Wohnsinn-Kolumne: Quarantäneimpressionen
Und so kommt’s. Es hat mich erwischt. Unerwartet erwartet. Angesteckt. Quarantänisiert. Was machen, wenn’s dich trifft? Erstmal alles aufschreiben. Ein Tagebuch aus der Quarantäne.
von Anna-Lena Brunner
So begann also das Jahr 2022. Mit einer Corona-Infektion. Da schlagen alle Horoskopgötter und -göttinnen Alarm. Um die Zeit vorüber zu bringen und mich ein wenig selbst zu bemitleiden, dachte ich mir, ich schreib einfach mal alles auf, was mir in der Zeit durch den Kopf geht. Durchgehalten hab ich nicht lang, aber Beständigkeit war noch nie so meine Stärke. Hier also mein dreitägiges Tagebuch aus der 14-tägigen Quarantäne.
Tag 1
Das große C lauert unermüdlich über uns. Nichts ist sicher. Schon gar nicht unser Verstand. Was wir wissen: So ziemlich alle sind infiziert. Inklusive mir, trotz Impfung. Juhu – endlich Zeit. Doch da hat man sie mal, die liebe Zeit, dann will man sie nicht mehr. War gerade beim Testen, der Mensch am Schalter tat mir irgendwie Leid. Sitzt da vermutlich schon lange und muss immer die gleichen Sätze runter leiern, bevor er endlich zu seiner PlayStation zurück darf. Zuhause: 14 Tage wieder Kind sein. Momentan lässt es mich noch kalt. Ob und wann der große Einbruch kommt, weiß ich nicht. Die Gang fehlt mir jetzt schon. »Was gibt es mittags zu essen?«, ist die große Frage, die mich heute beschäftigt. Gehe jetzt etwas lesen. Melde mich morgen wieder.
Tag 2
Naja, wohl eher Tag drei oder vier. So genau weiß ich das gerade gar nicht mehr. Die Zeit verschwimmt zu einer zähen Masse, die tropft und tropft. Blup, blup. Hab heute Bauchschmerzen und PMS, die Stimmung ist also dementsprechend. PCR-Test auch positiv, in elf Tagen bin ich also wieder ein freier Elf. Langsam fangen die Tage an, monoton zu werden, die frei gewordene Zeit nutzt sich ab und ich fühle mich eingesperrt und gefühllos. Blup, blup, blup, ich schwimme in einem Meer aus Watte, meine Augen unfokussiert, der Blick geht ins Leere und ich starre sinnlos die schwarze Wand an. Was ist sinnvoll, was sinnlos? Muss Sein überhaupt Sinn haben? Frische Luft tut gut. Mittlerweile bin ich rastlos und gleichzeitig wie gelähmt. Weniger schwarze Wand, die tut nicht gut. »Stop whining, start writing!«, hätte Joan Didion gesagt.
Tag 3
Heute war ganz gut. Unspektakulär leise. Das Leben muss nicht immer laut sein. Obwohl es mit lauten, grummeligen Gedanken begann. Bei einer Doku über Kapitalismus dann aber abgeregt. Minipizzen weinen und ich mache mir Sorgen, fühle mich schuldig, schieb’s aber weg. Langeweile kickt langsam. Ich glaube ich muss bald gehen. Laufen. Spazieren. Meine Beine frieren bald ein. Das letzte Buch, das ich gelesen hab (»Nie, nie, nie« von Linn Strømsborg) hat sich in der Mitte etwas gezogen, war dann aber doch ganz famos. Zeigt mir, dass ich nicht immer so schnell aufgeben sollte. Aber zu wissen, wann weiter, wann nicht, hab‘ noch nicht genau rausgefunden, wann’s passt. Satz des Tages: »Sie wird nie Angst haben müssen, verlassen zu werden, vielleicht wird sie sich vor der Dunkelheit fürchten, aber auch mutig sein. « (aus »Nie, nie, nie« von Linn Strømsborg)
Der nächste Wohnsinn kommt von Lotte. Seid gespannt!
Beitragsbild: © Kristina Tripkovic | Unsplash