Mov:ement: Blut, Schweiß und Lügen – Die Geschichte von »Bloodsport«
Da willst du einfach nur ein bisschen Schabernack mit den Jungs treiben, findest dich jedoch im Haus eines Ninjutsu-Senseis wieder. Du wirst von ihm trainiert, landest bei einem illegalen Kampfsport-Turnier in Hongkong und bekommst auf einmal von einem chinesischen Muskelprotz gnadenlos aufs Maul. Währenddessen wirst du von Spezialagenten gejagt, fängst eine Romanze an und kannst auch noch einen makellosen Spagat. Es ist 1988, du heißt Frank Dux und prägst das Martial-Arts-Genre bis heute – Willkommen bei »Bloodsport«!
von Elias Schäfer
Bei dieser rapide zusammengestauchten Einleitung könnte man den Artikel auch eigentlich belassen. »Bloodsport« ist ein Film, dessen Plot schnell auserzählt ist. Der damals 28-jährige Jean-Claude Van Damme spielt Frank Dux, einen US-Army-Captain, der in seiner Jugend mit ein paar Kumpels bei einem Herrn Senzo Tanaka einbricht, um ein Katana zu stehlen. Was man halt so macht. Das Problem: Dux ist ein bisschen zu ehrlich und bringt das Katana wieder an dessen Platz zurück, was Tanaka bemerkt und ihn, direkt von seinem Potenzial überzeugt, zu seinem Schüler macht. Zusammen mit Senzos Sohn Shingo wird Frank im Tanaka Dojo zum Mann – bis Shingo stirbt und Frank zur Armee muss. Trotz großer Erfolge liegt seine Leidenschaft immer noch bei den Kampfkünsten. Dux wird zu einem geheimen Turnier in Hongkong eingeladen, dem Kumite, desertiert und verspricht seinem scheidenden Meister, es in seinem Namen zu gewinnen. Er schlägt sich auch gut. Zu gut. So gut, dass der amtierende Champion Chong Li (gespielt von Obermuskelmann Yang Sze, besser bekannt als Bolo Yeung, der schon im Bruce Lee Klassiker »Enter The Dragon« Menschen erbarmungslos verprügelte) ihm den Nacken durchbrechen will.
Dazwischen passiert allerhand Nebengedöns. Helmer und Rawlins (der übrigens von Forest Whitaker gespielt wird), zwei US-Agenten, folgen Dux nach Hongkong, um ihn zu verhaften, kommen dem flinken Kämpfer allerdings nicht hinterher. Journalistin Janice Kent findet den Mann ganz gut, und Mitkämpfer Ray Jackson freundet sich mit Frank an. Die Verfolgungsszenen der beiden US-Agenten und Frank Dux‘ sind trotz der offensichtlichen Chancenlosigkeit der Cops faszinierend: Sie wurden in der berühmt-berüchtigten Kowloon Walled City gefilmt, dem damals am dichtesten besiedelten Ort der Welt. In der Hochphase der Besiedlung lebten dort 33.000 Menschen auf 0,025 Quadratkilometern. Wenn man es auf einen Quadratkilometer hochrechnet, wären es 1,3 Millionen Menschen gewesen. Leider wurde die Walled City bis zu ihrem Abriss 1993 nicht so ausgiebig dokumentiert, wie ich es gerne hätte. Darstellungen im Videospiel »Shenmue 2«, alte Dokumentarfilme sowie Chase-Scenes in »Bloodsport« sind leider nicht genug, um dieses pulsierende Ökosystem voller dunkler, enger Gassen, herunterhängender Stromkabel, illegaler Metzgereien und Zahnarztpraxen sowie einer Mischung aus kriminellem Hotspot und einer Oase der Zusammengehörigkeit gebührend zu präsentieren.
Eine wahre Geschichte?
Zumindest in Deutschland trägt der Streifen den alternativen Titel »Bloodsport – Eine wahre Geschichte«. Das bezieht sich darauf, dass die Handlung auf den Erzählungen eines gewissen Frank Dux basiert. Genauer gesagt gab er dem BLACK BELT Magazin im Mai 1980 eine Reihe von Interviews, in der er mehr oder weniger genau beschrieb, was er in seinem illustren Leben erlebte. Dux, ein top-ausgebildetes Mitglied der Marine, wurde von einem Kampfkünstler namens Tanaka trainiert und schließlich 1975 zu einem extrem geheimen Turnier auf den Bahamas eingeladen: Dem Kumite. Dieses soll laut ihm alle fünf Jahre stattfinden und immer die Locations wechseln, um seine geheimnisvolle Aura beizubehalten. Das Turnier bestand aus 60 Kämpfen verteilt über drei Tage; Dux gewann und bekam eine Trophäe dafür. Auch der im Film dargestellte Kampf gegen Chong Li soll sich so ähnlich auch im echten Leben abgespielt haben. Doch warum darf Dux überhaupt darüber sprechen, wenn die ganze Veranstaltung so geheim ist? Anscheinend wurde er explizit auserwählt, um als quasi-Botschafter für das Kumite zu werben, um mehr Elite-Kämpfer dazu zu bewegen, daran teilzunehmen. Aber wurden diese nicht vom Turnier selbst eingeladen und nicht andersherum? Da beginnt auch die Geschichte von Frank Dux zu bröckeln – wirkliche Beweise für die Richtigkeit der Ereignisse gab es einfach nicht.
Viele seiner Aussagen verstricken sich in Widersprüche. Allein seine erfolgreiche Militärkarriere liest sich extrem schwammig: Dux behauptet, auf geheimen Missionen in Südostasien und für die CIA unterwegs gewesen zu sein. Seine Militärdokumente sagen aber, dass er niemals im Ausland war. Dux‘ Reaktion? Er behauptet, das Militär würde ihn diskreditieren wollen, obwohl Director of Central Intelligence Robert Gates höchstpersönlich sagte, dass Dux niemals für die CIA gearbeitet habe. Doch der informationelle Dunst der 1970er und 80er spielt dem selbsternannten Medal-of-Honor-Träger ganz gut in die Karten: So kann Frank Dux sagen, dass er von einem japanischen Ninja-Meister trainiert wurde, dass er all die Abenteuer erlebt hat, und dabei immer hinzufügen, dass das alles streng geheim war. Dazu passt auch seine Beschreibung einer »Black Dragon Fighting Society«, die vom »Deadliest Man Alive« Count Dante (der behauptete, dass er andere Kämpfer mit nur einem Schlag, dem Dim Mak, töten könnte) gegründet wurde und maßgeblich für die Organisierung von ersten Mixed-Martial-Arts Kämpfen verantwortlich war. Das klingt schon wie Stoff, aus dem Filme gemacht werden. Regisseur Newt Arnold wurde durch das BLACK BELT Interview auf Dux aufmerksam und heuerte ihn als Choreographen und Berater an, um »Bloodsport« zu drehen.
Martial-Arts par excellence
Und zumindest in dieser Position ist der echte Frank Dux kein potentieller Blender: »Bloodsport« ist ein fantastischer Martial-Arts-Film. Natürlich nagt auch die Zeit an ihm, denn spätestens die perfekt durchgetakteten Kampfchoreographien in »The Raid« oder der »John-Wick«-Reihe hoben die filmisch dargestellten Kampfkünste nochmal auf ein ganz anderes Level. Auch die allgemeine Schauspielleistung ist in keiner herkömmlichen Weise überzeugend. Doch ähnlich wie Bruce Lees »Enter The Dragon« hinterließ »Bloodsport« einen kaum vergleichbaren Impact in der Welt des ästhetischen Gekloppes. Die Kämpfe sehen so aus, als würden sich die Kontrahenten wirklich verprügeln: Jeder Schlag, jeder Kick sitzt und tut schon beim Ansehen weh. Dux‘ Training-Montage ist fast so inspirierend wie Rocky Balboas legendärer Lauf durch Philadelphia. Bolo Yeung als Chong Li ist ein fabelhafter, gnadenloser Bösewicht. Und was kinematischen Kampfsport angeht, kann niemand dem jungen Van Damme, der mit dem Film seinen Durchbruch schaffte, das Wasser reichen. Gewürzt mit ein bisschen cheesy Männerfreundschaftsgesäusel zwischen Frank und dem US-Amerikaner Ray Jackson und ganz vielen Spagaten seitens Van Damme entsteht hier ein testosteron- und blutgetränktes Kampfspektakel, das mit toller 80er-Hongkong-Ästhetik und einem Soundtrack von Paul Hertzog aufwartet und durch seine sehr erträgliche Laufzeit von nur 92 Minuten gar nicht langweilig werden kann.
Der Einfluss von »Bloodsport« ging auch über verschiedene mediale Grenzen hinweg – auch wenn die Reviews oftmals nicht so pralle sind. Natürlich kamen die obligatorischen Sequels, drei an der Zahl, die aber weder Jean-Claude Van Damme noch irgendetwas Gutes an sich beinhalten. Eine Wrestling-Promotion namens Game Changer Wrestling veranstaltet zusammen mit dem ehemaligen UFC-Champion Josh Barnett mehrmals im Jahr eine Show namens »Bloodsport«, die ein immer mehr wachsendes Kultgefolge bekommt und an die Bare-Knuckle-anything-goes-Regeln des Films angelehnt ist. Die bekannte Videospielreihe »Mortal Kombat« wäre ohne »Bloodsport« wahrscheinlich gar nicht erst entstanden, da sie viel von der brutalen und kompromisslosen Art des Streifens übernimmt. Und Jean-Claude Van Damme wäre nicht zu dem Mann geworden, der er heute ist: Ein Action-Star der 80er und 90er Jahre, der nicht wirklich schauspielern konnte und heutzutage wie die meisten seiner Artgenossen nichts mehr reißt, aber in seiner Prime sehr unterhaltsam anzusehen war. Falls ihr auch nur ein bisschen was für Kampfküste und halbnackte, schwitzige und blutende Männer übrig habt, solltet ihr euch auf jeden Fall »Bloodsport« ansehen – ein Stück Martial-Arts-Film-Geschichte.
Hier noch der Trailer:
Beitragsbild: © fanart.tv