Wohnsinn: »C’est pas grave!« oder über die Eigenarten von französischen Wohnungen
Auch wenn ich nun schon einige Zeit in Nizza lebe, bin ich doch immer wieder überrascht, wie sehr sich die französische Mentalität von der deutschen unterscheidet. Was mich besonders fasziniert: Über kleine Unannehmlichkeiten regt man sich auf keinen Fall auf – fast so als wäre es unter der Würde der Franzos:innen, sich über kleine Dinge wie lange Wartezeiten an Supermarktkassen zu echauffieren. Situationen, in denen viele Deutsche grün vor Ärger werden würden. In manchen Beziehungen wirkt diese »Macht-ja-nichts«-Mentalität zwar amüsant, allerdings auch etwas fehl am Platz – und zwar, wenn es um den Zustand der französischen Wohnungen geht.
von Paula Kühn
Vor einigen Tagen kamen einige deutsche Freund:innen, die ebenfalls ihr Auslandssemester in Nizza verbringen, zum Abendessen vorbei. Wir saßen um den Holztisch in unserer kleinen Küche herum, aßen, lachten und nippten an unserem Wein, als einer meiner Freunde plötzlich grinsend in die rechte obere Ecke des Raumes zeigte – wo ein, circa ein Meter breites und hohes, Loch den Blick in das Badezimmer freigibt. »Was ist denn das?!« Meine Mitbewohner und ich konnte uns das Lachen nicht verkneifen: »Wirklich keine Ahnung. Das war schon immer so. Haben wohl vergessen eine Scheibe einzubauen«.
Zu dem Thema hatten anschließen ausnahmslos alle etwas zu erzählen: In Blankas Küche dürfen nie Spülmaschine und Waschmaschine gleichzeitig laufen, sonst fliegen sämtliche Sicherungen heraus. Das hatte der Vermieter ihr aber netterweise bereits bei ihrem Einzug als Tipp mitgegeben. Genauso wie die Info, dass eine kleine Schüssel unter dem Warmwasserboiler stehen muss – der tropft nämlich. Dass sie ihre Zimmertür lieber nicht ganz schließen sollte, da diese von innen nicht geöffnet werden kann, musste sie allerdings selbst herausfinden. Der einzige Kommentar des Vermieters dazu war lediglich: »Ach ja, das geht schon, da musst du nur ganz fest drücken!«
Auch Ricardas Vermieterin scheint eine ähnlich typische Vertreterin der französischen Mentalität zu sein: Der Schimmel an der Badezimmerdecke sei »wirklich nicht schlimm«. Wir konnten nicht mehr aufhören zu lachen, wie wenig sich unsere Vermieter:innen für diese kleinen »Fehler« in ihren Wohnungen interessieren. In Deutschland wäre das schließlich undenkbar. Eigentlich überwog aber unsere Bewunderung: Diese Menschen lassen ganz einfach nicht zu, dass die kleinen Probleme zu großen werden, verschwenden keine Energie und konzentrieren sich auf die schönen Dinge. Denn es ist ja eigentlich auch egal, ob die Zimmertür nicht richtig schließt oder ob es ein kleines Loch zwischen Küche und Bad gibt (durch das man sich übrigens wunderbar unterhalten kann) – denn dafür haben wir bei geöffnetem Fenster frischen Baguette Geruch im Zimmer und in der nächsten Seitenstraße das glitzernde Meer.
Nächste Woche meldet sich dann wieder Laura bei euch!