Lautstark: Herbst ist GRUNGE
Bisher zeigt sich uns der Herbst dieses Jahr noch von seiner schönsten Seite. Die Blätter verfärben sich nach und nach von sattem Grün zu Orange-Rot bis Gold und seit dem Sturm vor einigen Tagen liegt ein Großteil des Laubkleides als braune Matschpampe auf dem Boden der Straßen. Vom allseits berühmten Regensburger Nebel ist bisher, außer zum Leid der aus dem Bett gequälten Studierenden, die zu ungewohnt wieder stattfindenden Präsenzveranstaltungen eilen (schlurfend über die Blätter schlitternd, besser gesagt), nur morgens ganz leicht etwas zu sehen. Und wer sich jetzt die Frage stellt: Okay, warte, bin ich hier nicht in der Musikkolumne? Und worüber redet sie da bitte? Diejenige Person kann ich jetzt getrost zu meinem Thema überleiten: Für mich ist der Herbst ein Symbolbild des Grunge! Und vor allem der nicht immer (mental) einfache Herbst, beziehungsweise Winter, in Regensburg.
von Sonja Hämmerle
Alteingesessene Hasen werden schon spätestens seit Anfang September angefangen haben, ihre Vitamin D3 Vorräte aufzustocken und im Kalender (wenn denn der liebe Corona Gott uns gnädig ist) in regelmäßigen Abständen »Mood – rettende« Veranstaltungen mit Leuchtmarker fett anzustreichen. Und was das jetzt mit Grunge zu tun hat? Nun, zunächst ist erstmal gesagt, dass »der Grunge« keine wirkliche Musikrichtung ist, sondern eine Subkultur, die im Zusammenhang mit dem Genre der Rockmusik entstanden ist. Der Ursprung liegt vor allem in der US-amerikanischen Undergroundbewegung und wird oft als »Seattle-Sound« bezeichnet. Das Ganze klingt dann nach einer Mischung aus Punkrock, Underground-Garagenrock und Hardrock. Beeinflusst hat diese Klangcharakteristik vor allem der »dreckige« Gitarrensound des Hardrock der 70er-Jahre (z.B. Black Sabbath) und die Ästhetik des Punkrock.
Eine nette Mischung würde ich sagen, oder? Ohne hier jetzt weiter Zeilen lang den Wikipedia Artikel runterzuleiern (Dr. Wikipedia Allwissend ist doch für den Anfang immer ganz hilfreich – Genaueres wusste ich vorher darüber auch nicht), zurück zu dem »grungigen« Herbst in Regensburg. Genau wie der Grunge Sound etwas, ja, Hässliches und Dreckiges an sich hat, so hat es auch der Herbst. Neben Instagram-reifen, romantisierenden Fotos mit von der Sonne angeleuchteten Laubbäumen und hübschen Kürbissen und Menschen, die mehr in Schal, Jacke und Maske verschwinden, gibt es auch diese Tage, an denen alles grau in grau ist. Die letzten Sommergefühle verschwinden in Unmut und Anspannung vor dem neuen Semester, der rollenden Coronawelle (Nummer ich weiß nicht mehr wievielte) und dem miesen nass-kalten Wetter. Sowie der Grunge-Sound sich dem glatten Mainstream Rocks entgegenstellte, stellt und bricht sich der Herbst dem Sommer gegenüber. In dem Weltschmerz und den Tiefen der Musik kann man sich gut verlieren, fühlt sich durch Text und Klang verstanden. Und gleichzeitig macht der harte und pop-punkige Sound Bock, sich Mal alles von der Seele zu tanzen.
Wer jetzt trotzdem mit Grunge und Garagenrock wenig anfangen kann, dem* sind sicherlich dann Nirvana und vielleicht auch Soundgarden ein Begriff, die beide die Szene stark geprägt haben und auch klischeehafterweise, neben The Smashing Pumpkins, Alice in Chains und Pearl Jam, zwei meiner liebsten »Grunge-Bands« sind. Bei gewecktem Interesse und Neugierde kann ich die zwei Playlisten auf Spotify ans Herz legen um so richtig in »noisy – grunge« Herbststimmung zu kommen:
Grunge Forever (mit einigen Vorläufer-/Einfluss-Songs) :
https://open.spotify.com/playlist/37i9dQZF1DX11ghcIxjcjE?si=436decb824c045c1
Garage Rock Revival: (weniger „richtiger“ Grunge und mehr Richtung Post-Punk und New Wave, aber meiner Meinung nach trotzdem gut in die Sparte passend) https://open.spotify.com/playlist/37i9dQZF1DXbMYUPb05hjJ?si=9cddc6365c7d4d3c
Aber man muss nur »Grunge« in die Suchleiste auf Spotify eingeben und bekommt hunderte an Playlist-Vorschlägen in der Themenrichtung. Das Tolle an Grunge ist ja die große Bandbreite an unterschiedlichsten »schmutzigen« Richtungen und egal, ob man jetzt die Meinung »Grunge is dead« vertritt oder dass er endlich sterben sollte (interessanter Artikel hierzu von der Alternative Nation http://www.alternativenation.net/time-grunge-die/ von 2018): Die Songs bleiben und die Spannungen in den Meinungen darüber machen die Musik noch interessanter.
Wie den Herbst!
Abschließend hierzu ein Zitat aus dem Rolling Stone:
So snuggle into your best thrift-store sweater, lace up your Doc Martens and let your hair hit your shoulders, so you can properly enjoy the 50 Greatest Grunge Albums.
https://www.rollingstone.com/music/music-lists/50-greatest-grunge-albums-798851/mother-love-bone-apple-1990-798865/
Um die Schattenseiten des Grunge Rocks nicht unerwähnt zu lassen: Viele Musiker*innen aus der Szene starben an Drogen oder haben sich das Leben genommen, wie auch Kurt Cobain von Nirvana und Chris Cornell von Soundgarden. Musik spiegelt eben oft die Tiefe der Seele wider, beziehungsweise ist ein Ventil, was durchaus auch sehr schön, hilfreich und spannend sein kann. Mir ist es ein Anliegen, bei aller Liebe zur Grunge-»Depri« Musik und dem Herbst zum Schluss noch darauf aufmerksam zu machen, dass der September (auch als Suicide Prevention Month bekannt) zwar schon vorbei ist, aber die graue Jahreszeit erst jetzt so richtig anfängt und gerade im November/Dezember ist die Rate der Suizide leider sehr hoch. Passt auf euch und eure Mitmenschen auf und seid in den kommenden Monaten (noch) achtsamer auf euch selbst und auf euer Umfeld (Die Seelsorge Hotline für Bayern: 0800 1110111 und die Beratungsstelle Horizont in Regensburg: 0941 / 58181).
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