Lautstark: »Anger is a gift« – Rage Against The Machine
Rage Against the Machine sind ohne Frage eine der erfolgreichsten Bands der letzten 30 Jahre, wenn nicht sogar aller Zeiten. Die vierköpfige Gruppe schaffte dies hauptsächlich durch ihre kongeniale Mischung aus funky Rhythmen, knallenden Riffs, angepissten, aber auch flowenden Vocals und ihren Zeitgeist. Neben dem Sound brillieren allerdings die Texte des Frontmannes Zack de la Rocha, die vor marxistischen Ideen, Aufrufen zum revolutionären Kampf und schärfster Kritik an allem Üblen in der Welt (Imperalismus, Kapitalismus, Rassismus…) nur so strotzen und leider etwas vernachlässigt werden, wenn es darum geht, die Band zu bewerten.
von Elias Schäfer
Auf der einen Seite stehen Sozialismus und Protest, auf der anderen »Hey, das ist doch die Band vom »Matrix«-Soundtrack« und »Oida, ja, fuck you, I won’t do what you tell me« seitens rebellischen, aber sonst nicht wirklich über etwas nachdenkenden Jugendlichen. In den 1990ern und auch bis in die späten 2000er hinein hing in jeder halbwegs linken Studierendenbutze neben dem obligatorischen Che Guevara Poster auch eins der kalifornischen Band Rage Against The Machine, was damit zusammenhing, dass sie seit ihrem gleichnamigen Debutalbum anno 1992 einschlugen wie mehrere Molotow-Cocktails gleichzeitig. All ihre drei Studioalben mit eigenem Material erreichten mehrmaligen Platin-Status, sie headlineten sämtliche großen Festivals der Welt und haben einen Net Worth von mehreren Dutzend Millionen Dollar. Betrachtet man* dabei ihre antiimperalistischen und -kapitalistischen Lyrics, könnte man* sich schnell fragen, wie das alles überhaupt zusammenpasst – und diese Frage möchte ich ganz schnell beiseiteschaffen, da es unnütz ist, eine im Kapitalismus agierende Musikgruppe nach pseudo-sozialistischen Maßstäben zu bewerten. Menschen, die RATM Heuchelei vorwerfen, da sie bei einem riesigen Label unterschrieben haben und reich geworden sind, vergessen dabei, dass eine Band nur bedingt viel tun kann: Sie können ihre Message an so viele Leute bringen wie möglich und sie somit irgendwie anstacheln, irgendetwas zu verändern; eine Musikgruppe kann jedoch keine Straßenkämpfe veranstalten, geschweige denn eine ganze Revolution führen, und das muss sie auch nicht. Dass aus ihrer Message trotz mehrerer Millionen Fans kaum etwas gemacht wurde, sieht man* am derzeitigen Zustand der Welt. Nichtsdestotrotz haben sie ihr Ziel erreicht, solange zumindest Einige von ihren Texten in jungen sowie auch späteren Jahren inspiriert und politisiert werden, beispielsweise ich selbst, wofür ich den Vier ziemlich dankbar bin. Da das geklärt wäre, können wir uns nun ohne weitere Polemik dem Sound und vor allem den Aussagen von Rage Against the Machine widmen.
Rock + Rap = explosive Mischung
Rage Against the Machine wurden von folgenden Musikern im Jahre 1991 in Los Angeles gegründet: Vocalist Zack de la Rocha, der davor in einer Hardcore-Band namens Inside Out aktiv war, danach den Hip-Hop für sich entdeckte und in kleineren Clubs freestylte. Bassist Tim Commerford, der seit seiner Jugendzeit mit Zack befreundet war und mit ihm durch die Musikszene von Los Angeles tingelte. Tom Morello, Harvard-Absolvent im Fach Soziologie, ehemaliger Gitarrist bei Lock Up und nun komplett abgedrehter Virtuose zwischen Old-School-Klampfer und DJ. Und schließlich Drummer Brad Wilk, der nach einem missglückten Tryout bei Lock Up und der Auflösung der Band von Morello gefragt wurde, ob er nicht bei dem neuen Projekt namens Rage Against the Machine dabei sein wolle. Hinzu kommt, dass sie eine ziemlich interkulturelle Truppe darstellen: De la Rocha ist mexikanischer, afrikanischer und jüdischer Abstammung, Morello europäisch-kenianischer, Wilk hat ebenso jüdische Wurzeln, Commerford europäische. Die Vier sollten es auf jeden Fall nicht bereuen, zusammen Musik zu machen, denn kurz nach ihrer Formierung unterzeichneten sie einen Vertrag mit Epic Records, veröffentlichten ihr erstes Album und wurden quasi über Nacht berühmt. Es war ein Debutalbum ohne erkenntliche Mängel, wie aus einem Guss. Tracks wie »Bombtrack«, »Killing In The Name« oder »Wake Up« sind bis heute Hymnen des alternativen Rocks und dürfen in keiner Playlist fehlen, in der es um die besten politischen Songs geht. Die Band prägte einen Sound, der noch Jahre später erfolgreich sein sollte, nämlich die Mischung zwischen harten, aber auch funky Riffs und Vocals, die mal gerappt, mal geschrien werden; sozusagen waren sie soundtechnische Vorfahren des Nu-Metal, der dann Ende der 90er den Mainstream eroberte. Man muss Rage Against the Machine wirklich neidlos anerkennen, dass sie eine perfekte Mixtur zum perfekten Moment gefunden haben. Dank der Unruhen in Los Angeles, die dadurch entstanden, dass ein Schwarzer Mann namens Rodney King von mehreren Polizisten aufs Übelste verprügelt wurde sowie des zweiten Golfkrieges war die politische Stimmung im ganzen Land extrem aufgeheizt, und aggressiver Rock bzw. Rap im Stile der N.W.A. gewannen immer mehr an Fahrt. Doch nicht nur die Musik von RATM lädt zum schonungslosen Abgehen ein, vor allem die Lyrics de la Rochas haben es in sich.
Der Name Rage Against The Machine, ihr aggressiver Sound und ein Mönch, der sich aus Protest selbst anzündet als Cover für ihr erstes Album: Die Band meinte ihren politischen Auftrag wirklich ernst. Was jedoch das Gesamtbild erst komplettierte, war die »massive militant poetry« ihres Frontmannes. Zack de la Rocha war gerade einmal 22, als die Band Rage Against The Machine aufzeichnete, und doch pfeffert er den Hörer*innen Texte hin, die durchaus aus den Socken hauen können. Klar, in dem Alter sind manche Textzeilen immer noch etwas zu stumpf, zu parolenhaft, zu ungestüm, sie wiederholen sich oder führen ihre Idee nicht ganz so aus, wie man* es gern hätte. Aber trotzdem steckt in ihnen mehr als pure jugendliche Wut: Das genannte »Wake Up«, das im Abspann von »Matrix« zu hören ist, mutiert beispielsweise zu einer kleinen Geschichtsstunde. Es geht vorrangig um die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre und die Black Panther Party sowie um ihre jeweiligen Führungsfiguren, Martin Luther King und Malcolm X. Darin wird erläutert, dass deren Ermordungen von oberster, föderaler Hand geplant waren und nicht, wie offiziell behauptet, von einem Einzeltäter oder der »Nation of Islam« (»You know they went after King when he spoke out on Vietnam« // »Ya know they murdered X and tried to blame it on Islam«). Der Song wird geschmückt mit Bekundungen, dass de la Rocha gerne Faschist*innen verprügeln möchte und dass der langjährige FBI-Direktor J. Edgar Hoover politische Gegner, meist aus dem linken und pro-Schwarzen Bereich, »neutralisierte«; am Ende wird sogar ein Text Hoovers rezitiert, in dem dieser über Martin Luther King und andere Bürgerrechtler*innen redet und genau diese Behauptung bestätigt.
He may be a brave contender for this position But should he abandon his supposed obedience To the White liberal doctrine of non-violence And embrace Black Nationalism Through counter-intelligence, it should be possible To pinpoint potential troublemakers and neutralize them
Doch nicht nur »Wake Up« dient hier als explosiv politischer Song, auch beispielsweise »Freedom«, »Take The Power Back« oder »Know Your Enemy« bieten ganz schön viel Stoff; dabei reichen die Themen vom American Indian Movement, dessen berühmter Aktivist Leonard Peltier seit 1977 aufgrund einer umstrittenen Verurteilung wegen Mordes an zwei FBI Agenten in verschiedenen Gefängnissen der USA einsitzt, über den Eurozentrismus des Geschichtsunterrichts in der Schule bis hin zur zweischneidigen Moral der USA, was Kriege und die Verfolgung unliebsamer Menschen angeht. Natürlich muss hier auch nochmal »Killing In The Name« erwähnt werden, was bis dato den erfolgreichsten Rage Song darstellt und in dem es um den systematischen Rassismus in Polizei und Regierung geht. Die repetitiven, fast schon hypnotischen Zeilen des Liedes sind fester Bestandteil der Pop-Kultur geworden und wurden mit dem Ziel geschrieben, diese Worte wirklich in die Köpfe der Menschen einzufräsen. Das ist der Band auf jeden Fall gelungen.
»Evil Empire«
Obwohl ihr Debutalbum schon nahezu perfekt war, legten Rage Against The Machine mit dem erst vier Jahre später folgenden zweiten Album »Evil Empire« (eigentlich eine Bezeichnung des ehmaligen US-Präsidenten Ronald Reagan gegenüber der Sowjetunion, aber hier eindeutig auf die USA umgemünzt) meiner Meinung nach noch eine Schippe drauf. Schon damals begannen Gerüchte um eine Auflösung der gerade frisch gestarteten Gruppe, doch auf diesem Album war von irgendwelchen Querelen nichts zu spüren: Das Songwriting wurde viel ausgefeilter, da die Lieder nun wirklich abwechselnde Strukturen hatten, die ineinander kohärent waren, während das erste Album instrumental mehr einer (äußerst guten) Jam Session glich. Auch gingen die Songs trotz immer noch harter, rhythmischer Riffs in eine hip-hoppigere Richtung, im Vergleich zum Funk-Hardcore-Metal-Sounds des Vorgängers. Tom Morellos Gitarrenarbeit wurde noch etwas verrückter und DJ-ähnlicher (ohne Witz, was der Mann aus seiner einfachen, mit »Arm the Homeless« beschrifteten Gitarre bekommt, ist nicht von dieser Welt). Und Zack de la Rochas Lyrics wirkten auch erwachsener, durchdachter, poetischer. Vier Jahre zuvor waren diese noch von jugendlicher Wut gegen alles und jeden bestimmt, während er sich auf »Evil Empire« hochkomplexen Themen annimmt, die bis hierhin kaum im Mainstream behandelt wurden. So handelt der Opener »People of the Sun« von der Eroberung und Vernichtung der mesoamerikanischen Ureinwohner durch die Spanier im 15. Jahrhundert und ist gleichzeitig ein Loblied an die Zapatista-Bewegung (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) in Mexiko. Diese ist eine von Zack de la Rocha stark unterstützte, linke Guerillagruppe, hauptsächlich bestehend aus indigenen Menschen, die im Bundesstaat Chiapas aktiv ist und sich für die Verbesserung der Lage der indigenen Bevölkerung, eine Sozialisierung der mexikanischen Volkswirtschaft und die Demokratisierung Mexikos einsetzt. Ihr Name ist abgeleitet von Emiliano Zapata, einer der berühmtesten Figuren der mexikanischen Revolution, der 1919 in einen Hinterhalt gelockt und exekutiert wurde. RATM spielten live beispielsweise auch einen unveröffentlichten Song namens »Zapata’s Blood«, der nochmal die Unterstützung der Bewegung unterstreicht und deren Slogan »Everything for everyone and nothing for ourselves« immer wieder wiederholt.
Neben dem absoluten Hit »Bulls on Parade« sticht auf diesem Album jedoch vor allem auch »Down Rodeo« hervor, der sogar meinen allgemeinen Lieblingssong der Gruppe darstellt.
Yeah, I'm rollin' down Rodeo with a shotgun These people ain't seen a brown-skinned man Since their grandparents bought one
Eine der explosivsten und mutigsten Textstellen aller Zeiten, Punkt. Hierbei ist übrigens der Rodeo Drive in Beverly Hills gemeint, ein Wohn- und Einkaufsviertel der Reichen, Schönen und Weißen. In »Down Rodeo« wird so ziemlich alles verwurstet, was in den USA falsch lief, läuft und (leider) weiterhin laufen wird: Rassismus, Armut, Polizeigewalt, Heuchelei, Imperialismus. Im weiteren Verlauf wird die nicht existente Demokratie angeprangert (»The structure is set, ya never change it with a ballot pull«) sowie zur Aktion aufgerufen, solange man* überhaupt noch kann und nicht von der Regierung aus dem Verkehr gezogen wurde, und dass man* lieber das Recht zum Schweigen als das zum Reden anwenden müsste, um nicht in Bedrängnis zu kommen (»Can’t waste a day when the night brings a hearse / So make a move and plead the fifth ‚cause ya can’t plead the first«). Hinzu kommt instrumental gesehen ein absolut göttliches Riff direkt am Anfang, eine melodisch-groovige Strophe sowie ein gänsehauterzeugendes Ende. Allein aufgrund dieses Liedes ist es mir ein Rätsel, dass Rage Against The Machine nicht längst liquidiert wurden. Interessant ist ebenso die Line »Fuck the G-ride, I want the machines that are makin‘ ‚em«, die im Hip-Hop-Style in einem Satz die marxistische Theorie der Zurückeroberung der Produktionsmittel zusammenfasst. Was auch erwähnenswert ist, ist folgende Stelle: »They ain’t gonna send us campin‘ like they did my man Fred Hampton«. Fred Hampton war ein führender Aktivist der Black Panthers, der im Rahmen des COINTELPRO (ein FBI Programm von 1956 bis 1971 – zumindest offiziell, an sich agierte dessen Idee auch darüber hinaus – das Bürgerrechtler*innen und Anti-Vietnamskriegprotestierende überwachte und ebenso aus dem Verkehr zog) in seiner eigenen Wohnung im Schlaf von FBI Agenten mit nur 21 Jahren zusammen mit seinem Mitstreiter Mark Clark brutal erschossen wurde. In der gleichen Zeit wurden beispielsweise auch Hollywood-Schauspieler*innen auf eine schwarze Liste gesetzt und bekamen keine Jobs mehr, falls sie selbst nur mutmaßlich mit der Kommunistischen Partei der USA in Verbindung standen – falls also (natürlich berechtigterweise) seitens pro-kapitalistischer Menschen über die Stasi hergezogen werden sollte, müsste man* dieses menschenrechtswidrige Programm des FBI ebenso als Vergleich heranziehen.
Ein weiterer Banger aus diesem Album ist übrigens »Vietnow«, das mit der ohrwurmartigen Zeile »Turn on the radio / Nah, fuck it, turn it off / Fear is your only god on the radio / Nah, fuck it, turn it off« und dem unfassbar groovigen Schlagzeugbeat sich nicht nur in den Gehörgängen festbrennt, sondern auch die öffentlichen Medien, die meist nicht im Interesse der Bürger*innen agieren, stark kritisiert.
»The Battle of Los Angeles«
It has to start somewhere It has to start sometime What better place than here? What better time than now?
Diese Stelle des Songs »Guerrilla Radio« vom 1999er Album »The Battle of Los Angeles« beschreibt direkt perfekt, wofür Rage Against The Machine sich einsetzten: Positive Veränderungen, egal woher, egal wie, Hauptsache jetzt. Das Album selbst ist eine weitere Hinwendung zu elektronischeren Sounds (die immer noch ausschließlich mit Morellos Gitarre erzeugt wurden; ich liebe diesen Mann) und beinhaltet noch mehr Hip-Hop Einschlag, allerdings auch Uptempo-Rock Nummern wie »Sleep Now In The Fire«. Rage Against The Machine klingen schlichtweg reif und vor allem Zack de la Rocha selbstbewusst wie nie zuvor, wobei er auch abermals noch poetischere und diesmal auch teilweise abstrakte Lyrics verwendet. Der Opener des Albums »Testify« zieht die mediale Berichterstattung über politische Ereignisse komplett in den Dreck und das Video dazu, das im Rahmen der Präsidentschaftswahlen 2000 gedreht wurde, bezeichnet den Kandidaten der Republikaner, George W. Bush, und den der Demokraten, Al Gore, als zwei Seiten derselben Medaille, und führt dabei sogar Reden vor, in denen die beiden sich deckungsgleich überschneiden. Auch »The Battle of Los Angeles« strotzt nur vor Highlights, zum Beispiel das abermals antiimperialistische und zum Protest aufrufende »Calm Like A Bomb«, das vom inhaftierten Unterstützer der Black Panthers und der MOVE-Organisation, Mumia Abu-Jamal, handelnde »Voice Of The Voiceless« sowie »Maria«, eine gänsehauterzeugende Geschichte über eine von vielen Immigrantinnen, die von einem besseren Leben in den USA träumten, aber dort als quasi-Sklavinnen unter schlimmsten Bedingungen schuften mussten und sich dann selbst umbrachten – ähnlich dem Film »Black Girl« von Ousmane Sembène. »Mic Check«, der wohl hip-hop-lastigste Song, den Rage Against The Machine geschrieben haben, überrascht ebenso als einer der bemerkenswertesten Tracks des Albums:
With this mic device, I spit nonfiction "Who got the power?", this be my question The mass or the few in this torn nation? The priest, the book, or the congregation? The politricks who rob and hold down your zone? Or those who give the thieves the key to their homes? The pig who's free to murder one Shucklak Or survivors who make a move and murder one back?
»Sleep Now In The Fire« ist allerdings mein persönlicher Favorit dieses Albums, nicht nur wegen des mitreißenden Riffs, sondern auch wegen der Thematik und des Videos: Der Song ist ein direkter Stich in die US-kapitalistische Seele, benennt die drei Schiffe von Christoph Kolumbus (Nina, Pinta und Santa Maria), mit denen die moderne (Sklaverei- und Völkermords-) Geschichte Amerikas begann, sowie die Atombombe auf Hiroshima und die Nutzung des Giftstoffes Agent Orange gegen Vietnam seitens der USA. Das Video dazu wurde vom berühmt-berüchtigten Regisseur Michael Moore (»Fahrenheit 9/11«, »Bowling For Columbine«) gedreht und fand an der Wall Street direkt vor der New York Stock Exchange statt. Und das an einem Mittwoch – an Wochentagen war der Dreh von auch nur irgendetwas an der Wall Street eigentlich verboten. Dazu wurden Szenen aus einer Parodie an die US-amerikanische Version von »Wer wird Millionär?« namens »Who wants to be filthy fucking rich?« eingespielt, die nochmal vor Augen führen sollten, was genau in den USA falsch läuft. Der Musikvideodreh eskalierte zu einem Tumult, sobald die New Yorker Polizei eingriff, aber erreichte, dass die Börse ungefähr 20 Minuten lang handlungsunfähig war, was schon einen riesigen Verlust für diese darstellte. Man* beachte übrigens auch ein kurz gezeigtes Schild mit der Aufschrift »Donald J. Trump for president«, was sich leider als prophetisch herausstellte.
Kontroversen, Auflösungen, Wiedervereinigungen
Als stark politische Band waren sich Rage Against The Machine um öffentliche Kontroversen natürlich auch nie zu schade, wie man* alleine am eben genannte Videodreh bemerken kann. Während intellektuelle Zeugnisse ihres Schaffens wie ein Interview mit Noam Chomsky ein weniger breites Publikum fanden, waren es öffentliche Stunts, die Rage in die Schlagzeilen brachten. Es reichte nicht nur, dass immer wieder über ein Zerwürfnis innerhalb der Gruppe spekuliert wurde, sondern es wurden auch aktiv kontroverse Auftritte forciert: Im Jahre 1996 spielten sie bei »Saturday Night Live«, nur um gecutted zu werden, da sie mehrere US-Flaggen verkehrt herum aufhängten, um gegen den gleichzeitigen Gast Steve Forbes zu protestieren. Ebenso kletterte Bassist Tim Commerford (entgegen des Rats Zack de la Rochas und Tom Morellos, es nicht zu tun) bei den MTV Video Music Awards 2000 auf ein Bühnengerüst, während Limp Bizkit den Award für das Best Rock Video erhielten. Danach verließ Zack de la Rocha nicht nur die Veranstaltung, sondern kurz darauf auch die Band, was deren erstmalige Auflösung aufgrund kreativer Differenzen im Jahre 2000 darstellte. Es wurde noch ein Coveralbum namens »Renegades« released, was bis dato das letzte offizielle Album der Gruppe darstellt. Zack de la Rocha verschwand daraufhin einige Zeit komplett aus der Öffentlichkeit, während der Rest der Band zusammen mit dem zu früh verstorbenen Soundgarden Sänger Chris Cornell Audioslave gründete, was musikalisch wunderbar war, aber politisch nichts zu sagen hatte, sondern einfach nur schönen Alternative Rock spielte. Um zumindest ein politisches Outlet zu haben, fing Tom Morello an, als The Nightwatchman aufzutreten, ein mysteriöser Folk-Sänger, der bei Open-Mic-Nights seine Message an die Leute bringen wollte. Hinzu kam ein Aktivismus-Projekt namens Axis Of Justice, das Tom Morello zusammen mit dem System of a Down Sänger Serj Tankian betrieb. Audioslave feierten große Erfolge, während Zack de la Rocha nur ab und zu vereinzelte Tracks herausbrachte. Erst 2007 konnten sich die Rage Against The Machine Mitglieder wieder zusammenraufen und weitere Tours spielen, wonach Zack de la Rocha auch eine EP mit dem Projekt One Day As A Lion veröffentlichte. Danach machte er hauptsächlich als Kollaborateur des Rap-Duos Run The Jewels oder mit dem brillianten Solotitel »Digging For Windows« auf sich aufmerksam.
2009 wurden Rage Against The Machine durch eine britische Kampagne abermals in den Mainstream gebracht, in der »Killing In The Name« statt des alljährlichen X-Factor Songs an die Nummer eins der britischen Charts gehievt wurde. Im Zuge dessen spielten sie auch 2010 wieder Konzerte, die ab 2011 abermals stillgelegt wurden. Tom Morello, Brad Wilk und Tim Commerford machten ab 2016 nochmals mit der Supergroup Prophets Of Rage von sich reden, die neben neuem Material auch alte Rage Songs live vorführte und statt Zack de la Rocha die Rap-Legenden B-Real (Cypress Hill) und Chuck D. (Public Enemy) an den Mikrofonen hatte, aber nie auch nur annähernd die Popularität sowie Qualität der Originalband erreichen konnte. 2019 war es schließlich soweit: Rage Against The Machine kündigten an, ab Frühling 2020 wieder auf Festivals und in anderen Arenen in Originalbesetzung zu spielen. Und dann kam Corona und alles musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Verdammt. Man* kann nur hoffen, dass die Band sich immer noch, sobald Livekonzerte wieder stattfinden können, zusammenraffen kann, denn es gab kaum eine perfektere Zeit als jetzt, um wieder gegen die Machine zu ragen.
Insgesamt kann man* sagen, dass manche Messages von Rage Against The Machine als stumpfe Parolen erscheinen mögen, doch dabei muss man* im Hinterkopf haben, dass sie niemals Musik für politisierte Akademiker*innen machen wollten, sondern für die breite Masse, von der sie wollten, dass sie aufwacht. Leider bekamen das viele in den falschen Hals und sahen die Band weniger als politisch, sondern mehr als groovy an, was eine Video-Compilation über konservative Poliker*innen, die zum ersten Mal lernten, dass RATM links sind, bewies. Klar ist auch, dass, genauso wenig wie in nur einem Online-Artikel, in einem paarminütigen Song nicht sämtliche detaillierte Infos über ein gewisses Ereignis verbaut werden können, aber ich kann trotzdem nur jeder Person, die noch nicht allzu tief in revolutionäre Geschichte, Theorie und Praxis eingestiegen ist, empfehlen, sich zumindest die Lyrics de la Rochas durchzulesen, selbst, wenn man* mit der Musik nicht allzu viel anfangen kann. Beginnend als präpubertierender Bengel dienen mir die Themen und die Energie von RATM bis heute als Inspiration, immer mehr herauszufinden und politisch zu sein. Das kann vor allem in der jetzigen Zeit niemandem schaden: Werdet wütend über die derzeitigen Zustände auf der Welt und tut etwas, selbst wenn es nur etwas Kleines ist; denn wie sagte Zack de la Rocha so schön in »Freedom«? »Anger is a gift«.
Hier noch ein paar Songs zur vollständigen Agitation:
Beitragsbild: © Happy Mag