegt es an ihrer Stimme, die es für mich als leidenschaftliche Hobbysängerin leicht macht mitzusingen. Oder an den wunderbaren Melodien, die sie damit verbindet. Das Album, das ab Oktober bei mir nicht mehr wegzudenken war, ist die 2013 erschienene Scheibe Girl Who Got Away. Im Komplettzusammenhang scheint Dido für mich da eine Trennung zu verarbeiten. Besonders der Song »End of Night« sticht da nicht nur aufgrund seiner Instrumentation und seines eingängigen Hintergrunds hervor, wie das Songzitat oben deutlich zeigt.
»Yeah I used to know the ways to push on through But I guess it’s cause I could rely on you, Now I’m surrounded by beings Who get low in the evenings…«
Ro Nova: »Low in the Evenings«
Apropos eingängige Melodien. Der nächste Song auf der Playlist ist »Low in the Evenings« von Ro Nova. Dass euch der Name nichts sagt, ist verständlich: Ro Nova veröffentlichte (Stand Dezember 2022) auf ihrem YouTube-Kanal bislang nur vier eigene Singles. Kein Wunder, denn sie arbeitet normalerweise im Hintergrund, wie Christopher von Deylen alias Schiller auf der Waldbühne in Berlin 2021 erzählt: Auf Tour mit Tom Jones ist Ro Nova für die Elektronik zuständig. Der Auftritt in Berlin an der Seite von Schiller war ihr erstes Mal auf der Bühne als Instrumentaristin. Als Sängerin werden wir noch einiges von ihr hören, denn »Low in the Evenings« mit seinem eingängigen Text und der hypnotischen Hintergrundelektronik war erst der Anfang einer großen Karriere…
Wenn wir schon bei Elektronik sind, dürfen die Großen nicht fehlen. Fangen wir mit Tangerine Dream an. Deren Song, den ich aufgrund seiner Harmonie über die vollen 9 Minuten und zehn Sekunden besonders feiere, ist »Genesis of Precious Thoughts«. Die Berliner Formation unter Leitung von Thorsten Quaeschning kommt ganz ohne Gesang aus und hat sich komplexen Stücken mit ebenso komplexer Elektronik verschrieben. Doch keine Angst. Tangerine Dream hat seit Gründung 1967 zwar mehr als hundert Alben (!) veröffentlicht, allerdings reicht zum Kennenlernen schon das Album Quantum Gate, aus dem der oben genannte Song stammt. Die Berliner schaffen es irgendwie, dass sich die Elektronik nicht komplett gleich anhört, und veredeln das auch noch mit Hoshiko Yamanes Geige und Cello – eine fantastische Kombination.
Bleiben wir bei der Elektronik. Wer mich kennt, weiß: Ich bin Schiller-Fan seit mittlerweile fünf Jahren. Und viele Songs könnten auch in dieser Playlist vorkommen. Doch kein Song hat mich 2022 so sehr berührt wie der 2019 erschienene Song »Harmonia« vom Album Morgenstund. Zum einen ist das Intro mit der persischen Flöte (zumindest klingt es in meinen Ohren so) ein gelungener Einstieg, zum anderen gibt Christopher von Deylen dem Song selbst eine Harmonie. Im Schiller-Songbook schreibt er zur Entstehung, dass diese magische Harmoniefolge mehr durch einen außer Kontrolle geratenen Synthesizer mit ordentlichem Eigenleben entstanden sei als geplant. Der Rest habe sich durch Zufall ergeben. »Harmonia« kennt man das aber nicht an. Für mich ist der Song der Inbegriff einer Freundschaft, in der sich beide perfekt verstehen – oder anders formuliert: eine Harmonie herrscht.
Lieblingssongs – erst 2022 erschienen
Wenn ich mir so die Playlist ansehe, stell ich fest, dass es doch zwei Neuerscheinungen gibt, die mich diese Jahr gefesselt haben. Und auch auffällig: Sie sind aus dem Rock-Pop-Bereich…
»I see Wonders, wonders, in a broken world. […] Tell me, do you see what I see?«
Michael Patrick Kelly: »Wonders«
»Wonders«, Wunder. Scheint Michael Patrick Kelly da auf eine Wende im Ukraine-Konflikt zu hoffen? Man möchte es fast meinen, wenn man sich das Zitat aus dem Refrain ansieht. Ob das wirklich so ist, wird Kellys Geheimnis bleiben. Fakt ist: Keine:r kam im Radio an Songs wie »Blurry Eyes« oder »Throwback« vorbei – es sei denn, es läuft nur Klassik-Radio. Kellys Album B.O.A.T.S. kam bereits Ende 2021 heraus und feierte große Erfolge. So beschloss Kelly, eine Extended Edition des Albums zu veröffentlichen mit sechs neuen Songs – unter anderem »Wonders«. Für mich der Song, der auf dieser Playlist das Pop-Genre ordentlich vertritt.
»No, I leave them broken-hearted, Oh no, look at thе mess we started.«
blink-182: »Edging«
Für Punk-Fans der 2000er ging fast schon ein Traum in Erfüllung, als die amerikanische Punk-Rock-Band blink-182 im Oktober 2022 ihre Reunion ankündigte. Einige Monate zuvor hab ich die Band erst entdeckt, auch nur über einen Freund – und daraufhin die weiteren Projekte um Songwriter Tom deLonge. Im November kam dann die Single »Edging« raus, die bis heute (27.12.2022) zwölf Millionen Aufrufe hat. Normalerweise bin ich nicht der Fan von Punk, aber blink-182 hat irgendwie was, das eine Ausnahme im persönlichen Bereich zulässt. Ein neues Album ist für 2023 angekündigt, die Frage ist nur, in welchem Stil es gehalten und ob es damit an die alten Erfolge anknüpfen wird. Tickets für die Welttournee sind schon längst verfügbar. blink-182 wird auch 2023 noch für Überraschungen gut sein, #staytuned.
Playlisten als Stimmungsbericht?
Wie schon geschrieben ist dies keine Playlist für jedermann. Und glaubt mir, diese Auflistung ist auch nicht vollständig. Die Tendenzen sind jedenfalls bei mir klar: Alte Instrumentalklassiker, gemischt mit neuen Pop- und Punkrocksongs, dazwischen noch ein paar Balladen. Und mehr lässt sich dazu auch nicht sagen. Denn eines hab ich 2022 besonders festgestellt: Playlisten können mehr über deine aktuelle Stimmung und deinen Musikgeschmack aussagen, als dir lieb ist. Frei nach dem Motto: »Zeig mir deine Playlist und ich sag dir, welche Persönlichkeit du hast.« Und es stimmt – zumindest bei mir: Rocksongs für schlechte Laune, Liebesballaden für den Herzschmerz, Chillout und Ambient für die Meditation am Abend, und Instrumental zum Lernen und kreativen Schreiben. Und wie sagt man so schön: »Musik ist der einzige Freund im Leben, der bleibt.«
Die Songs der Liste – viel Spaß beim Hören
blink-182: »Edging«
Dido: »End of Night«
Michael Patrick Kelly: »Wonders«
Ro Nova: »Low in the Evenings«
Schiller: »Harmonia«
Tangerine Dream: »Genesis of Precious Thoughts«
Titelbild: Happy New Year auf Pixabay