Wohnsinn-Kolumne: Weihnachtet es etwa immer noch?
Ach ja die Weihnachtszeit, überall Lichter, eine schön dekorierte Wohnung und der Duft von Tannengrün. Doch Mitte Januar ist es nun wirklich einmal gut mit der weihnachtlichen Stimmung. Aber so viel Spaß das Dekorieren in der Adventszeit gemacht hat, so wenig motiviert bin ich jetzt, das Ganze wieder abzurüsten.
von Lotte Nachtmann
Jedes Mal, wenn ich ins Wohnzimmer gehe, schauen sie mich mahnend an: die leeren Türchen des Adventskalenders, die abgebrannten Kerzen auf dem Adventsgesteck und die kleinen Wichtel auf der Fensterbank. In der Wohnung meines Freundes dieselben vorwurfsvollen Blicke. Da ich mich inzwischen schon wirklich schuldig gefühlt habe, die Weihnachtsdekoration nicht längst in ihren wohl verdienten, elfmonatigen Ganzjahresschlaf entlassen zu haben, nahm ich mir vor wenigen Tagen endlich ein Herz und entfernte zumindest einmal das bröselige Tannengrün des improvisierten Kranzes.
Ich weiß nicht woran es liegt, dass ich mich jedes Jahr darum drücke, dem weihnachtlichen Flair in meiner Wohnung ein Ende zu setzen. Wirklich erstaunlich ist das, zumal ich normalerweise selten Dinge aufschiebe und eigentlich auch gar kein so großer Weihnachtsfan bin – vergangenes Jahr noch viel weniger als sonst. Vielleicht geben mir Christbaumkugeln, Tannenzapfen und Lichterketten wenigstens den Anschein eines Gefühls, wie es sein könnte, wenn der Dezember nicht der stressigste Monat des Jahres wäre, man sich einfach Plätzchen futternd, in eine Decke eingehüllt an den Lichtern erfreuen könnte und nicht daran denken müsste, für wen man noch keine Geschenke hat und welche durchgedrehten Uniprofs über die Ferien welches Projekt fertig haben wollen. Für viele ist das Abdekorieren Anfang Januar ja dann Teil eines umfassenden Motivationskicks nach Tagen der Entspannung, Völlerei und guter Vorsätze. Bei mir haben das neue Jahr und die Arbeit aber schon am 27. Dezember wieder angefangen und nach drei Weihnachtstagen Pause kann man nicht von einem frischen Neuanfang sprechen, sondern eher von einem müden Aufraffen. Das Abnehmen und Verstauen der Weihnachtsdeko ist also nur ein Punkt auf einer nicht enden wollenden to-do-Liste, die ihre Unendlichkeit schön über den Jahreswechsel gerettet hat. Der Neujahresvorsatz des »weniger Stressens« hat daher übrigens genau bis zum 2. Januar gehalten.
Da bin ich ja schon fast froh, keinen Christbaum im Wohnzimmer stehen zu haben, der langsam aber sicher die Zweige hängen lässt. Aber vermutlich würde mir das Leid einer Tanne näher gehen als das ignorierter Elchaufsteller und mich tatsächlich dazu veranlassen, einen Schlussstrich unter der Weihnachtszeit zu ziehen. Aber auf eine andere Weise hat es sich auch gelohnt, dass Wichtel, Kugeln und Zapfen so lange durchgehalten haben. Denn inzwischen hat es in Regensburg geschneit und vielleicht lasse ich die Deko einfach noch ein paar Tage stehen, damit das Ideal „weißer Weihnacht“ etwas verspätet noch greifen kann. Eventuell bin ich wohl doch eine Weihnachtsfanatikerin und will es mir angesichts der besagten never ending to-do-Liste einfach nicht eingestehen. Würde ich überhaupt weihnachtlich dekorieren, wenn ich das alles so schrecklich fände? Betrachten wir meine Prokrastination, was das Abdekorieren angeht, also einfach als einen kleinen Balsam für meine gestresste Seele, die sich ein entspanntes Weihnachten gewünscht hätte. Ihr seht: Es kommt auf Kreativität beim Euphemisieren der eigenen Motivationslosigkeit an.
Nächste Woche kann ja vielleicht Anna-Lena erzählen, wie weihnachtlich ihre Wohnung noch gestaltet ist.