Mov:ement: Remake, Reboot, Prequel oder Spin-Off… Was denn nun?
Bei der Fülle an Neu-Verfilmungen, Fortsetzungen und gigantischer, viele Jahre umspannenden Film-Universen können selbst gut informierte Filmfans schnell den Überblick verlieren. Immer öfter stelle ich mir die Frage, welche anderen Filme ich denn gesehen haben muss, um den neuen Kino- (oder wohl eher Streaming-) Hit voll und ganz genießen zu können. Ich möchte heute versuchen, euch einen kleinen Einblick in die gängige Terminologie der Traumfabrik zu liefern.
von Julian Tassev
Ein Blick auf das Kinoprogramm und die heiß erwarteten Filme des restlichen Jahres, unweigerliche Änderungen mal außen vor, und schnell wird klar: Die Filmindustrie ist und bleibt reaktionär; sie untersucht, probiert und passt sich schließlich an. Auch wenn originelles, besonderes Kino im Gegensatz zur Behauptung so mancher Zyniker*innen lange nicht tot ist (durch den Aufstieg der Streaming-Dienste haben wir einen so großen Zugang zu eher obskuren sowie unbekannten Filmen wie nie zuvor) lässt es sich kaum leugnen, dass das große Geld woanders liegt: Und zwar in den unzähligen Neuauflagen sowie den Ablegern bekannter und beliebter, oft jahrzehntealter Filmfranchises und -figuren. Oft ist hier allerdings unklar, in welcher Beziehung denn die neuen Filme nun zu den bereits existierenden Kassenschlagern stehen und ob der neue Film wirklich etwas Nennenswertes beitragen kann.
Die Fortsetzung – das klassische Sequel
Auch wenn es hinterher oft »das war schon immer als Trilogie geplant« heißt, ist dies gar nicht so oft der Fall. Die meisten »Sequels« entstehen selbstverständlich aus dem großen finanziellen Erfolg des Vorgängers. So ist »Star Wars Episode V: The Empire Strikes Back« ein Sequel, wie es im Buche steht: »Star Wars« (damals natürlich noch nicht »Episode IV«) wurde 1977 zum weltweiten Phänomen und zu einem der erfolgreichsten Filme des Jahrzehnts. Auch wenn George Lucas vielleicht Ideen hatte, wie sich die Geschichte entwickeln könnte, so hatte der Film doch ein definitives Ende und Lucas Pläne für viele andere Projekte, die er allerdings für den Rest seiner Karriere an den Nagel hängen musste. Eine Fortsetzung musste her und zementierte »Star Wars« als eines der erfolgreichsten und langlebigsten Multi-Milliarden-Franchises unserer Zeit.
Dieser Erfolg ist beeindruckend und bewundernswert, aber selten kopiert. Wie man* am Beispiel Disney allerdings sieht, kommt er auch mit einem (kreativen) Preis. Umso spannender verhält es sich für mich mit sehr späten Fortsetzungen von Kult-Klassikern, die zu ihren Zeiten vielleicht nicht das gewünschte Einspiel-Ergebnis lieferten, in den Jahren danach allerdings Generationen von Film-Fans begeistern und schließlich genügend »Momentum« für eine richtige, hoffentlich durchdachte Fortsetzung aufbauen konnten. So traute sich 2017 Regisseur Denis Villeneuve an die unheimlich komplexe und sicherlich polarisierende Aufgabe, eine Fortsetzung von Ridley Scotts Sci-Fi-Klassiker »Blade Runner« von 1982 zu inszenieren. Villeneuves Film behandelt die Themen des vielfach diskutierten Films mit viel Respekt und erweitert die reichhaltige Mythologie noch, wobei jedes Bild farblich ein Kunstwerk darstellt.
»It´s like poetry, it rhymes« – Das Prequel
Wo wir schon beim Thema George Lucas sind, liegt natürlich die Diskussion seiner »Star Wars«-Prequels auf der Hand. Beginnend mit »Episode I – The Phantom Menace« von 1999 erzählen die drei Filme die Entstehungsgeschichte eines der bekanntesten Bösewichte im Film – Darth Vader. Notwendig? Nicht unbedingt, eher entmystifizierend. Finanziell erfolgreich? Aber hallo. Ganz ähnlich erging es auch Peter Jackson mit der »Hobbit«-Trilogie. Hier ist von der Leidenschaft und Detailverliebtheit (vor allem für praktische Effekte) aus »The Lord of the Rings« nicht mehr viel zu spüren.
Ein »Prequel« benötigt für mich schon eine stärkere Existenzberechtigung als nur das Geld. Liefert der Film tatsächlich neue, interessante und wichtige Hintergründe oder Erkenntnisse über beliebte Figuren, Ereignisse oder ganze bis dato unerforschte Perioden einer Geschichte? Hilft mir der Film, das bereits Gesehene in einen sinnvollen Kontext einzubetten oder widerspricht er in jedem Atemzug der eigenen bzw. vorgegebenen Logik?
Ein Beispiel für ein gelungenes »Prequel« liegt uns im Serien-Format vor: In »Breaking Bad« noch als sehr unterhaltsame, exzentrische Nebenfigur zu sehen, zeigt uns »Better Call Saul« den spannenden und schwierigen Werdegang des nicht immer ganz im Sinne des Gesetzes operierenden Anwalts Saul Goodman, brillant und zig-fach ausgezeichnet verkörpert von Bob Odenkirk. In seiner eigenen Serie, welche tatsächlich sowohl nach als auch vor (und bald sogar während) »Breaking Bad« spielt, lernen wir nicht nur, wie Jimmy McGill zu Saul Goodman wird, wir lernen auch viele andere bekannte Figuren und deren Probleme genauer kennen. Die zeitliche Einordnung der Serie ist für mich allerdings manchmal Segen und Fluch zugleich: Auf der einen Seite fehlt an der ein oder anderen Stelle die Spannung, da wir genau wissen, was mit den Charakteren später geschieht, auf der anderen Seite kann ich mich umso mehr auf die exzellenten Dialoge, die Darsteller sowie die kreative Kameraarbeit konzentrieren. Vince Gilligan und sein Team ziehen hier regelmäßig alle Register.
Aus alt mach neu – Remake vs. Reboot
Der wohl aufdringlichste Trend Hollywoods ist es, alte und meist sehr erfolgreiche Produktionen mit neuen und vermeintlich besseren Mitteln modern aufzusetzen. Hier steckt oft der Gedanke dahinter, ein jüngeres Publikum, welches natürlich die neuesten visuellen Effekte aus Marvel und Co. gewohnt ist, in die Kinos zu locken. Ich will hier überhaupt nicht alle jemals versuchten »Remakes« schlechtreden, ganz im Gegenteil: Viele Filme könnten durchaus ein »Update« vertragen. Allerdings wäre es für mich eher spannend, veraltete politische und ideologische Inhalte mit einer Neuauflage anders und zeitgemäß aufzubereiten und zur Diskussion zu stellen. Manchmal funktioniert vielleicht auch das Konzept eines Films so gut, dass man* es, ohne den Ruf des Originals zu schädigen, auf modernem Wege inszenieren könnte. Leider funktionieren die meisten »Remakes« eher nach dem »Nostalgie ausnutzen, wo es nur geht«-Prinzip. Vor allem Disney macht sich dessen seit einigen Jahren mit ihren »Live-Action«-Neuauflagen der alten Klassiker schuldig. Weder das »Dschungelbuch«, »Die Schöne und das Biest« oder »Der König der Löwen« haben, außer »echten« Menschen und Computer-generierten Bildern, etwas zu bieten, was die bahnbrechenden Zeichentrick-Originale nicht hätten. Ebenso wichtig zu nennen ist hier wohl auch die Angewohnheit von Produzent*innen, sehr erfolgreiche fremdsprachige Filme so neu aufzulegen, dass das US-amerikanische Publikum keine Untertitel lesen muss. Dies zieht oft einen gehörigen Qualitätsverlust nach sich, kann allerdings manchmal auch ebenso starke Filme hervorbringen. So zum Beispiel David Finchers Version von »The Girl with the Dragon Tattoo« oder John Sturges´ »The Magnificent Seven« von 1960, welcher zwar von Akira Kurosawas Meisterwerk »Die Sieben Samurai« abkupfert, sich aber in einem gänzlich anderen Genre mit zahlreichen neuen Elementen einordnet und damit einen wichtigen Beitrag zum »Western« abliefert.
Immer öfter fällt in der Filmwelt auch der Begriff »Reboot«. Ein »Reboot« fungiert im Grunde wie ein »Remake«, soll aber nicht nur einen Film, sondern wenn möglich gleich eine gesamte Filmreihe wiederbeleben und eine Plattform für zahlreiche weitere Filme bieten. Paradebeispiel für mich ist hier Ridley Scotts kontroverse Rückkehr ins »Alien«-Universum mit seinem Prequel »Prometheus« von 2012. Der Film versucht die Herkunft der sogenannten »Engineers« und der tödlichen Aliens aus dem Original zu erläutern und verspricht eine ganze Reihe von Fortsetzungen, wovon 2017 die erste (und bisher letzte) erschien. Nach eher zurückhaltendem Feedback der Fans, die mit vielen Aspekten von »Prometheus« nicht so viel anfangen konnten, schlug Scott also mit »Alien: Covenant« eine neue Richtung ein: Viele der im ersten Film eröffneten Themen werden früh über Bord geworfen, um Platz für einen eher klassischen Monster-Film, der sich definitiv näher am Original orientiert, zu schaffen. Der Film hat seine Momente, konnte schlussendlich aber wieder niemanden wirklich zufriedenstellen. Vielleicht ist es an der Zeit, das »Alien«-Universum endgültig zu verlassen.
Zu guter Letzt wird oft abgewartet, ob manche Figuren beim Publikum besonderen Anklang finden, um diesen dann so schnell wie möglich einen eigenen Film zu widmen und diese Welle aus Geld bis zum Ende zu reiten. Solchen »Spin-Offs« bin ich allerdings meist positiv gegenüber eingestellt, denn oft genug dreht es sich ja wirklich um die interessantesten Charaktere aus den jeweiligen Filmen, so zum Beispiel mit dem herrlich ironisch düsteren und vor Selbstmitleid strotzenden Batman aus »The Lego Movie«, der ein paar Jahre später seinen eigenen Film verpasst bekam und mir als Fan unzählige Lacher bescheren konnte.
Beitragsbild: 20th Century Fox