Wohnsinn Kolumne: Meine Lieblings-Wohnheimsmomente
Nachdem fast ein ganzes Jahr bestehend aus tagtäglichem Corona-Wahnsinn vorübergegangen ist, lassen nun Mitte Dezember allmählich die Kräfte nach: Das seit Monaten ausbleibende Sozialleben, das man als Student*in in früheren Semestern so sehr genossen und zelebriert hat, verdrängt man während der nebligen und immer grauen Wintermonate nicht mehr so leicht wie das noch im Sommer der Fall war. Nun sitze ich hier in meiner WG-Küche und sinniere zusammen mit meiner Mitbewohnerin über meine vergangenen Student*innen-Erlebnisse, die sich noch vor einem Jahr hauptsächlich rund um das Studentenwohnheim in der Dr.-Gessler Straße, Königswiesen, abgespielt haben.
von Verena Gerbl
Von alledem ist heute nicht mehr viel übrig: Vor einem dreiviertel Jahr, direkt zu Beginn der Pandemie im März, bin ich von dort aus- und in meine jetzige WG eingezogen – was sich im Nachhinein durchaus als wahrer Glücksgriff herausgestellt hat. Das Student*innen-Leben, welches ich sechs Semester lang im Wohnheim inklusive einer von acht Mitbewohner*innen geteilten Küche führte, wurde nicht nur durch den Umzug in eine Zweier-Wohngemeinschaft komplett umgekrempelt, auch das Corona-Virus hatte hierbei mächtig seine Hand mit im Spiel. Das Sommersemester gestaltete sich dank vieler Abende nahe der Donau und an der OTH-Wiese mit Freund*innen an der frischen Luft noch durchaus angenehm, auch wenn Bars und Clubs leider größtenteils geschlossen bleiben mussten. Das Wintersemester präsentiert das Virus nun von seiner nervenaufreibendsten Seite: Sozialkontakte werden auf das mindeste reduziert, da man sich draußen bei der aktuellen Wetterlage eher selten und wenn dann möglichst kurz aufhält. Kurzum: Außer meiner Mitbewohnerin und wenigen engen Freund*innen sehe ich kaum mehr Menschen – sieht man von der Plattform Zoom einmal ab. Das ist teilweise auch gut so, denn die Hygieneverhältnisse in meinem alten Wohnheim, die ohne Virus schon oftmals zu wünschen übrigließen – darauf zurückzuführen, dass sich grundsätzlich niemand für den Müll oder den Abwasch zuständig fühlte, da die Schuld für Stehengebliebenes gerne und oft auf andere abgeschoben wurde – haben sich seit Beginn der Pandemie mutmaßlich verschlechtert. Aus diesem und vielen anderen Gründen bin ich daher wirklich froh, nun in einer beschaulicheren Wohngemeinschaft zu leben. Trotzdem verspüre ich hin und wieder doch so etwas wie Wehmut, wenn ich zurückdenke an »damals«. Im Folgenden eine kleine Hitparade meiner persönlichen Lieblings-Wohnheimserinnerungen – mit der Hoffnung, dass diese nicht nur mir ein freudiges Schmunzeln auf die Lippen zeichnen:
Platz 5
Als die Dr. Oetker Fertigpizza eines Kommilitonen so lange im Ofen schmorte, dass nach zwei Stunden nicht nur der Feuermelder losheulte, sondern auch von der Pizza nicht mehr als ein Haufen schwarzverbrannter Kohle übrigblieb: Womöglich hatte besagter Erasmus-Student damals gar nicht so großen Hunger verspürt. Auf jeden Fall muss er, sofort nachdem er seine Fertig Pizza in den Ofen geschoben hat, zurückgekehrt in seinem Zimmer deren Existenz verdrängt haben. Der Anblick der Pizza nach diesem Vorfall war – wie zu erwarten – eher unschön: Sowohl Schinken als auch Champignons konnten lediglich an ihrer Form aber kaum mehr anhand ihrer Farbe erkannt werden; die Pizza war einfach komplett kohlenschwarz gebrannt. Nach Ertönen des Feueralarms erwachte der Hobbykoch glücklicherweise noch rechtzeitig aus seinem Power-Nap, um den Brandmelder noch vor Einschalten der Feuerwehr zu deaktivieren.
Platz 4
Als man noch jeden Morgen frische Semmeln und Brezen in bester Qualität zum Frühstück kredenzen konnte, weil der Netto – trotz heruntergekommener Optik – aufgrund von Bauarbeiten übergangsweise in einem Zelt untergebracht direkt nebenan lag. Dieser Umstand bedeutet zudem, dass man auch um 19:50 Uhr noch ohne schlechtes Gewissen eine Tafel Schokolade als Nervenfutter für eine ausufernde Nachtschicht zur Klausuren-Vorbereitung besorgen kann. Heute muss ich bei Vorfinden eines leeren Kühlschranks eine durchaus längere Anfahrt in Kauf nehmen oder meinen Schokodrang mithilfe einer Tasse Cappuccino mit ganz viel Kakaopulver auf den nächsten Tag verlegen.
Platz 3
Als es noch gang und gäbe war, sich jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit mit aus heutiger Sicht utopisch wirkenden zehn Personen in einer Wohnheimküche einzufinden, um gemeinsam Plätzchen zu backen, ganz viel leckersten Glühwein zu genießen und im Laufe des voranschreitenden Abends immer schräger zu »Last Christmas« zu singen. Heute überkommt mich dabei eher die Furcht, meine Vermieterin oder unsere Nachbarn mit meinem schrägen Gesang in die Flucht zu schlagen.
Platz 2
Als die geteilten Wohnheimküchen noch die Möglichkeit boten, sich leckeres Essen unangemeldet bei Wohnheimkolleg*innen abzustauben, und man sich dabei überhaupt nicht schämen musste, weil eine Packung Paula-Pudding als Entschädigung durchaus durchging. Und für unsere Wohnheimkolleg*innen unsere pure Anwesenheit ohnehin den Abend versüßte.
Platz 1
Als man mit Freund*innen auf dem winzig kleinen Wohnheimbalkon, in Decken eingehüllt und mit Kissen ausgestattet, stundenlang bei einem Glas Wein (oder mehr) über Gott und die Welt plaudern und zeitgleich die schönen, lauen Sommerabende genießen konnte, obwohl man sich ursprünglich nur auf einen Nachmittags-Lernpausen-Kaffee treffen wollte. Nach stundenlangem Quatschen und Lachen stießen dann oftmals auch noch weitere Nachbar*innen hinzu, bis irgendwann spät in der Nacht der Platz auf dem Balkon dann fast zu eng wurde.
Nächste Woche begrüßt die Wohnsinn-Kolumne dann ein neue Autorin in ihren Reihen: Freut Euch auf die Erlebnisse aus Paulas Wohnalltag.
Beitragsbild: STWNO