SUMMERTIME! Ein sommerlicher Tanzabend auf der Freilichtbühne im Ostpark
Als die letzten Klänge von »Summertime«, interpretiert von Ella Fitzgerald und Louis Armstrong erklingen und die letzten tanzenden Arme zur Ruhe kommen, fühle ich mich leichter. Ich habe das Gefühl, die vergangene Stunde hat mir etwas geschenkt, das mir in den Monaten zuvor verloren schien: die zärtliche Leichtigkeit des Sommers. Um mich herum beginnt das Publikum den lauen Abend mit Applaus zu füllen, über uns zieht sich der Himmel zusammen. Der Sommer kündigt sich an, ein wenig von kleinen Stechmücken zerstochen, applaudieren wir den Tänzer:innen des heutigen Abends. Was für ein Auftakt!
von Paula Boden
Am 26. Juni 2021 um 20.30 Uhr beginnt auf der Freilichtbühne im Ostpark ein sommerlicher Tanzabend »Summertime!«. Die Premiere und Uraufführung, choreographiert von Georg Reischl und Alessio Burani. Es tanzen fünf Tänzerinnen: Laureen Olivia Drexler, Elisabet Morera Nadal, Louisa Poletti, Rei Okunishi und Giorgia Sciscolia. Die vier Tänzer, Filippo Buonamassa, Bartlomiej Kowalczyk, Lucas Roque Machado und Tommaso Quartani ergeben ein gelungenes Gegengewicht. Nach Monaten des tänzerischen Ausharrens geben die neun Tänzer:innen in ihrer Leichtigkeit und ihrem Anmut so ziemlich alles.
Das Bühnenbild im Hintergrund wirkt fast eisig und trotzdem ertönt ein leises Vogelgezwitscher aus den Lautsprechern. Gespannt blicke ich in Richtung Bühne, als die ersten Tänzer:innen ästhetisch lässig in hochgezogenen grauen Socken, pastellfarbenen Sportoutfits – gelungen ausgesucht von Michael Lindner – langsam über die Tribüne schlendern. Sie blicken einander an, genießen ihren Weg mit Vorsicht. Neugierig beobachten sie einander. Dann ertönen die ersten musikalischen Klänge und der Tanz beginnt – modernes Ballett gemischt mit Elementen von Jazzdance. Spielerisch in individuellen Choreographien tanzen die Tänzer:innen umeinander herum. Fast wirkt das Spektakel wie ein Balztanz. Sie schleichen und wandern lauernd aneinander vorbei. Würde ja auch passen, schließlich ist die musikalische Unterlegung des Abends »Vivaldi – The Four Seasons«, recomposed by Max Richter und George Gershwin.
Die Hände der Tanzenden verschwinden zu Anfang viel in den Hosentaschen, eine Rückzugsmöglichkeit? Mit einem leichten Lächeln blicken die Tänzer:innen in die Ferne. Sehnsüchtig, sie berühren einander kaum. Langsam ergibt sich dem Publikum ein Bild. Es tanzen jeweils vier Tanzpaare und eine Solistin. Jedes Duo hat einen eigenen Stil: Während die einen leichtfüßig und zart miteinander ihre Bewegungen finden, tanzen die anderen suchender und mischen unruhige Choreoelemente in ihre Performance. Ich schaue mit großen Augen zu und spüre viel, alles zeitgleich. Die Tänzer:innen scheinen so intensiv bei sich zu sein, dass ihnen die Kraft und Wirkung ihrer Szenerie leichtfüßig gelingt.
Dann der erste Umschwung. Die Tanzenden strömen von beiden Bühnenseiten in Paarreihen an den Anfang der Bühne und ein lautes Rufen strömt im Takt aus ihren Kehlen: Der Herbst beginnt, die Wölfe erwachen. Jetzt wird der Tanz nervös. Es wirkt, als wüssten die Tänzer:innen nicht mehr, wie sie sich berühren sollten. Vielleicht ein hint zu unserer nun schon so lang gelebten Distanz? Schön und stark tanzt jede:r auf der Bühne für sich. Die Choreoelemente scheinen improvisiert, der getanzte Stil ist angepasst und an die individuellen Bewegungsformen angeglichen – ein harmonisches Bild.
Die Solistin, Laureen Olivia Drexler, tanzt neugierig. Fast scheint es, als würde sie durch ausufernde Armbewegungen nach dem sommerlichen Leben pflücken. Ihr Tanzstil strahlt nur so von Lebendigkeit. Dann kommen die vier Tänzer auf die Bühne. Ihr Rhythmus, ihre Kraft und Spannung geben uns Zuschauenden eine enorme Energie. Kurz habe ich Gänsehaut. Der Tanz wird wieder langsamer, weniger energetisch. Mir kommt die Assoziation des Sommerregens in den Sinn, eigentlich aber wird es winterlich in der tänzerischen Performance. Es gewittert, die Bewegungen werden zackig und asymmetrisch. Das macht es lebendig; ihrer Körperlichkeit zuzusehen beruhigt.
Die körperliche Selbstsicherheit, mit der die Tänzer:innen im Miteinander und doch allein über die Bühne wandeln, beeindruckt mich. »Die vier Jahreszeiten« von Antonio Vivaldi klingen in mir nach, die verlockenden Bewegungen und körperliche Ausdrucksweise hat im Publikum so einiges hinterlassen: große Lust, Neugier und verführerische Vorfreude auf den Sommer. Wir hätten den Tänzer:innen noch ewig in ihrer einsamen Einigkeit zuschauen können. Das, was uns Applaudierenden nun bleibt, ist wahrhaftig endlich wieder Summertime!
Karten für die kommenden Spieltermine gibt es auf der Seite des Theaters Regensburg.
Beitragsbild: Tommaso Quartani und Louisa Poletti in »Summertime!« ©Christina Iberl