Mov:ement: Die Kirche gegen schokoladige Versuchungen – Der Film »Chocolat«
Ein Kleinkrieg zwischen Kirche und Genuss, ausgelöst durch eine Frau, ihre uneheliche Tochter und Schokolade. Wenn man* so einen Film sucht, dann ist »Chocolat« von Lasse Hallström der ideale Film für gemütliche Stunden auf dem Sofa. Eine Rezension.
von Yvonne Mikschl
Stellt Euch einmal eine Welt vor ohne das lästige Covid-19-Virus. Eine Welt, im Süden Frankreichs gelegen, von einem Bürgermeister und Pastor geleitet. Wo man* lernt, Dinge, die man nicht sehen sollte, zu missachten und wegzusehen. Eine Welt, in der die Kirche die dort herrschenden Verhältnisse bestimmt. Und jetzt überlegt Euch mal, was passiert, wenn jemand in dieser kleinen, heilen Welt ankommt und mit all dem nichts zu tun haben will. Das würde ja noch gehen, sagt Ihr? Was, wenn dieser Fremde die eigene Welt auf den Kopf stellt und Eure tiefsten Überzeugungen ins Wanken bringt? Dass ausgerechnet eine Süßspeise so etwas auslösen kann, beweist der Film »Chocolat« aus dem Jahre 2000.
Um was geht es?
Wir schreiben das Jahr 1959. Die alleinerziehende Mutter Vianne Rocher kommt mit ihrer Tochter Anouke an einem kalten, windigen Tag in das Provinzstädtchen Lansquenet-sous-Tannes in Südfrankreich. Im Gepäck hat sie, neben Erinnerungen an ihre Mutter, Rezepte für Pralinen und Schokoladenkonfekt, und eröffnet kurz darauf in dem sehr religiösen Städtchen genau zu Beginn der Fastenzeit ihre Chocolaterie. Dem Bürgermeister, der Comte de Reynaud, der gerade den jungen Pfarrer ausbildet und die Gemeinde mit christlichem Konservatismus leitet, missfällt das natürlich sehr. Er sieht den Frieden und den katholischen Geist in Gefahr, da sich Vianne nicht nur wegen ihrer Köstlichkeiten einige Freunde findet. Als ob das nicht genug wäre, nimmt Vianne auch noch die Gattin des Kneipiers Josephine Muscat bei sich auf, die von ihrem Mann misshandelt wird. Der Comte sieht sich machtlos gegenüber Vianne – auch als am Flussufer eine Gruppe von Piraten (im Film »Zigeuner« genannt) auftauchen…
Schokolade zwischen Kirche und zerstrittenen Familien
Nicht nur die Schokolade steht, wie eben schon mehrfach erwähnt, im Vordergrund. Der Streit zwischen dem Comte und Vianne manifestiert sich in zwei Stunden Filmlaufzeit auf mehreren Ebenen. Vianne unterstützt mit der Aufnahme Josephines eine Ehebrecherin in den Augen Gottes, weckt den Genuss in der Fastenzeit und ist selbst Atheistin, also keine Kirchengängerin, und alleinerziehend. Grund genug für einen traditionellen Bürgermeister, da einzugreifen. Doch nicht nur die Konflikte mit der Kirche sind Part des Films. Vianne schafft es mit ihrer Art auch, zerstrittene Familien zusammenzuführen und eine gewisse Akzeptanz herzustellen. Vielleicht hat letzteres auch mit ihrer Vorgeschichte zu tun. Ihre Mutter war selbst Nomadin, die nie sesshaft werden konnte und immer mit dem Nordwind weiterziehen musste – ein weiteres Motiv im Film.
Starbesetzung und ein Soundtrack mit Triangel
Der Film basiert auf dem gleichnamigen Buch von Joanne Harris, dessen erste Auflage bereits 1997 erschienen ist. In der Verfilmung besetzte Regisseur Lasse Hallström, der zuvor schon mit dem Streifen »Gottes Werk & Teufels Beitrag« bekannt wurde, gleich zwei Rollen mit Oskar-Preisträgerinnen: Die Rolle der Schokoladenzauberin Vianne Rocher wird von Schauspielerin Juliette Binoche, die in »Der englische Patient« brillierte, verkörpert, während, völlig zurecht, die Rolle der Ladenvorbesitzerin Armande Voizin an Judi Dench, bekannt als M aus den »James Bond«-Filmen, ging. Auch die jetzige Ehefrau des Regisseurs durfte eine zentrale Rolle spielen: Lena Olin spielt die misshandelte Kneipiers-Frau Josephine. Der Schauspieler Alfred Molina, der schon in »Spider-Man 2« zu sehen ist, bekam die Rolle des Bürgermeisters. Um die Starbesetzung vollständig zu machen, besetzte Hallström die Figur des Piraten-Anführers Roux mit Johnny Depp, lange, bevor dieser die Rolle des Captain Jack Sparrow spielte.
Der Soundtrack stammt von Rachel Portman. Die britische Komponistin gewann 1997 für die Filmmusik zu der Verfilmung von Jane Austens »Emma« als erste Frau den Oskar. Mit »Chocolat« konnte sie zwar nicht an diesen Erfolg anknüpfen, obwohl das beim Hören des Soundtracks durchaus zumutbar gewesen wäre. Die Musik kommt ohne digitale oder elektronische Instrumente wie Synthesizer aus, sondern setzt durch den Einsatz von Streichern Akzente, die dem Film seine ruhige Art verleihen. Zudem findet sich eine Triangel in den Kompositionen – eine wahre Seltenheit (zumindest in meinen Augen).
Persönliches Fazit
»Chocolat« ist ein Film, den man sich getrost nach einem anstrengenden Tag ansehen kann. Der Streifen hat mit seinen ruhigen Tönen und seiner nicht ganz so anstrengenden Handlung eine beruhigende Wirkung, die eine*n dazu verleitet, ihn auch um drei Uhr morgens alleine in der eigenen Wohnung anzusehen. Der Soundtrack ist mit seinen Streichern und dem Triangel-Einsatz einzigartig und unterstreicht perfekt die Bilder. Zudem überzeugt die Handlung selbst durch eine starke Message: Man* muss auch mal die eigene Komfortzone verlassen und die Regeln des Miteinander durchbrechen, um die Anderen in der Gesellschaft zu akzeptieren – ein Appell, der in heutigen Lebensgemeinschaften oft untergeht.
Beitragsbild: © Miramax