Feminis:muss: Bist du zärtlich?
Der*die eine oder andere treue Leser*in der Feminis:muss Kolumne (also die zwei, würde mein Mitbewohner jetzt ganz zärtlich sagen) erinnert sich vielleicht: Vor einiger Zeit habe ich einen Text zum Thema Gentlementum geschrieben. Und wie der Name schon impliziert – »to be gentle«, also zu deutsch »zärtlich sein« spielt dabei ein kleines Röllchen … und genau darum soll es auch in diesem Text gehen. Nur vielleicht etwas unironischer. Zärtlicher sozusagen.
von Anna-Lena Brunner
Es ist einer der ersten warmen Tage. Einer von denen, die dir den Sommer ganz leise ins Ohr flüstern und von leichteren Zeiten singen. Ich liege mit einer Freundin im Gras, spüre, wie mir eine Ameise übers Bein läuft. Es kitzelt und ich muss lachen. Es perlt aus mir heraus, aus meiner Freundin perlt es heraus: »Würdest du von dir behaupten, dass du zärtlich bist?«
Die Frage trifft mich unerwartet. Würde mir diese Eigenschaft einfallen, wenn ich über mich in Adjektiven selbst erzählen müsste? Typ Bewerbungsgespräch: Beschreiben Sie sich in drei Wörtern. Freundlich. Hilfsbereit. Ehrgeizig … Zärtlich?
Ist das ein Begriff, mit dem wir jungen, radikalen, ehrlichen Feminist*innen noch etwas anfangen können? Zärtlich sein – spielt das hinein in ein patriarchales Narrativ, das vor allem weibliche Personen als Carearbeiterinnen abstempelt? Als feine, zerbrechliche Wesen, die zärtlich sein müssen, aber zu denen man(n) auch zärtlich sein muss, um sie vor all dem Bösen zu beschützen, das die Welt zu bieten hat?
Manche Menschen mögen diese begriffliche Haarspalterei verurteilen. Zärtlich sein. Das liegt doch auf der Hand, was das bedeutet. Tut es das? Was ich tue, wenn ich über Begriffe stolpere: den Duden konsultieren. Dieser erklärt nämlich: Synonyme zu »zärtlich«: lieb, liebend, liebevoll, sanft. Was mir noch besser gefällt: Herkunft: mittelhochdeutsch zertlich, zartlich, althochdeutsch zartlich = anmutig, liebevoll, weich.
Weich. Wie mein Bauch nach den Weihnachtsfeiertagen. Wie die goldenen, zarten Härchen auf dem Rücken meiner besten Freundin. Wie der Sauerteig, den ich und mein Papa versuchen zu Brot zu verarbeiten. Wie die vergilbten Seiten meines Lieblingsbuches. Weich. Zärtlich. Ist das weiblich oder menschlich? Beides vielleicht. Nicht entweder/oder sondern sowohl/als auch. Zärtlich sein, das ist glaube ich, wenn du auch aufmerksam ist ob der Dinge, die um dich herum passieren. Wenn man* nicht wegschaut, wenn’s jemandem schlecht geht. Wenn ich auch nicht wegschaue, wenn’s mir schlecht geht. Zärtlich sein zu mir selbst.
»Bist du zärtlich?«, fragt sie mich und schaut mich an. Die Sonne spiegelt sich in ihren Sommersprossen und ich streiche ihr zärtlich mit ’ner Pusteblume über‘s Gesicht.
Duden zitiert unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/zaertlich
Beitragsbild: ©Jana Sabeth on Unsplash