Lautstark: Lil Peep – Tribut einer SoundCloud Ikone

Melancholie, Liebeskummer, Depression und Sucht. In seinen Texten stellt sich Lil Peep den inneren Dämonen und schenkt seinen Fans damit eine eigene Stimme (Smokeasac). Nach dem Release seiner Single »Star Shopping« im Jahr 2015 erlebt er einen kometenhaften Aufstieg und wird zur Ikone einer Subkultur. Billy Corgan (The Smashing Pumpkins) sieht in Lil Peep den Kurt Cobain einer neuen Generation – ein tragischerweise berechtigter Vergleich.

von Alessandro Gebsattel

»sometimes life gets fucked up, that’s why we get fucked up«
Lil Peep – »U Said« (»Come Over When You Are Sober, Pt. 1«)

Lil Peep wurde am 01 November 1996 als Gustav Elijah Åhr in Allentown, Pennsylvania geboren. Im Alter von vier Jahren zog er mit seiner Familie nach Long Beach, New York. Bereits in seiner Jugend zeichneten sich Åhrs Interesse für Musik (Posaune und Tuba) und Mode ab. In der Schule fand er sich als talentierter Schüler früh in den Kursen für Hochbegabte wieder. In diesen Jahren lernte Åhr außerdem seine Jugendliebe Emma Harris kennen. Die Beziehung beendete er kurz nach der Trennung seiner Eltern mit vierzehn Jahren. Die Beiden führten danach eine On-Off Beziehung und viele seiner Texte handeln von jener ersten Liebe. In dieser Zeit begann Åhr an einer Depression sowie Angstzuständen zu leiden, die er mittels Drogenkonsum selbst therapierte.

Lil Peep auf dem Cover seines Debütalbums »Come Over When You Are Sober, Pt. 1« (erschienen am 15. August 2017)

Trotz der schweren Umstände und vermehrter Abwesenheit in der Schule machte er seinen Abschluss an der örtlichen High School und stellte seine ersten Lieder auf SoundCloud (eine Plattform, die das kostenlose Hochladen von Musik ermöglicht und somit einen besonders großen Katalog an Indie-Künstlern aufweist) und YouTube. Nach seinem Durchbruch mit »Star Shopping« im Jahr 2015 erzielte Lil Peep mit den Mixtapes »Lil Peep; Part One« und »Live Forever« im selben Jahr noch weitere Erfolge.

Aufstieg und Style

»the music’s the only thing keepin’ the peace when I’m fallin’ to pieces«
Lil Peep – »Star Shopping«

Mit den Mixtapes »Crybaby« und »Hellboy« im Jahr 2016 knüpfte Lil Peep unmittelbar an seiner Erfolgsserie an und wurde ein weit gefeiertes Phänomen. In seinen Liedern finden sich Spuren unzähliger Genres wie Pop Punk, Lo-Fi, Trap, Hip-Hop und besonders Emo Rap, als dessen Leitfigur er gilt. Diese Einflüsse vereint Lil Peep meist genreübergreifend in Form von Samples (also das Wiederverwenden von Ton- oder Musikaufnahmen in einem neuen Kontext) mit seinem rauen Sound, melodischen Gesängen und Rap. Ebenso breit gefächert sind die Texte, welche Themen wie Depression, Drogen, Sehnsucht, Liebe, vergangene Beziehungen, Suizid und Sterblichkeit behandeln. Die Reime wechseln von einfachen Reimen bis hin zu komplexen, mehrsilbigen Reimketten. Die in dieser Vielfalt immerwährende Melancholie, ausgedrückt durch völlige Transparenz und Verletzlichkeit, bildet den Ausdruck von Lil Peeps Gefühlswelt. Vielen Fans spricht er damit aus der Seele, was ihn zum Sprachrohr einer Subkultur und Generation werden ließ, wie es einst nur Kurt Cobain war.

Lil Peep auf dem Cover des Mixtapes »Hellboy« (erschienen am 25. September 2016).

Sein Musikstil wird von einem ebenso einzigartigen Modebewusstsein begleitet. Hier vereint Lil Peep Strömungen wie Punk, Emo, Mall Goth und teurer Haute Couture miteinander. Eine weitere Ausdrucksmöglichkeit für ihn ist der eigene Körper. Unzählige Tattoos wie »Get Cake, Die Young« und »Exit Life« zieren seine Haut. Dieses auffallende Auftreten führte Lil Peep schließlich zur Arbeit als Model, wie beispielsweise während der Paris Fashion Week im Juni 2017. Er gilt außerdem als großer Einfluss für den Beginn der E-Boy-Kultur (eine Subkultur dessen Mitglieder sich von den traditionell maskulinen Eigenschaften distanzieren und sich durch introvertierte, schüchterne, emotional verletzliche und androgyne Charakteristiken auszeichnen).

Tod und Vermächtnis

»I got a feelin‘ that I’m not gonna be here for next year, so let’s laugh a little before I’m gone«
Lil Peep – »The Way I See Things« (»Lil Peep Part One«)

Neben Depression und Angstzuständen leidet Lil Peep nach eigener Aussage an einer bipolaren Störung. Im Jahre 2017 spricht er in einem Radiointerview davon, dass die Depression immer schlimmer werde. Als Therapie dienen ihm weiterhin Drogen wie Cannabis, Xanax, Lean und Kokain – Stoffe, von denen der Künstler seinen Fans entschieden abriet. Am 15. November 2017, im Alter von 21 Jahren, nimmt Lil Peep unwissentlich einige mit Fentanyl gestreckte Xanax-Tabletten ein und erleidet einen Herzstillstand. Seit seinem Tod, starben weitere Künstler wie Juice Wrld und Mac Miller ebenfalls an Überdosen, oft im Zusammenhang mit Fentanyl. Liza Womack, die Mutter von Lil Peep, reichte Klage wegen widerrechtlicher Tötung gegen das Management ihres Sohnes, First Access Entertainment, ein. Mitte Oktober 2022 kam es zu einem außergerichtlichen Vergleich.

Lil Peep auf dem Cover der Single »Kiss« (erschienen am 3. November 2016).

Frau Womack unternimmt außerdem Anstrengungen (vor allem die Freigabe verwendeter Samples), dass sämtliche Musik ihres Sohnes für seine Fans zur Verfügung stehen. Auf der offiziellen Website lilpeep.com schafft sie außerdem einen Raum für das Leben, die Kunst und Person Lil Peeps. Im August 2017 gab der Künstler auf Twitter seine Bisexualität bekannt und bildet neben Künstlern wie Lil Nas X eine tragende Figur des LGBTQIA+ Hip-Hops. Post Malone, Musiker und Freund von Lil Peep, spricht davon, dass er im Begriff war die Musikwelt für immer zu verändern.

Fünf Jahre und zwei Tage nach seinem Tod verzeichnet Lil Peep laut Spotify über 15 Milliarden Streams über alle Plattformen verteilt. Neben unzähligen Gold-Schallplatten erreichte er mit »Star Shopping« außerdem eine doppelte Platin-Schallplatte. Sein Album »Come Over When You’re Sober, Pt. 2« stieg auf Platz 4 der US Billboard 200 und Platz 26 der deutschen Albumcharts ein. Er hält außerdem Platz 404 der Weltrangliste und über 13 Millionen monatliche Zuhörer auf Spotify. In einem Profil des Rolling Stone Magazins wird der Tod Lil Peeps als ein großer Verlust für die Musik des 21. Jahrhunderts bezeichnet.