Die Klimabilanz eines Theaters – Wegweisend für die Zukunft?
Kann ein Theater klimaneutral werden? Und welche Faktoren müssen dafür berücksichtigt werden? Um das herauszufinden, braucht es eine Klimabilanz. Das Theater Regensburg hat diese für die Spielzeit 2018/19 am Donnerstag im Rahmen der Regensburger Nachhaltigkeitswoche vorgestellt.
von Yvonne Mikschl
Nachhaltigkeit ist im öffentlichen Diskurs schon lange nicht mehr wegzudenken. Das macht nicht zuletzt die »Regensburger Nachhaltigkeitswoche« klar: In den über 120 Veranstaltungen zwischen dem 27. Juni und 03. Juli 2022 drehte sich alles um Klimaschutz und die 17 Ziele der Agenda 2030. Mitorganisiert wurde die Nachhaltigkeitswoche unter anderem vom Netzwerk Nachhaltigkeit, der Universität Regensburg und der Stadt Regensburg.
Auch das Theater Regensburg war Teil dieser Veranstaltungsreihe und stellte in diesem Zusammenhang am Donnerstag seine Klimabilanz vor. Grundlage für dieses Projekt war, dass Theater, als öffentlich geförderte Häuser, besonders in der Verantwortung stehen, ihren Beitrag zu einem nachhaltigen Umgang mit den begrenzten Ressourcen dieser Welt zu leisten. Über Zoom erklärte der kaufmännische Direktor Matthias Schloderer zusammen mit Vera Hefele, Gründerin des WHAT IF – Projektbüro für nachhaltige Kultur, die wichtigsten Fakten. Erstellt wurde der Bericht in der Spielzeit 2021/22 und bezieht sich größtenteils auf die Spielzeit 18/19, da diese Zeit keine Verzerrungen durch Schließungen oder Teilauslastung aufweist. Die dadurch entstandenen Daten bilden den Ausgangspunkt für weitere Analysen in der Zukunft.
Die Klimabilanz im Überblick
Ermittelt wurden die Treibhausgasemissionen in CO2-Äquivalenten nach dem Greenhouse Gas Protocol, dem international am weitesten verbreiteten und anerkanntesten Standard für die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen von Unternehmen. Die Emissionen werden danach in drei sogenannte Scopes eingeteilt: Scope 1 befasst sich mit allen durch Verbrennung in eigenen Anlagen erzeugten Emissionen, Scope 2 umfasst die leitungsgebundene Energie wie Fernwärme und Strom, Scope 3 schließt Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen ein. Hefele betont hierbei, dass Scope 1 und 2 verpflichtend seien und Scope 3 optional sei. Rechnet man die Ergebnisse der Scopes zusammen, kommt man auf die Klimabilanz.
Beim Theater Regensburg teilen sich die Scopes, wie Abbildung 2 deutlich zeigt, eine Aufteilung zwischen Scope 2 und Scope 3. In Scope 2 wird mit einer Emissionsreduzierung bereits gerechnet, da bereits im November 2019 auf Ökostrom umgestiegen wurde. Den größten Anteil, 90 Prozent, macht die Mobilität von Mitarbeiter:innen und Zuschauer:innen aus. Dies sei zum einen bedingt durch die Jahreszeit, zum anderen durch den Anfahrtsweg aus dem Umland zu erklären, betont Hefele.
Besonderes Einsparpotential bei der Publikumsmobilität
Besonders die Publikumsmobilität, die den größten Anteil an Emissionen in Scope 3 ausmacht, bietet am meisten Potential für Einsparungen. Die Daten kommen aus einer Publikumsbefragung vor Ort, an fünf verschiedenen Vorstellungstagen im November und Dezember 2021. Obwohl nur 191 Personen befragt wurden, ist das Ergebnis dennoch aussagekräftig[MM1] , da die Zahlen auf die Gesamtbesucher hochgerechnet werden können. Über 48 Prozent der Besucher:innen nutzen für den Weg zum Theater das Auto. Coronabedingt wird der öffentliche Personennahverkehr von 22 Prozent der Befragten nicht genutzt.
Überraschend für Hefele ist besonders, dass über ein Drittel der Befragten nicht wussten, dass das Ticket für den RVV im Eintrittspreis inkludiert ist. Eine bessere Kommunikationsstrategie kann eine Maßnahme dagegen sein: Die Kennzeichnung werde in Zukunft auf dem Ticket gut sichtbar gemacht, so Schloderer. Dennoch müsse der ÖPNV besser ausgebaut werden, um die Emissionen durch das Auto zu verhindern – meist kommen die Besucher:innen aus dem Umland, in dem besonders abends selten oder gar keine Bus- oder Zugverbindung besteht. Vorstellungen ohne Publikum kämen für ein Theater nicht in Frage, betont Schloderer deutlich.
Konkrete Maßnahmen für die nächste Spielzeit
Das Theater Regensburg ist eine der ersten Kultureinrichtungen, die eine Klimabilanz für sich in Auftrag gegeben haben, um Maßnahmen zum Klimaschutz ergreifen zu können. Eine Projektverantwortliche, die das Thema Klimaschutz managt, ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Diese beinhalten unter anderem die Überlegung, Solarpanels auf dem Dach des Theaters zu installieren – dies müsste aber mit dem Denkmalschutz abgesprochen werden, so Schloderer. Ein Austausch von Materialien und Kostümen zwischen Theatern ist bereits in Norddeutschland der Fall. In Regensburg sei das Theater in Kontakt mit dem Kulturamt, sodass ein Kostüm- und Technikfundus mit der freien Szene bald möglich wäre. Allerdings wird es noch einige Jahre dauern, bis diese Maßnahmen umgesetzt werden können.
Zudem ist das Thema energetische Sanierung, wie es aktuell im Velodrom geschieht, ein weiterer Punkt auf der Agenda. Dabei wird bei Ausschreibungen nicht mehr so sehr auf den Preis geachtet, sondern die Nachhaltigkeit mit zehn Prozent Gewichtung in der Ausschreibung berücksichtigt: Regionale Anbieter mit geringeren Anfahrtszeiten würden in Zukunft eher genommen werden. Schloderer wünscht sich, dass es da auch eine Vorgabe der Stadt Regensburg geben würde. Für die Sanierungen im Velodrom würden die maßgeblichen Ausschreibungen im Moment laufen und dabei würde auf dieses Thema geachtet werden, versichert Schloderer.
Dennoch gibt es Pläne für die kommende Spielzeit ab September: Neben den regelmäßigen Zusammenkünften in den einzelnen Gewerken, wo vor allem der Transport und die Transportwege diskutiert werden, werden die Pläne für die Heizung von Büroräumen im Winter nicht zuletzt wegen des andauernden Russland-Ukraine-Kriegs überdacht. Zum Ende der Spielzeit soll zudem ein Projekt im Stadtraum entstehen, das komplett klimaneutral umgesetzt werden soll. Dies ist allerdings noch in der Planung.
Klimaneutrales Theater – realistisch oder Gedankenspiel?
Auf die Frage, ob ein Theater klimaneutral werden kann, antwortet Hefele, dass das eine Frage der Definition von Klimaneutralität sei. Klimaneutralität sei heutzutage einfach zu holen, indem Geld gezahlt werde und die Emissionen dadurch kompensiert werden. Dies sollte möglichst nicht das Ziel sein, das angestrebt werden sollte, betont die Gründerin des WHAT IF-Projektbüros. Gehandelt werden solle nach dem Dreiklang »Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren«, um das Ziel eines kontinuierlichen Reduktionspfad zu erreichen. Es sei laut Hefele durchaus möglich, ein klimaneutrales Theater zu werden, allerdings sollten Kompensationszahlungen der letzte Schritt sein. Zudem ist es umstritten, ob die Publikumsmobilität vom Theater überhaupt bilanziert werden sollte. Fakt ist: Das Theater Regensburg geht mit seiner Klimabilanz einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung und regt zum Nachdenken an.
Faktenquelle: https://www.theater-regensburg.de/nachhaltigkeit/ (als PDF verfügbar)
Beitragsbild: Yvonne Mikschl