Wohnsinn-Kolumne: Netflix vs. Sport
Aus dem Lockdown ins Freie zu treten, ist wie nach einem langen Winterschlaf geweckt zu werden. Einige Kilos mehr auf den Hüften haben in den eigenen vier Wänden nicht gestört, wenn sowieso nur die Jogginghose getragen wird. Doch jetzt beginnt die Uni und keine meiner Jeans passt mehr.
von Linnea Janke
Eins meiner zeitintensivsten Freizeitbeschäftigungen während der Lockdown Zeit, und damit meine ich den Zeitraum von Anfang 2020 bis jetzt, war und ist Netflix. Eineinhalb Jahre eine tägliche Routine, die nicht über die Wohnungsgrenze hinausgeht, mit einem Fußweg vom Bett zum Sofa und zurück (manchmal auch zur Toilette). Und obwohl das mehr Quadratmeter als eine deutsche Gefängniszelle abdeckt, bin ich ziemlich sicher, dass ein Insasse auf eine höhere tägliche Schrittzahl kommt.
Ein zu Hause ist ein Safe Space und ich bin gern erst zur Brunch Zeit aufgestanden, um im Schlafanzug Mittag zu essen während ich mich mit einer weiteren Decke auf das Sofa eingekuschelt habe und mir von Netflix eine Serie habe vorschlagen lassen, die mir gefallen könnte. Als introvertierte Person war das ein wahrgewordener Traum: mit niemandem interagieren zu müssen als mit der Fernbedienung.
Wie jeder Traum, hat natürlich auch dieser irgendwann ein Ende und das »irgendwann« bezieht sich auf nächste Woche Montag, wenn die Uni wieder beginnt. Diesmal in Präsenz. Mental habe ich mich bereits vorbereitet, wieder unter so viele Menschen zu treten. Aber körperlich … Nun ja, sagen wir, meine Lockdown Routine hat Spuren hinterlassen: in Form von vielen Kilos, die jetzt dafür sorgen, dass ich in keine meiner Jeanshosen passe. Was für Präsenz eher ungünstig ist.
Vor der Lockdown Zeit war ich sehr sportlich, vor der Unizeit noch viel mehr. Körperliche Betätigung hat für mich dazugehört wie heutzutage Netflix. Die Zeit, die ich heute täglich vor dem Fernseher verbringe, war ich früher im Fitnessstudio oder im Verein. Jetzt ist Sport für mich ein Hobby wie aus einem anderen Leben. Mittlerweile schnaufe ich schon, wenn ich den Wäschekorb in den Wäschekeller bringen muss. Dennoch führt kein Weg mehr drumherum, wenn ich wieder in meine Lieblingshose passen möchte. Wer sich hier in einer ähnlichen Situation sieht, lasst mich euch sagen, was ich die letzte Woche gemacht habe: Netflix geschaut. Natürlich.
Diesmal jedoch habe ich mir selbst eine Aufgabe gesetzt, eine Aufgabe, die besagt, dass wenn ich eine Folge gucken möchte, ich mich dafür nicht aufs Sofa setzen darf. Hier also eine Challenge für alle, denen es ähnlich geht, wie mir: Wenn ihr das nächste Mal Netflix schaut, bewegt euch. Die gesamte Folge lang. Es müssen keine schweren Übungen sein. Ein paar Situps hier, ein paar Hampelmänner dort. Und wenn ihr nur zur Hintergrundmusik tanzt, die zwischendurch zu hören ist. Völlig egal. Die einzige Regel lautet: Setze dich nicht aufs Sofa (weil du dann mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufstehst). Und das eine ganze Folge lang. Denn jede Bewegung ist besser als keine – erst recht nach einem langen Winterschlaf.
Ich hab’s die letzten Tage erfolgreich umgesetzt und kann euch sagen, Muskelkater ist ein Gefühl, von dem ich niemals dachte, dass ich es tatsächlich vermisst habe.
Die nächste Wohnsinn-Kolumne gibt es dann in einer Woche von Anna-Lena.
Beitragsbild: Mollie Sivaram | Unsplash