Wohnsinn-Kolumne: Die Entdeckung der Ländlichkeit
Für ein Praktikum hat es mich ins Münchner Umland verschlagen. Und das Kontrastprogramm zur bunten, lauten und menschengefüllten Studierendenstadt Regensburg könnte kaum größer sein. Erst im beschaulichen Wifling realisiere ich, dass ich nie erlebt habe, was Ländlichkeit wirklich bedeutet.
von Lotte Nachtmann
Ich gebe es ganz offen zu: Bis vor drei Wochen hatte ich wirklich keine Vorstellung davon, was ein Kuhkaff ist. Ich dachte ja immer, ich sei kein Stadtkind. Dabei habe ich schon früh gemerkt, dass meine Heimatstadt mit ihren rund 20.000 Einwohner*innen im Stadtkern sich nun wirklich nicht mit richtigem Dorfleben batteln kann. Verwöhnt wurde ich dann in fünf Jahren Studium in Regensburg und dem gleichgroßen Clermont-Ferrand. Gerade Regensburg kann einem mit seinem Studiflair wirklich das Gefühl geben, in einer florierender Metropole zu leben. Ich weiß, ein Münchner oder eine Berlinerin lachen darüber nur müde. Aber für mich war und ist Regensburg eine große Stadt. Wirkliche Ländlichkeit habe ich tatsächlich nur auf den ausgiebigen Rennrad-Touren im Regensburger Umland leicht touchiert.
Nun hat mich aber ein Praktikum bei der Süddeutschen Zeitung doch tatsächlich aufs Land verschlagen. Ja richtig gehört. Denn ich bin nicht im SZ-Tower in München tätig, sondern in der Lokalredaktion des für seine Therme und sein Weißbier bekannten Erdings. Auf der Suche nach einem vorübergehenden WG-Zimmer bin ich erst einmal fast in Ohnmacht gefallen ob der Mietpreise im Münchner Einzugsgebiet. Nun ja, für zwei Monate muss ich diese teure Pille nun schlucken. Während ich für mein Minizimmer in einem wenige-hundert-Seelen-Dorf in anderen ländlichen Gebieten Deutschlands wahrscheinlich weniger als die Hälfte zahlen würde, ist mein Gehalt für mein Erding-, pardon, Wifling-Abenteuer futsch.
Dafür bietet mir Wifling aber wirklich einen sehr authentischen Einblick in das Leben in einem oberbayerischen Kuhkaff, inklusive Rinderweihe und Viehmistduft. Sobald ich vor die Tür trete, laufe ich quasi in den Bachlauf der Sempt und wenige hundert Meter weiter dann in den Wörther Weiher. Meine täglichen Spaziergänge leiten mich über Felder und Wiesen, auf denen ich Rehen, Störchen, Reihern und allerlei Kleinvieh begegne. Meine Laufrunden führen mich dann durch noch kleinere Ortschaften und Einöden. Der nächste Supermarkt ist nur mit dem Auto erreichbar.
Wenn ich dann freitagabends wieder in Regensburg ankomme, wirkt Kumpfmühl wirklich wie Großstadtdschungel. Aber diese Erfahrung zeigt mir doch so einiges: Erstens, ich hatte wirklich keine Ahnung davon, wie es ist, in einem Kuhkaff zu wohnen. Zweitens, Joggen gehen macht auf dem Land wesentlich mehr Spaß als in der Stadt, wo einen Spaziergänger*innen, Autos, Fahrräder und Ampeln alle fünf Minuten ausbremsen. Drittens, ich liebe Regensburg und länger als zwei Monate halte ich es in Wifling nun wirklich nicht aus.
Nächste Woche gibt es dann wieder News aus Regensburg von Anna-Lena.