Wohnsinn-Kolumne: Ode an ein Zimmer, Küche, Bad
Diesen Artikel möchte ich gerne meiner Einzimmerwohnung widmen. Einfach, weil sie das verdient hat. Außerdem erkunde ich Themen wie Einsamkeit, Putzpläne und wer meine Pflanzen gießt, wenn ich weg bin.
von Laura Kappes
Ach, meine liebe Einzimmerwohnung, ich habe sie doch oft kritisiert und die fehlenden Mitbewohner*innen vermisst. Oder habe mich sogar ein bisschen geschämt, nicht in einer hippen Altbau-WG mit geteiltem Kühlschrank und täglichen Chiller-Abenden zu wohnen. »Die Spießerin wohnt in einer Einzimmerwohnung, weil sie mit Anderen nicht klarkommt«, war eines meiner eigenen Vorurteile. Einige Male habe ich mich dabei ertappt, wie ich mich rechtfertigte, warum ich »nur« in einer Einzimmerwohnung lebe. Doch alles hat seine Vor- und Nachteile. Ein paar davon möchte ich hier gerne aufzählen und mich selbst daran erinnern.
Die wohl wichtigste Erfahrung, die in meinen eigenen vier Wänden machen durfte, war es, wirklich alleine zu sein. Ich habe mich selber auf neuen Ebenen kennen und meine eigenen Bedürfnisse achten gelernt. Es ist normal, dass wir Menschen uns von Zeit zu Zeit einsam fühlen. Eventuell kommt das Gefühl in einer Einzimmerwohnung schneller als in einer WG. Doch ist es nicht wertvoll, dieses Gefühl mal komplett zu durchleben, ohne direkt ins Wohnzimmer zu gehen und mit jemandem zu quatschen? Ich finde schon. Immerhin sind wir oft alleine. Um es mit den Worten von Orson Welles zu sagen: »Wir kommen allein auf die Welt, wir leben allein, wir sterben allein. Nur Liebe und Freundschaft können uns für einen Augenblick die Illusion verschaffen, nicht allein zu sein.« Was wäre, wenn es im Endeffekt gar nicht so schlimm ist, sich mal zu langweilen oder ein Problem mit sich selber auszumachen?
Auch bei vielen »erwachsenen« Aufgaben, wie sich einen Stromvertrag suchen oder den Kühlschrank reparieren, bin ich auf mich gestellt. Klar stehen meine Eltern und Freund*innen mir zur Seite. Aber es ist doch etwas anderes die Verantwortung selber zu tragen, als sie auf mehrere Schultern aufzuteilen, wie es in einer WG typischerweise der Fall ist. Es gibt viele kleine Dinge, die ich selber regeln musste und so gelernt habe, mit ihnen umzugehen.
Außerdem kann ich in meinem eigenen »20 Quadratmeter Reich« nach meinen eigenen Regeln und vor allem nach meinem eigenen Putzplan leben. Ich putze, wann ich will und wo ich will. Ja, man* könnte es auch als Abwesenheit eines Putzplanes bezeichnen, was mir sehr recht ist. Nicht, dass ich gerne im Dreck lebe. Doch »müssen» oder »nicht müssen«, sind eben zwei sehr unterschiedliche Dinge. Da sind mir weniger Vorschriften lieber.
Ein weiterer Punkt, der ein bisschen zu dem vorherigen dazu gehört, ist es, keine Rücksicht nehmen zu müssen. Ich kann komplett nackt vom Bett über die Küche ins Bad laufen und keine/n interessiert’s. Ich kann spät abends laut Musik hören. Ich kann von einer Partynacht zurückkommen und mir noch etwas kochen. Ich kann so lange morgens im Bad sein wie ich möchte. Ich kann mein Essen auf dem Herd stehen lassen, wenn ich will. Können Menschen das alles in einer WG auch? – Gut, ich geb’s zu, in einigen WGs ist das bestimmt alles möglich … Aber die muss man* erstmal finden.
Natürlich gibt es ebenfalls Nachteile beim alleine Wohnen. Keiner gießt meine Pflanzen, wenn ich nicht da bin. Es gibt keine spontanen Gespräche am Küchentisch, kein geteiltes Wohnzimmer und auch sonst keine anderen Räume, in denen ich mich aufhalten kann. Aber halt, hier kommt meine Lieblings-Nachbarin und inzwischen sehr gute Freundin ins Spiel, die zufällig genau neben mir eingezogen ist. Sie hat bis jetzt immer in den Ferien meine grünen Freunde mit Wasser versorgt, trifft sich spontan mit mir auf dem Balkon zu einem Kaffee oder einer Zigarette und ich kann sie in ihrer Wohnung besuchen. Hmmm … Die Nachteile zählen irgendwie nicht so richtig oder ich müsste länger nachdenken.
Und selbst wenn ich doch mal ausziehe und den sozialen Kontakt vorziehe: Ich werde dich vermissen meine kleine Einzimmerwohnung und an all die Lektionen denken, die ich in deinen vier Wänden erfahren durfte.
Nächste Woche geht es weiter mit einem Einblick in das Leben von Linnea.
Beitragsbild: Patrick Perkins | Unsplash