Feminis:muss: Wir müssen uns selbst an die Nase fassen
Das letzte Ereignis, das im Zusammenhang mit dem Thema Feminismus hohe Wellen schlug, war das Debakel um die Pinky Gloves. Dass man* die Idee der beiden Gründer von Pinky Gloves auf‘s Schärfste kritisieren muss, ist unbestreitbar. Allerdings ist meiner Meinung nach einerseits der Umgang mit dem Thema und andererseits die Größe des Raum, der einem solchem Ereignis eingeräumt wird, fragwürdig.
von Julius Bachinger
Eine grundlegende strukturelle Veränderung von gesellschaftlichen Verhältnissen erreicht man* nicht durch einen Shitstorm. Die Veränderung wird erreicht durch das Aufdecken von Strukturen, deren Reproduktionsweisen und die Auflösung dieser Strukturen. Ein solcher Auflösungsprozess kann aber nur wirkungsvoll stattfinden, wenn eine gesellschaftliche Mehrheit darum bemüht ist oder – salopp gesagt – diese zum Common Sense wird. Hiermit kommt mein Problem mit dem oben angeführten Ereignis ins Spiel. Denn durch die Debatte um die Pinky Gloves wurde zwar die strukturelle Stigmatisierung der Monatsblutung ins Zentrum der tagesaktuellen Medien gerückt. Gesamtgesellschaftlich geändert hat sich dadurch allerdings kaum etwas. Durch den teils extremen Umgang entstand eine mitunter polarisierende Wirkung. Es erscheint einleuchtender, dass eine ausreichende Aufklärung über die Monatsblutung beispielsweise durch ein vermehrtes Thematisieren in Zeitungen, bessere schulische Aufklärung und Gespräche in Beziehungen erfolgen kann.
Ideen wie die Pinky Gloves müssen kritisiert werden. Aber wenn Personen, die beispielsweise selbst mit ihrem*ihrer Partner*in nicht über Menstruation sprechen, nicht selbst versuchen, die Strukturen aufzulösen … ist das feministisch?
Wenn das Ziel emanzipatorischer Bestrebungen die Befreiung jeder Person von Rollenbildern und diskriminierenden Strukturen ist, so erscheint es an erster Stelle am sinnvollsten, sich Problemen zu stellen, aus denen sich hypothetisch jede Person selbst befreien könnte und deren Mehrwert Menschen, die sich nicht als Feminist*innen bezeichnen, ebenso nachvollziehen können.
Als Beispiel, das die fundamentale Ausprägung der patriarchalen Struktur unserer Gesellschaft illustriert, kann die Kernfamilie angeführt werden. Hier scheint es möglich, die genannten heteronormativen Probleme konstruktiv zu erkennen und sie im Zuge dessen aufzulösen. Dabei möchte ich nicht die Hierarchie, deren Bedeutung für den Menschen einen wichtigen Wert und für die Erziehung eine Unabdingbarkeit darstellt, angreifen, sondern die Rollenbilder von Eltern bzw. Erziehungsberechtigten und Kindern. Oftmals scheitert das Entstehen von gewinnbringenden Dialogen an dem Souveränitätsgefühl von Eltern, oder aber bereits erwachsene Kinder ändern im Beisein ihrer Eltern ihr Verhalten und schränken sich ein. Dabei stelle ich Hierarchie und Souveränität nicht auf eine Ebene miteinander.
Beides sind Beispiele der Auswirkung von Rollenbildern, die letztlich eine unverfälschte Beziehung zwischen den Personen verhindern und die die beidseitige Wirkungsweise dieser Strukturen offenlegen. Sowohl Eltern als auch Kinder müssen sich weg von der Erziehung hin zu einer Beziehung emanzipieren. Es wird ein Muster erkennbar, das dem vorherigen ähnelt und bei dem sich meiner Meinung nach jede Person, allen voran jede*r Feminist*in, selbst an die Nase fassen muss.
Wir Menschen haben die Möglichkeit, uns aufgrund von Wissen und der Reflektion dieses Wissens für eine Handlung zu entscheiden, beziehungsweise eine Handlung als bestmögliche zu erkennen. Fordert man* von anderen Personen dies nachzuvollziehen oder sogar für sich selbst diese als bestmögliche zu erkennen, verliert diese Forderung jeden Gehalt, wenn man* sie nicht zuerst selbst ausführt.
Beitragsbild: ©Avinash Kumar on Unsplash