Wohnsinn-Kolumne: Meer sein
Wo will ich hin? Bleiben oder gehen? Manchmal fühle ich mich zerrissen zwischen Fernweh und Heimweh und weiß nicht wo hin mit diesem ganzen Weh. Im Folgenden also der Versuch, eine Lösung zu finden.
von Anna-Lena Brunner
Vor kurzem habe ich eine Zeile aus einem Gedicht von Thomas Brasch gelesen und die ging so: »Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.« Seitdem geistern diese Wörter immer wieder in meinen Gedanken herum. Mal laut, mal leise, aber immer im Widerspruch zueinander. Und ich glaube, darum geht’s. Oder? – Naja … Gedichte sind ja eh subjektiv.
Dieser Widerspruch, dieses Gefühl von Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, irgendwo zu verweilen, aber auch gleichzeitig aufzubrechen, ist irgendwie ständig präsent.
Vor allem die letzten Monate fühlte ich das sehr. Natürlich haben alle grade irgendwie Fernweh, sehnen sich zurück nach lauen Sommernächten am Strand, an denen es nur eine Sorge gab, nämlich wer denn jetzt schon wieder das einzige Feuerzeug in die Hosentasche gepackt hat. Gleichzeitig hatten wir alle eine Sehnsucht nach Zuhause und Festhalten.
All die Wehs nützen nichts, denn gelindert werden können sie nicht. Die Welt ist eingefroren und mit ihr viele Möglichkeiten zum Bleiben oder Gehen.
Die Lösung? Ans Meer düsen. Wieso nicht? Einfach mal 2000 Kilometer und sämtliche Sinnkrisen hinter sich bringen. Klingt nach Weglaufen? War es auch ein bisschen. Musste trotzdem sein, denn bleiben wollte ich nicht mehr. Also wo ich gerade war.
Packen ging leicht, denn die ganze Schwere, die sich über die letzte Zeit angesammelt hatte, floss dann raus in das Gepäck hinein und ich hatte nicht mehr ganz so schwer zu tragen. Liegt vielleicht auch daran, dass ich die Hälfte (zum Beispiel auch eine Isomatte – wow) vergessen hatte.
Was soll’s. Mit einer lieben Person machte ich mich auf in ein einigermaßen coronakonformes Campingabenteuer und abenteuerlich wurde es wirklich. Aber vor allem schön. Denn wir blieben nicht lange an einem Ort, blieben da, wo’s uns gerade gefiel, gingen von dort, wo’s uns gerade nicht gefiel und schauten aufs Meer.
Bis wir nicht mehr nur schauten, sondern schon waren. Also (am) Mee/hr.
Das könnte es vielleicht sein. Meer sein. Weit und schön und ruhig und stürmisch. Grenzenlos quasi. Auch, wenn man* manchmal das Gefühl hat, dass das Leben geradezu von Grenzen und Wehs durchzogen ist.
Oder mehr sein. Offener und freundlicher und gelassener und freier.
Mehr Wohnsinn gibt’s erst nächste Woche. Dann von Verena – freut euch drauf!