Wohnsinn-Kolumne: Ode an Weihnachtsmärkte
Kitschig, überteuert und dazu noch eigefrorene Zehen – ich glaub Weihnachtsmärkte hatten schon mal einen besseren Ruf – wahrscheinlich auch Weihnachten an sich. Irgendwie passt dieses Fest einer Religion, die ein Großteil der Deutschen nicht mehr wirklich ausübt, ja auch nicht in unsere Zeit – und trotzdem lieb ichs.
von Paula Kühn
In diesen Zeiten habe ich manchmal das Gefühl, nahezu alles ist politisch aufgeladen: Fußballweltmeisterschaften, Sitcoms, welche Milch ich kaufe– und, wie mir diese Woche der Gedanke kam, eben auch Weihnachtsmärkte. Kitschig waren die ja schon immer und um einiges teurer als das Tetra-Pack von Aldi war der Glühwein aus den schuhförmigen Tassen sowieso seit ich den noch gar nicht getrunken habe. Aber als ich jetzt über den Neupfarrplatz und den Spitalgarten schlenderte, wurde mir klar, was man an diesen Märkten wirklich verurteilen kann.
Nichts ist echt. Eine harmonische Parallelwelt in einer Welt, in der eigentlich nichts sorgenfrei und glitzernd ist, sondern eine Krise die andere überrollt. Klimakrise (gegen deren weitere Verschärfung gerade wieder frisch quasi nichts getan wurde) Energiekrise, Krieg (nicht nur in Europa), verbrecherische Regime, die mit unvorstellbarer Gewalt gegen ihre eigene Bevölkerung vorgehen, die „nur“ Freiheit fordern.
Und dann stehen wir hier zwischen Holzhütten und Tannenbäumen, unter Lichterketten in der Regensburger Innenstadt, um , bei inzwischen eher milden Temperaturen, heißen Alkohol zu schlürfen und uns darüber zu unterhalten, was man denn seinem Vater zu Weihnachten schenken soll.
Darüber hinaus erscheint Weihnachten an sich überholt. Ich wage einmal die Behauptung, dass die wenigsten feiern, weil vor tausenden von Jahren ein Baby in einem Stall geboren wurde – sondern weil man es eben so macht.
Und trotzdem. Trotzdem bekomme ich ein warmes und geborgenes Gefühl im Bauch, wenn ich an den kleinen Buden vorbeischlendere, die Krippenfiguren, Schafsfelle und Tontassen verkaufen (also lauter Dinge, die niemand braucht). Ein warmes Gefühl, das nicht nur vom Heidelbeerglühwein kommt, an dem ich später nippe. Irgendwie ist es urgemütlich, eingemummelt in Schal, Mütze und Mantel an diesem kleinen Tisch zu stehen, zu trinken, Crêpes zu essen, der leisen Musik der Kapelle zu lauschen (natürlich »Oh-Tannenbaum«) – und mit meinen liebsten Menschen zu lachen. Es fühlt sich tatsächlich harmonisch an. Nach Kindheit und ein bisschen nach Heimat.
Vielleicht ist es auch in Ordnung mal kurz so zu tun als wäre alles okay.
Sich wieder kurz geborgen zu fühlen – und wenn das in einer kitschigen Parallelwelt ist. Mal kurz vergessen, was in der realen Welt los ist. Damit sind wir sonst schließlich die ganze Zeit konfrontiert.
Wer weiß – vielleicht liebe ich Weihnachtsmärkte ja deshalb so sehr.
Nächste Woche hat Elias einen Wohnsinn für euch!
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