Lautstark: Irische Frauenpower – Stimmen aus und um Irland
Thematische Zusammenfassungen sind gerade in der Musik etwas kritisch zu betrachten. Bei den drei folgenden Künstlerinnen allerdings nicht. Denn was haben Celtic Woman, Enya und Loreena McKennitt gemeinsam? Sie sind allesamt Frauen und ihre Alben handeln hauptsächlich von einem Thema. Eine musikalische Reise nach Irland.
von Yvonne Mikschl
Über den Tellerrand hinauszublicken, schadet dem eigenen Verständnis der Welt nicht. Dass das über Musik passieren kann, hätte man* sich auch denken können. Während der Kommerz boomt, verliert man* als Musikliebhaber*in gerne mal den Überblick darüber, was es abgesehen von den Eintagsfliegen im Radio noch so gibt. Geht mit mir auf eine musikalische Reise ins grüne Irland mit drei Künstlerinnen und ihrer eigenen Interpretation des Irischen.
Enyas »A Day without Rain« – Hymne an eine Wunde
Fangen wir mit der wohl bekanntesten Künstlerin an. Enya, die mit bürgerlichem Namen Eithne Pádraigín Ní Bhraonáin heißt, begann ihre Karriere in der Familienband. Seit 1982 macht sie unter dem Namen Enya Musik. Die irische Pop-Sängerin hatte 1988 mit der Single »Orinoco Flow (Sail Away)« ihren internationalen Durchbruch. Film-Fans dürften die Sängerin ebenfalls kennen, denn sie sang das Titellied von »Der Herr der Ringe: Die Gefährten«, »May it be«.
Das Album »A Day without Rain« sollte aber bei der Betrachtung der Sängerin nicht außen vor gelassen werden. Das 2000 erschienene Album kommt ohne Gastbeiträge anderer Künstler*innen und mit nur zwölf Titeln aus. Der Titelsong »A Day without Rain« ist ein reines Instrumentalstück mit einem Klavierthema, das zum Träumen einlädt. »Tempus Vernum« singt Enya auf Lateinisch, während das Stück »Deora Ar Mo Chroi« auf Gälisch, das wie das Irische zu den Gälischen Sprachen zählt, gesungen wird.
»A Day without Rain« kann nicht nur wegen der Vielfalt an Sprachen glänzen. Ein Song dürfte selbst den deutschen Fernsehzuschauenden bekannt sein. »Only Time«, der dritte Titel des Albums, bekam 2002 den Echo in der Kategorie »Erfolgreichster internationaler Song des Jahres« – aus einem eher traurigen Grund: Der Song wurde als Hintergrundmusik zu den Fernsehübertragungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 genutzt. Somit wird das Album zu einer Hymne an eine Wunde, die den USA noch lange schmerzen wird. Im Prinzip ist der Song ganz passend, wenn man* sich den Songtext ansieht: Diverse Fragen über Liebe und Zukunft werden mit der Floskel »Nur die Zeit« beantwortet. Und so ist es ja: Zeit heilt ja bekanntlich alle Wunden …
Loreena McKennitt: »The Mask and Mirrow« und die Literatur
Wie kann man* eine kanadische Musikerin bitte zu den irischen Frauenstimmen zählen? Ganz einfach: wenn die Musik traditionell Irische oder keltische Motive und die Sängerin irische und schottische Vorfahren hat. Genauso geht es Loreena Isabel Irene McKennitt, die seit 1981 in Kanada lebt und arbeitet.
In ihrer Musik verarbeitet sie neben ihren Wurzeln auch orientalische Motive. Die Texte sind mystisch beeinflusst. Die Musikerin, die 1985 ihr erstes Album veröffentlichte, spielt selbst Klavier, Harfe und Akkordeon – bei näherer Betrachtung erkennt man* sogar einen Synthesizer in den Stücken. Besonders deutlich wird das bei ihrem fünften Studioalbum »The Mask and Mirrow«, das Elemente des Sufismus mit spanischen und orientalischen Motiven kreuzt. McKennitt selbst sagt über das Album im CD-Beiheft:
»With The Mask And Mirror I began my journey in Galicia, the Celtic corner of Spain, and I moved on from there as I continued on my own historical and musical pilgrimage. I looked back and forth through the window of 15th century Spain, through the hues of Judaism, Islam and Christianity, and was drawn into a fascinating world: history, religion, cross-cultural fertilization.« (»Mit The Mask And Mirror begann ich meine Reise in Galicien, dem keltischen Winkel Spaniens, und von dort aus setzte ich meine eigene historische und musikalische Pilgerreise fort. Ich blickte hin und her durch das Fenster Spaniens des 15. Jahrhunderts, durch die Schattierungen des Judentums, des Islam und des Christentums und wurde in eine faszinierende Welt hineingezogen: Geschichte, Religion, interkulturelle Befruchtung.«)
Und so lesen sich auch die Titel des Albums: Mit »The Mystic’s Dream« startet die Reise in den Orient, die mit »Marrakesh Night Market« ihren Höhepunkt findet. Im Lied Santiago wandert sie auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, während sie in »The Two Trees« ein durch und durch irisches Bild findet. Drei Länder, drei Inspirationen – und doch vereint in McKennitts Gesang. Es braucht zwar ein bisschen, bis man* die Texte versteht, doch die Ausdauer wird belohnt. Dass die Literatur durchaus eine Rolle in diesem Werk spielt, ist besonders in letzterem Song erkennbar: »Prospero’s Speech« ist vom Text her dem Shakespeare-Drama »The Tempest (Der Sturm)« entnommen und nimmt die Endrede des Hauptakteurs auf, »which is delivered with the sense of the actor removing his mask as an artist« (»die mit dem Gefühl geliefert wird, dass der Schauspieler als Künstler seine Maske abnimmt«), so McKennitt. Und so ist es kein Wunder, dass das Album zwar nicht mit einem internationalen Erfolg glänzen konnte – in McKennitts Heimat Kanada bekam sie jedoch den Juno Award in der Kategorie »Best Roots/Traditional Album«.
Celtic Woman – »Believe« und die traditionelle Musik
Die dritten Musikerinnen im Bunde sind im Gegensatz zu Enya und Loreena McKennitt noch nicht sehr lange im Musikgeschäft dabei. Celtic Woman haben sich erst 2004 gegründet und sind eine irische Musikgruppe, bestehend aus drei Sängerinnen und einer Violinistin. Eine Besetzung auf Dauer kann die Gruppe aber nicht vorweisen, denn die Bandgeschichte zeichnet sich durch eine wechselnden Mitglieder aus. Nichtsdestotrotz zeigt ein Albumcover von Celtic Woman immer eine rothaarige Frau – egal, wer die Mitglieder der Gruppe sind.
Zur Musik: Celtic Woman unterscheiden sich von den Vorgängerinnen durch ihre Vielfalt. Zwar finden sich auf den Alben arrangierte Lieder keltischer Tradition, aber diese machen nur einen kleinen Teil aus. Genauso selten sind die Instrumentaltracks, wo gerade mal ein Stück auf einem Album zu finden ist. Dafür überwiegen Coverversionen von Stücken der klassischen europäischen Musik im weiteren Sinn sowie auch aus Musicals und der Pop- und Rockmusik bekannte Titel. Trotzdem beschreiben sich Celtic Woman auf ihrer Homepage als irische Musiker:
»Celtic Woman’s fresh fusion of traditional Irish music alongside contemporary songcraft celebrates Ireland’s ancient history while reflecting the vibrant spirit of modern Ireland.« (»Celtic Woman’s frische Mischung aus traditioneller irischer Musik und zeitgenössischem Songwriting zelebriert Irlands antike Geschichte und spiegelt gleichzeitig den lebendigen Geist des modernen Irlands wider«).
Das siebte Studioalbum der Band »Believe«, 2011 erschienen, beweist all dies fast zu gut: Der irisch Instrumental-Titel »The Foxhunter« erinnert vom Stil an Michael Flatleys »Lord of the Dance« und lädt gleichzeitig zum Stepptanz ein. Zwei weitere Titel greifen das Irland-Motiv ebenfalls wieder auf, »Teir Abhaile Riu« und das live aufgenommene Stück »Dúlaman«. Das Stück »Nocturne« erinnert SCHILLER-Fans an den Titel »Aufbruch« aus der »Weltreise«, während mit »Ave Maria« das klassische Kirchenstück einen irischen Touch erhält. Rock- und Popstücke sind mit den Tracks »Sailing« (bekannt in der Version von Rod Steward) und »Tears in Heaven« (Eric Clapton) vertreten. Ein Highlight des Albums ist mit Sicherheit die Kooperation mit Chris de Burgh, der im Titel »I’m Counting on you« zu hören ist.
Die drei Facetten einer grünen Insel
Obwohl alle Künstlerinnen irischstämmig sind, drücken sie in ihrer Musik ihre Wurzeln etwas anders aus: Während Enya versucht, das Gälische in ihrer Musik unterzubringen, setzt Loreena McKennitt auf die Instrumentation mit Harfe und Akkordeon. Celtic Woman bringen das moderne Irland auf den Punkt, vertiefen sich aber viel zu stark auf Coverversionen bekannter Stücke, um ihren Erfolg zu manifestieren. Trotzdem kommt das Irland-Thema besonders in ihrem Album »Believe« nicht wirklich zur Geltung, obwohl mit der Violine ein typisch irischer Klang zu imitieren versucht wird. Das gelingt besonders Loreena McKennitt, trotz des starken Orienteinflusses.
Und so kann man* über den eigenen Tellerrand hinausblicken, ohne nach Irland fahren zu müssen. Besonders in Corona-Zeiten sich mit anderen Kulturen und Musik zu beschäftigen, stärkt das Bewusstsein für den interkulturellen Dialog und öffnet einer*m neue Horizonte – vielleicht geht ja der nächste Urlaub in das grüne Land.
Musikbeispiele:
Beitragsbild: © Welt