Wohnsinn-Kolumne: Drei Generationen unter einem Dach
Mitte August, die Ferien sind in vollem Gange. Jährliche Verabredungen am Strand, in den Bergen … und im Haus der Oma. Sobald sie aus der Tür treten, beginnen Mutter, Tochter und Großmutter ein Zusammenleben, das ebenso liebevoll wie streitlustig ist. Zum Glück hat das Lachen die Oberhand und fliegt durch den Schornstein des Drei-Generationen-Hauses.
von Justine Vonpierre
Jedes Jahr verwandelt sich das Haus der Großmutter eine Woche lang in einen Ameisenhaufen. Es wird hin- und hergelaufen; es ist rührend, aber es wird gestritten; es wird sich schiefgelacht; es wird gezankt, aber es wird sich geliebt. Drei disparate Lebensrhythmen treffen aufeinander, konfrontieren sich gegenseitig und versuchen, so gut es geht, miteinander zu harmonieren. Die Großmutter, von den Schmerzen des Alters gezeichnet, bewegt sich ruhig, ohne die Regeln des Aufräumens zu verletzen. Sie ist ein wenig stur, aber die Jahre haben ihren starken Charakter nur verfeinert. Sie weiß, wie sie sich gegen die beiden anderen durchsetzen kann. Die Mutter ist, wie in ihrem Klassenzimmer, direktiv und aufopferungsvoll. Sie beaufsichtigt alles und jongliert zwischen den Launen der einen und den Wünschen der anderen. Sie hat keine Zeit, müde zu sein. Die letzte, die den Familiennamen trägt, steht träge auf, nachdem der Zeiger das Zifferblatt umrundet hat, stolziert umher, hinterlässt ein charmantes kleines Chaos und sehnt sich schon nach der Zeit, die ihr noch bleibt, um sich mit einem Buch in der Sonne zu aalen.
In diesem kleinen Haus an der Atlantikküste liebt die junge Städterin die Meeresbrise; sie öffnet die Fenster bei Wind und Wetter und lässt sich von den wandernden Strahlen verzaubern, die den geringsten Flecken den Schatten stehlen. Doch plötzlich … »KLACK« schlagen die Türen eine nach der anderen zu, gefolgt von Omas unvergesslich Rufen »ES ZIEHT!!!«. Also schleicht sich die Schuldige aus dem Fenster mit zappelnden Zehen auf dem frischen Rasen, den Oma ganz sicher alle drei Tage mäht. Es folgt der Refrain »Arggghh LAUF NICHT BACHFUSS!!!«
Vor dem Herd versucht Mama, das Essen zuzubereiten, bevor Oma zurückkommt und ihr verbietet, etwas anzurühren. Abgesehen von den leckeren gebratenen Muscheln passen Oma und Kochen nicht gut zusammen. Um die unvermeidlichen Wasserbrühen und Olivenkuchen hinauszuzögern, übernimmt die Mutter die Verantwortung. Nur sehen die wenigen Gewürze, die sich in den Tiefen der Schränke befinden, altersschwach aus und haben ihr Lebensende 1999 erreicht … So viel kocht sie …. Und wir erinnern uns noch an ihre letzte Lauch-Quiche, in der sie Hähnchenstücke versteckt hatte, um ihre vegetarische Enkelin zum Verzehr von Fleisch zu bewegen. Aber nicht nur das Hühnchen blieb nicht unbemerkt, sondern sie brachen sich fast einen Zahn an einem Olivenkern … in einer Quiche ohne Oliven … Das Ende der Geschichte ist, dass die Großmutter an den Oliven knabberte, während sie das Gericht zubereitete.
Zum Nachtisch hatten wir gelegentlich gefrorene Snickers im Gefrierschrank. Die Großmutter ließ sich sofort dazu hinreißen, sich zu beschweren: »S’niquer, s’niquer (was auf Französisch ficken bedeutet), das ist alles, woran die jungen Leute denken.«
Nach dem Essen steht der Kaffee im Wohnzimmer parat, um sich einer Partie Scrabble anzuschließen. Auch wenn es so aussieht, verbringt Oma ihren Tag nicht damit, Kreuzworträtsel zu lösen. Nein, sie ist eine moderne Oma mit einem Computer, mit dem sie sogar – um sie zu zitieren – »in Goggel hereinkommen« kann. Das Lustige daran ist, dass der Computer nach der Benutzung sofort ausgeschaltet, verschlossen und in seiner Schonauflage und in seinem Originalkarton aufbewahrt wird. Dann ist sie auch noch überrascht, wenn sie ihren Computer irgendwo im – von zehn Bewohner*innen besiedelten – Dorf mitnimmt und kein WLAN mehr hat.
Aber Spotify, Deezer, Bose … all das sollte man* vergessen, denn es ist das jahrhundertealte Radio, das den Stimmton angibt und uns alle zum Tanzen bringt, während wir spülen.
Aber natürlich ist es auch angenehm, sich abends auf Omas Couch zu legen und diese Woche zu genießen, dieses Haus, das uns alle wie eine Klammer im Jahr willkommen heißt. Man* muss nur daran denken, ein paar Bücher mitzunehmen, wenn man* nicht hilflos vor den Magazinen aus dem letzten Jahrhundert stehen will, die den kleinen Wohnzimmertisch bedecken.
Wenn ich an meine Oma denke, denke ich an den Sommer, an das Meer, aber vor allem an ihr Haus. Ich denke an den Kiesweg des Gartens, auf dem sie zu Stunden, in denen ich noch schlafe, Walnussstücke für die Rotkehlchen auslegt und noch Futter für die Katzen des Nachbarn. Ich denke an ihren Garten, in dem sich jedes Jahr zwei arme Erdbeeren ein Duell liefern, in dem aber auch der Lavendel prächtig blüht, dessen Samen man* für Kissen ernten wird. Ich denke an die Sandkörner, die wir mit unseren kleinen Füßen vom Strand auf dem Fliesenboden des Einganges mitbringen. Dieselben Sandkörner, die Oma zum Quietschen bringen, wenn sie noch auf dem Boden der Badewanne verstreut liegen. Ich denke an den Warmwassertank, der sich zu schnell leert, wenn wir mehr als drei Personen unter diesem Dach sind. Es ist besser, nicht der Letzte zu sein. Ich denke an die großen Spinnen in den Winkeln und Ritzen, die Mama fängt und wieder freilässt, bevor sie unter Omas Besen zerquetscht werden. Ich denke an die Schnecken, die sich an der Feuchtigkeit ergötzen und sich an den Wänden verteilen, sobald die Nacht hereinbricht.
Und bei all dem Tohuwabohu gibt es noch einen der stillsten und gemütlichsten Zeugen: das Haus. Doch wenn ich über das Haus und all das scharf nachdenke, muss ich lächeln und an Oma denken.
Verena berichtet euch dann nächste Woche von ihrem Wohnsinn. Freut euch drauf!