Weihnachten im Krieg
In Deutschland besorgen die Menschen noch hektisch letzte Geschenke. Ukrainer:innen kämpfen derweil, nicht weit weg, um ihr Überleben und die Zukunft des Landes. Wie sieht Weihnachten dort aus?
von Kseniia Liapina
In Deutschland riecht die Luft schon nach Weihnachtsstimmung: Häuser sind geschmückt, bunte Girlanden funkeln und in den Innenstädten gibt es Weihnachtsmärkte mit Glühwein oder Punsch. In der Ukraine war es bis 2022 genauso. In meiner Heimat fanden unglaubliche Neujahrskonzerte statt, In den Städten gab es viel Unterhaltung für Kinder und Erwachsene. Kiew wurde mit dem wichtigsten Weihnachtsbaum des Landes geschmückt. Aber diesmal geht leider der russisch-ukrainische Krieg weiter. Seit dem 24. Februar 2022, gab es keinen einzigen Tag, an dem Russland die Ukraine nicht beschoss. Derzeit leiden die Ukrainer:innen, aufgrund der Beeinträchtigung kritischer Infrastruktur, unter Stromausfällen, die mehrere Tage andauern können. Aber wir geben nicht auf! Die Ukrainer:innen glauben an den Sieg und setzen den Kampf fort – jede:r an der eigenen Front. Und außerdem: Wir versuchen unsere Stimmung zu verbessern und uns von den Winterferien ablenken zu lassen. Deshalb möchte ich in diesem Artikel von unseren einzigartigen Traditionen erzählen, an die wir uns bis heute erinnern und die wir ehren.
Der wichtigste Feiertag der Wintersaison in Deutschland ist Weihnachten. In der Ukraine wird es auch von der ganzen Familie gefeiert. Aber das Neue Jahr wird auch ziemlich laut zelebriert. Heute tun wir es gemeinsam mit der ganzen Welt – in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar. Allerdings war das nicht immer so. Zuvor feierten einige Ukrainer:innen das neue Jahr vom 13. bis 14. Januar. Das Datum der Feier wurde 1918 geändert, damit Neujahr mit anderen europäischen Ländern zusammenfällt – im gregorianischen Kalendar.
Ein charakteristisches Merkmal der Neujahrsfeier in der Ukraine war die Großzügigkeit – der Besuch von Häusern mit Glücks- und Gesundheitswünschen für Familienmitglieder und die Entwicklung der Wirtschaft. Dieser Ritus wurde von „Großzügigkeit“ in Gedichten oder Liedern begleitet. Erinnerst du dich an das Lied „Carol of the bells“? Die Originalversion des Liedes heißt „Shchedryk“ (etwas wie „Großzügigkeit“ auf Ukrainisch) und wird auf Ukrainisch gesungen. Der Komponist ist der Ukrainer Mykola Leontovych.
Fast jedes Land hat seinen eigenen Namen für den Weihnachtsmann. Die Sowjetunion beeinflusste die Ukraine, daher glaubten einige Ukrainer:innen lange Zeit, dass Väterchen Frost in der Nacht des 31. Januar Geschenke unter den Weihnachtsbaum legt. Tatsächlich ist dies eine fiktive Figur aus der UdSSR, die in der ukrainischen Kultur nie existiert hat und die wir vergessen. Erst am 6. Dezember legte der Nikolaus Geschenke unter die Kopfkissen der Kinder. Der ist keine fiktive Figur, sondern ein echter Heiliger, der einst auf der Erde lebte. Und da war Morozko – ein grauhaariger und freundlicher Großvater, der den Winter symbolisiert.
Eine interessante Tatsache: Die Ukrainer:innen hatten keinen Weihnachtsbaum für die Winterferien. Jetzt übernehmen wir diese Tradition gerne aus anderen Kulturen und schmücken die winterliche Schönheit jedes Jahr mit der ganzen Familie. Allerdings war es nicht immer so. Stattdessen hatten wir ein Bündel Stroh «Didukh». Es symbolisierte die Verbindung zwischen den Generationen – und es wurde auch geschmückt.
Der Bündel Stroh wurde auf besondere Weise dekoriert: Die Ukrainer backten Honig-Lebkuchen und schnitten sie in thematische Formen. Deshalb waren auf Didukh, Lebkuchen in Form von Schneeflocken, Weihnachtsbäumen, Halbmonden, Sternen oder Schneemännern zu sehen. Walnüsse und Zapfen wurden auch oft als Dekoration verwendet, ebenso wie frische Äpfel.
Was bei den Weihnachtsferien in der Ukraine noch immer die Hauptsache bleibt, ist die familiäre Ferien-Atmosphäre und der Glaube, dass mit dem neuen Jahr neues Glück kommen und das Leben viele weitere gute Überraschungen bringen wird. Ich hoffe, es wird so sein!
Beitragsbild: Josh Willink