Der Campus hat eine Pionierin verloren
Julia Poppe war eine Wegbereiterin für Nachhaltigkeitsthemen am Campus Regensburg. Am Freitag, dem 8. Juli, ist sie verstorben. Ihr Handeln wird Regensburg aber auch in Zukunft weiter prägen.
Ein Nachruf von Moritz Müllender
Julia Poppe war am Campus einigen bekannt – zu wenigen. Denn die Institutionen, die sie mit geschaffen hat, sind prägend: Die Nachhaltigkeitswoche, das Netzwerk Nachhaltigkeit und das Green Office an der OTH.
Am Freitag ist Julia nach einem Autounfall in Hohenfels verstorben. Sie stand am Donnerstagabend mit zwei Freund:innen am Straßenrand neben einem Transporter und war auf dem Rückweg von einem Kletterausflug. Ein 20-jähriger kam vom Straßenrand ab und fuhr in die Personengruppe. Julias Freund starb am Unfallort und eine weitere Person liegt nach Informationen von Montag, dem 11. Juli, noch schwer verletzt im Krankenhaus. Diverse Medien berichteten über die Tragödie.
Julia kämpfte für einen nachhaltigeren Campus. Ihr BWL-Studium an der OTH beendete sie mit einer Bachelorarbeit über nachhaltige Entwicklung an Hochschulen. 2019 entwarf sie gemeinsam mit den Universitätsstudentinnen Lydia Reismann und Antonia Pröls das Konzept für die Nachhaltigkeitswoche und setzte es im Team um – eine Woche voller Workshops, Diskussionen und Vorträge, rund um das Thema Nachhaltigkeit. Julia wollte immer zusammenbringen und vernetzen, Austausch fördern. Mit der Nachhaltigkeitswoche gelang ihr das. Die Initiative wuchs beständig. Die aktuelle Nachhaltigkeitswoche ist am 3. Juli zu Ende gegangen. Universität, OTH, die Stadt, die Regensburger Energie Agentur und das Netzwerk Nachhaltigkeit veranstalten sie mittlerweile gemeinsam. In ganz Regensburg luden diesmal über 120 Veranstaltungen dazu ein, sich mit Nachhaltigkeit in allen Facetten auseinanderzusetzen. Über 70 Organisationen – von der REWAG, über Scientists for Future bis hin zum Frauengesundheitszentrum und der Seebrücke – trugen dazu bei.
Im Zuge der Nachhaltigkeitswoche 2019 entstand mit und durch Julia auch das Netzwerk Nachhaltigkeit. Sie gründete die studentische Initiative mit dem Team der Nachhaltigkeitswoche. Das Netzwerk setzt sich, neben der Organisation der Nachhaltigkeitswoche, dafür ein, das Thema Nachhaltigkeit campusübergreifend zu verankern. Unter anderem arbeitete die Gruppe darauf hin, dass sowohl an Universität wie auch an der OTH ein Büro entsteht, das sich der nachhaltigen Transformation widmet. Heute gibt es an beiden Hochschulen ein sogenanntes Green Office.
Bei der Einrichtung der Stelle an der OTH war Julia die zentrale Figur. 2020 wurde sie offiziell zur ersten Nachhaltigkeitsbeauftragten der Hochschule. Sie übernahm eine neu eingerichtete Stelle für »Gesellschaftliche Verantwortung und Nachhaltigkeit«. Im Hintergrund arbeitete sie auch schon früher an den Themen. In den folgenden Monaten kämpfte sie sich, gemeinsam mit den Beauftragten der OTH für Nachhaltigkeit Sandra Hamella und Irmgard Schroll-Decker, durch den Bürokratie-Dschungel und drängte auf eine Erweiterung des Büros um studentische Hilfskräfte (SHK). Ab Dezember 2020 arbeiteten dann drei SHK unter Julias Anleitung daran, die OTH nachhaltiger zu machen. Unter ihrer Mitarbeit entstand die erste Klimabilanz der Hochschule, die wohl kommendes Semester veröffentlicht wird. Mit dem Netzwerk Nachhaltigkeit blieb ein reger Austausch. Auch bei der Einrichtung des Green Offices an der Uni Regensburg, stand Julia im engen Kontakt mit der dortigen Leitung Ann-Kathrin Roßner und unterstützte beim Einfinden am Campus.
Julias Handabdruck wird zu spüren bleiben – an der OTH, der Universität und in der Stadt. Studierende und Regensburger:innen, die sie nie gekannt haben, werden sich auch in Zukunft durch Initiativen dem Thema Nachhaltigkeit annähern, die ohne Julia anders, weniger oder gar nicht vorhanden wären.
Sie war immer ein Paradiesvogel. Gerade in der technisch geprägten OTH fiel Julia mit bunten Fleece-Pullovern und vollgestickerter Trinkflasche auf. In ihrem Studiengang BWL fühlte sie sich teils als Außenseiterin. Im Anstoßen nachhaltiger Entwicklung wurde sie zur Vorreiterin.
Als zweite Leidenschaft – neben der Nachhaltigkeit – entdeckte sie das Klettern. Es war für sie auch ein Ausgleich zu dem teils ermüdenden Abarbeiten an der Hochschulbürokratie. Besonders in den letzten zwei Jahren wirkte es, als ob Julia jede freie Minute für einen Trip in die Felsen und Berge nutzte.
Am Montag haben enge Freund:innen und Mitstreiter:innen eine kleine Gedenkstätte an der Eingangsbrücke zur OTH errichtet. Dort stehen Kerzen und selbstgepflückte Blumen in leeren Getränkeflaschen. Die Hochschulverwaltung duldete sie bis Redaktionsschluss am 13. Juli zunächst. Hoffentlich bleibt das so.
Der Campus hat eine sanfte Kämpferin verloren. Nichts kann sie ersetzen. Julia Poppe fehlt und wird fehlen. Es ist an uns allen ihren Einsatz für eine nachhaltige Transformation des Campus weiterzutragen. Das Netzwerk Nachhaltigkeit wird das sicherlich tun. Auch wir anderen sollten es.
Transparenzhinweis:
Unser Redakteur Moritz Müllender hat mit Julia Poppe als SHK im GreenOffice der OTH zusammengearbeitet und war in der Anfangsphase Teil des Netzwerk Nachhaltigkeit. Er würde seine Beziehung zu Julia als »lockere Freund:innenschaft« bezeichnen, weiß aber nicht ob sie das auch so gesehen hat.
Beitragsbild: Julia bei der ersten Nachhaltigkeitswoche 2019 / Antonia Pröls