Feminis:muss: Im Schatten der Union
Ist die Union regierungsfähig? Von allen Seiten fliegt einem*einer diese Frage zurzeit um die Ohren. Dabei ist die Antwort eigentlich ganz einfach. Achtung, Spoiler: Nein, ist sie nicht. Denn eine Partei, die das Frauenbild des 21. Jahrhunderts noch immer nicht verinnerlicht hat, sollte ganz bestimmt nicht die Zukunft Deutschlands in den Händen halten.
von Julian Bichler
»Wenn es mit anderen Personen besser geht, dann gerne!«, verkündet CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat Armin Laschet und stellt damit womöglich die Weichen für einen Wechsel an der CDU-Spitze. Ist die Ära Merkel nun doch noch nicht vorbei? Schafft es doch noch eine Frau auf den männerbegehrten Kanzlerthron? Eine Merkel 2.0 also? Keinesfalls! Denn welche Frau sollte die Union schon auch zu ihrer Königin krönen, kann sie noch nicht einmal den Bundestag mit weiblichen Mandaten füllen. Deutlich wird dies beim Blick auf den Frauenanteil der Partei im Bundestag.
118 Abgeordnete stellen die Grünen im neuen Bundestag, davon 69 Frauen. Macht 58,5 Prozent Frauenanteil. Platz Eins im Vergleich mit den anderen Fraktionen. Mit 86 Frauen und einem Frauenanteil von 41,8 Prozent liegt die SPD, stärkste Kraft bei der Bundestagwahl, immerhin auf einem guten dritten Platz. Nur wo bleibt die Union? Lässt man Stefan Seidler als einzigen Abgeordneten der Partei SSW außer Acht, so landet die Union mit 23,5 Prozent Frauenanteil gerade mal auf dem vorletzten Platz. Wer den letzten Platz belegt, kann sich vermutlich jede*r denken. Sogar die FDP hat einen höheren Anteil an Frauen im Bundestag (wenn auch nur um 0,4 Prozent) – eine Partei, die gefühlt nur aus Christian Lindner besteht. Gut, da gäbe es Marie-Agnes Strack-Zimmermann, diejenige FDP-Bundestagsabgeordnete, die erst kürzlich bei »Maischberger« im TV zusammen mit ihrer Kiff-Freundin Claudia Roth von den Grünen frohlockend die Cannabis-Legalisierung forderte, anstatt über wichtigere politische Themen zu diskutieren (Klar ist auch für viele das Cannabis-Thema überaus wichtig, dennoch: Es gibt momentan dringendere Themen zu besprechen). Fällt sonst noch einem*einer eine andere FDP-Politikerin ein? Nein? Mir auch nicht. Und die Union? War das nicht die Partei, die die letzten sechzehn Jahre unser Land regiert hat? War das nicht die Partei, die maßgeblich durch Angela Merkel repräsentiert wurde – einer Frau, die in ganz Europa geliebt wird? So ist es. Nur hat diese Partei eben auch ein Problem: den zweitkleinsten Frauenanteil im Bundestag, einen Mangel an weiblichen Politikerinnen also. Die Unions-Abgeordneten im Parlament spiegeln die Gesellschaft absolut nicht wieder. Der aktuelle Anteil der Frauen an der deutschen Bevölkerung liegt bei ca. 51 Prozent. Davon können CDU-Frauen nur träumen. Warum also sollte so eine Partei regieren? Zumal sie derzeit auch noch inhaltslos und eventuell bald auch führungslos unterwegs ist.
Es muss ja der Frauenanteil im Bundestag nicht gleich über fünfzig Prozent liegen, aber zumindest einmal in die Nähe der Fünfzig-Prozent-Marke zu kommen, könnte man doch von einer Partei erwarten, die Ewigkeiten unser Land regiert hat und somit für die ersten Jahrzehnte Deutschlands im 21. Jahrhundert steht. Die Union erwartet das scheinbar nicht. Vergleicht man sie mit der SPD, so zeigt sich, dass die älteste Partei Deutschlands im Laufe der Zeit durchaus mehr gelernt hat als die »Volkspartei« Union. In Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern stellen die Sozialdemokrat*innen jeweils eine Ministerpräsidentin, in Berlin bald die erste regierende Bürgermeisterin. Die Anzahl der Ministerinnen in den von der CDU/CSU-regierten Ländern liegt bei ganzen null Personen. Nicht eine einzige Frau an der Spitze. Unfassbar!
Stattdessen sieht man in der Union aktuell nur einen Hühnerhaufen – oder besser gesagt einen Hahnenhaufen zusammengewürfelt aus von Testosteron und Machtgier gesteuerten Vögel. An vorderster Front: Zwei Alpha-Pfauen. Der eine ein süßes kleines Vögelchen aus Aachen, mit der gesamten Macht des Stalls beauftragt, ein Vögelchen also, in dem man eigentlich vielmehr einen Hobbit sieht als eine wirkliche Autoritätsperson. Der andere sein Bruder, ein großes Tier mit hervorgehobener Brust, einem blau-weißen Federkleid und einem großen Schnabel, mit dem es dem kleinen Vogel immer mal wieder auf den Kopf pickt. Und pickt. Und pickt. Noch dazu will der große Pfau das größte Rad von allen schlagen, um jedem einzelnen zu signalisieren »Hey, ich bin hier der Größte, ich bin hier der Chef!«, obwohl er gar nicht der Chef ist. In diesem Zusammenhang lässt sich ein Vergleich zum Roman »Der Pfau« von Isabel Bogdan anführen. Dieser handelt von einem Pfau, der verrückt geworden ist und alles angreift, was blau erscheint. Ob einer der beiden Pfauen in der Union auch verrückt geworden ist? Oder womöglich beide? Haben doch beispielsweise beide kurz vor der Bundestagswahl zwar nicht alles angegriffen, was blau ist, jedoch alles, was auf einen möglichen Linksrutsch hindeutete.
Dieser ständige Machtkampf zwischen zwei Alpha-Männchen jedenfalls schadet dem Ansehen der Union. Es schadet aber auch den Frauen. Denn anstatt einer Frau die Chance zu gewähren, in höhere Positionen aufzusteigen, muss jede*r den erbitterten Machtkampf der Streithähne mit ansehen. Dieser Machtkampf wird – wie es scheint – bald wieder stärker ausbrechen, wieder einmal um die Königsposition der Union. Wer an vorderster Front mitkämpfen wird? Sicherlich wieder einmal Friedrich Merz. Der Mann, der für Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau steht wie Alexander Lukaschenko für Pressefreiheit oder Michael Wendler für die Corona-Impfung. Er würde am liebsten sofort den DeLorean aus dem Film »Zurück in die Zukunft« anwerfen und uns alle in die 70er zurückkatapultieren, einem Jahrzehnt, in dem er nicht nur mehr Haare auf dem Kopf hätte, sondern auch mehr Befürworter seiner Meinungen. Zum Glück ist der Großteil der Bevölkerung heutzutage der Meinung, Vergewaltigung in der Ehe gehöre durchaus bestraft. Zum Glück ist der Großteil der Bevölkerung heutzutage für eine Aufhebung des Verbots für Frauenärzte, öffentlich darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Für einen Friedrich Merz sind solche Dinge damals wie heute undenkbar. Sollte er jemals den CDU-Vorsitz ergattern und dann auch noch eine Regierung unter ihm als Kanzler stellen, kann ich jeder weiblichen Person nur wärmstens empfehlen, auszuwandern. Denn mit Friedrich Merz ist die Frauenwelt verloren. Schlimmer noch: Das 21. Jahrhundert ist verloren.
Das Frauenbild der Union im Jahr 2021 ist grotesk daneben. Sei es der Anteil der Frauen im Bundestag, sei es der Kampf zwischen Alpha-Männchen, der keine Einmischung von Frauen zulässt oder sei es eine hochrangige Person der Partei, die in ihren Ansichten immer noch in der Vergangenheit feststeckt. Klar ist, die Union ist in dieser Form keinesfalls regierungsfähig, auch nicht regierungswürdig. Denn eine Regierungspartei des Jahres 2021 muss neben wichtigen Themen wie Klimaschutz und Außenpolitik endlich auch auf soziale Gerechtigkeit setzen und die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau fördern. Ohne ein richtiges Frauenbild in der eigenen Partei kann dies jedoch nicht gelingen. Deshalb wird es höchste Zeit, dass die Sitze in der Opposition für die Union aufgewärmt werden.
Beitragsbild: © Martino Pietropoli | Unsplash