Feminis:muss: »Wenn mich jemand hasst, dann meistens, weil ich eine Frau bin.«
Diesen Satz sagte Teresa Reichel bei einem Interview für die kommende Lautschrift Ausgabe. Und dieser Satz machte mir klar, dass ich auch in der Feminis:muss Kolumne dieses Thema beleuchten möchte. Mit einem besonderen Fokus, wie es ist als weiblich gelesene Person in den Sozialen Medien präsent zu sein und sich für gesellschaftlich kontroverse Themen stark zu machen. Dazu fand ich in Veronika Rieger eine sehr spannende Interviewpartnerin. Sie ist Künstlerin, »Pfarrerin in the making«, Autorin und Queer-feministin. Ihre Pronomen sind she/they und sie hat sich bereit erklärt, mit mir über das Thema »Hass im Netz« zu sprechen, den sie schon in verschiedensten Ausprägungen erlebte. Ein Interview.
– Lea Wöhl
Hast du schon einmal Hass im Netz erlebt? Wenn ja, In welcher Form?
V.: Hass im Netz erlebe ich in verschiedenen Rollen: als Beobachterin, als Betroffene, wenn ich queer-feministisch oder generell politisch unterwegs bin. Bis jetzt habe ich drei Shitstorms erlebt bei denen auch Morddrohungen und Vergewaltigungsdrohungen dabei waren. Der Hass kommt dabei auch aus verschiedenen Richtungen, beispielsweise von rechter Seite oder von fundamentalistischen Christ*innen, was eine andere Ebene des Hasses darstellt.
Was meinst du mit »andere Ebene« des Hasses?
V.: Der Hass, den ich von fundamentalistischen Christ*innen erlebe – die mir dann beispielsweise schreiben, dass ich »keine richtige Christin« sei oder dergleichen … das verletzt natürlich auf einer viel tieferen Ebene.
Hat der Hass im Netz zugenommen und hast du Veränderungen beobachtet?
V.: Das ist schwierig zu sagen und so richtig beurteilen kann ich das natürlich nicht. Was ich bemerkt habe ist, dass die Stimmung unter bestimmten Posts aufgeladener ist, als beispielsweise vor zehn Jahren noch, als ich mich auf Facebook anmeldete. Zugleich war ich damals aber auch noch nicht so sensibilisiert für das Thema und habe Kommentare und Hass eventuell anders wahrgenommen. Heute habe ich beispielsweise meine Zeitungsabos aussortiert und Zeitungen deabonniert, die in ihren Überschriften so stark polarisieren, um dem Algorithmus zu gefallen und so eine emotional aufgeladene Stimmung in den Kommentaren befeuern. Was ich auf jeden Fall beobachte ist, dass wenn man* selbst aktiv wird, wird man* auch stärker zur Zielschiebe.
Zu jeder Bewegung gibt es eigentlich auch immer eine Gegenbewegung, so auch zum Hass im Netz. Ich bin hier ist beispielsweise eine Gruppe – von der ich auch Teil bin – die sich gegen Hass im Netz einsetzt. Es tut gut, aktiv dem Hass etwas entgegenzusetzen und auch eine Art Präventions- oder Sensibilisierungsarbeit zu leisten. Ich bin hier, und eben auch ich geben beispielsweise Workshops, um Jugendliche fit gegen Hass im Netz zu machen, Strategien aufzuzeigen und zu sensibilisieren. Wichtig dabei ist, dass auf verschiedenen Ebenen gearbeitet wird mit dem Ziel, dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist. Ich habe die Hoffnung, dass dadurch das Problem in Zukunft kleiner werden wird.
Wie echt ist der Hass?
V.: Nur weil er digital ist, ist er nicht weniger real, denn es geht vielmehr darum, was der Hass im Netz auslöst: sowohl bei den Betroffenen als auch bei stillen Mitleser*innen und im ganzen Diskurs. Ich denke, klar ist, dass die mediale Welt auch beispielsweise großen Einfluss auf die politische Welt nimmt und somit der Hass im Netz unsere Realität beeinflusst. Die Frage ist viel eher, wie mächtig der Hass ist. Deswegen finde ich es absolut wichtig, den Hass im Netz genauso ernst zu nehmen, wie andere Formen des Hasses.
Ist Hass im Netz ein Thema, dass du im Freund*innen-/Kolleg*innen Kreis offen diskutieren kannst? Gibt es Tabus? Sind FLINTA* Personen besonders betroffen?
V.: Eine Studie der Amadeus Antonius Stiftung exemplifiziert ein deutliches Feindbild, das vor allem aus marginalisierten Gruppen, wie Flinta*, rassifizierte Personen oder andere diskriminierte Gruppen konstruiert wird.
Mit meinen Freund*innen und im Kolleg*innenkreis tauschen wir uns aus, sprechen offen darüber und unterstützen uns gegenseitig. Gerade bei Hass von fundamentalistischen Christ*innen ist der Austausch für mich sehr wichtig, denn dieser Hass nagt an dir. Auch hier gibt es organisierte Gruppen, wie beispielsweise den weisen Ring.
Mittlerweile spreche auch ich im Netz schonungslos darüber.
Wie sprichst du Im Netz darüber ohne dem Hass noch mehr Raum zu geben?
V.: Ich lösche den Hass -Kommentar und ersetzte ihn beispielsweise durch »Hier stand eine homophober, xenophober… Kommentar.«
Welche Möglichkeiten gibt es auf Hass im Netz zu reagieren? Wie hast du reagiert und was würdest du jetzt vielleicht anders machen?
V.: Beim ersten Shitstorm habe ich mir so viel Gedanken gemacht, was ich falsch gemacht habe. Ich war vielleicht mal zur falschen Zeit am falschen Ort … Mittlerweile habe ich viel gelernt. Eine wichtige Lektion, die ich mir und Anderen sage: »Such dir deine Kämpfe aus!« Das heißt, dass man* sensibel mit seinen eigenen Ressourcen umgehen sollte. Dass man* sich beispielsweise bei einer aufgeladenen Diskussion unter einem Post fragt: »Habe ich gerade die Ressourcen hier einzusteigen?« Wenn ich mich dafür entscheide, dann reagiere ich in Kommentarspalten, nicht weil ich überzeugen will, sondern weil es immer stille Mitleser*innen gibt und die sollen nicht das Gefühl bekommen, dass nur eine Meinung dominiert.
Sensibel mit seinen Ressourcen haushalten, heißt auch, dass ich nicht alles alleine tragen muss. Beim zweiten Shitstorm habe ich mein Profil in vertrauenswürdige Hände gelegt und bereinigen lassen (Kommentare gelöscht, Screenshots von Kommentaren gemacht, die man* zur Anzeige bringen kann …). Für mich steht eines außer Frage: Hass-Kommentare immer löschen! Es gibt keinen Grund, Hass-Kommentare stehen zu lassen. Bei Härte des Falles kann bei einer Anzeige weiterermittelt werden. Beispielsweise, wenn eine Person ihren Hass-Kommentar nicht korrigiert oder beleidigend wird, bringe ich einen Hass-Kommentar zur Anzeige. Auch wenn meine Anzeigen alle fallen gelassen wurden, da die Personen nicht unter Klarnamen im Internet unterwegs waren … dennoch würde ich immer wieder solche Kommentare anzeigen.
Was kann man* tun, wenn man* mitbekommt, dass jemand Opfer einer Hasskampagne wird?
V.: Der Person schreiben und die Person fragen, wie man* sie am besten unterstützen soll oder ob überhaupt Unterstützung erwünscht ist. Auf eine respektvolle Weise Unterstützung anbieten und nicht einfach für eine andere Personen sprechen.
Ausblick in die Zukunft: Was müsste sich ändern, damit es weniger Hass im Netz gibt? Was würdest du dir wünschen?
V.: Zuerst einmal möchte ich ein bisschen Mut machen. Ich habe das Gefühl, dass sich gerade viel tut und die Verantwortlichen der Plattformen beispielsweise per Gesetzgebung mehr in die Verantwortung genommen werden. Mehr Mut ist ein gutes Stichwort. Ich wünsche mir mehr Mut und mehr Respekt: Mehr Mut mit anderen Menschen in den Diskurs zu kommen! Es wird sich nichts ändern, wenn wir exkludieren. Dabei dem Hass keine Plattformen aber den Menschen Beteiligung am Diskurs bieten. Vielleicht müssen wir einen respektvollen Umgang neu einüben und dabei im Kleinen anfangen. Die Herausforderung ist nicht das Internet selbst, sondern der Weg hin zu einem respektvollen Diskurs.
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