Schon ausgeklöppelt?
Über eine fast vergessene Handwerkskunst und eine Frau, die in Zeiten der COVID-19-Krise ihre Leidenschaft zur Berufung machte.
von Kati Auerswald
Weihnachten rückt immer näher und damit die – oft verzweifelte – Suche nach dem passenden Geschenk. So entscheidet nicht selten der*die ein*e oder andere, seinen*ihren Liebsten etwas Selbstgemachtes zu schenken – damit werden Handwerkskünste wie das Stricken oder Häkeln immer populärer und finden sowohl privat als auch auf Weihnachtsmärkten immer mehr Zuspruch. Doch was ist eigentlich Klöppeln und welche Bedeutung hat diese fast vergessene Handwerkskunst noch in ihrer Ursprungsregion, dem Erzgebirge? Ich habe bei Antje Auerswald, die sich mit einem eigenen Onlineshop für handgefertigte Klöppelware selbstständig gemacht hat, nachgefragt.
Aber Moment mal – Klöppeln? Was soll das denn bitte sein?
Das Klöppeln ist eine sehr alte Handarbeitstechnik, bei der mittels Klöppel – so werden die spindelförmigen, aus Holz gefertigten Spulen genannt, die mit Garn umwickelt sind – verschiedene Spitzenmuster und Motive entstehen. Nicht zu verwechseln mit Häkelware, denn beides wird gerne auf traditionellen Handwerks- oder Weihnachtsmärkten angeboten.
Die (lange) Geschichte des Klöppelns
Frühe Zeugnisse der Klöppelkunst stammen aus Italien und Flandern. Doch auch in Frankreich, Spanien und Portugal nahm es einen großen Stellenwert ein, bis es im 16. Jahrhundert in Deutschland, zunächst im Erzgebirge, eingeführt wurde.
Eine alte Geschichte – ob sie wahr ist oder nicht, lässt sich nur munkeln – besagt, dass die Spitzenklöppelei im Erzgebirge im Jahre 1560 auftauchte. Eine geflüchtete Frau soll im erzgebirgischen Annaberg bei Familie Uthmann untergekommen sein und ihrer Gastgeberin Barbara Uthmann das Klöppeln beigebracht haben, welche das Klöppeln von da an in der Region bekannt machte.
Kurz darauf gründete Frau Uthmann eine Klöppelwerkstatt, wo junge Mädchen fortan das Klöppeln lernen konnten. Sie vermarktete die geklöppelten Spitzen und war – zur damaligen Zeit eine Sensation – mit einem Mal Großverlegerin für 900 »Klöppelmädchen«. So entstand ein neuer Industriezweig, von dem besonders Bergwerksfamilien als Verdienstquelle profitierten. Jahre später, um 1700, war das Handwerk so gut eingegliedert, dass es bereits über 10.000 »Klöppler*innen« und kurz darauf sogar 15.000 gegeben haben soll. Jetzt gab es in der Verbreitung der Klöppeltechnik keinen Halten mehr, sodass sich das Handwerk fortan weiter ausbreitete: vom Erzgebirge in den Harz, nach Plön, Liebenau bei Nienburg/Weser, Lügde bei Lippe, in die Schwäbische Alb und bis nach Abenberg bei Nürnberg.
Da handgeklöppelte Ware sehr aufwendig in der Herstellung war und ist, konnten sich im 19. Jahrhundert nur reiche Bürger*innen diese Luxusartikel leisten. Erst als man* mit der Industrialisierung auch Maschinenspitzen hergestellte, wurden Klöppelwaren erschwinglicher, was die Klöppelfrauen jedoch enorm unter Druck setzte. Doch die inzwischen über 50.000 Klöpplerinnen, die es allein im Erzgebirge um 1850 herum gab, ließen sich nicht unterkriegen, sondern klöppelten fleißig weiter.
Um 1900 entstanden die ersten richtigen Klöppelschulen, wo immer mehr Kindern bereits in jungen Jahren das Klöppelhandwerk gelehrt wurde. Die Intuition dahinter war, dass man* versuchen wollte, durch hochwertige Qualität die Klöppelkunst weiterhin wettbewerbsfähig zu machen und Armut und Landflucht entgegen zu wirken. Das gelang: Noch Mitte der 1920er Jahre wurden aus dem Erzgebirge handgeklöppelte Hochzeitskleider bis in die USA importiert.
Seit den 1970er und 80er Jahren ist das alte Handwerk wieder in ganz Europa begehrt. Zu dieser Zeit wurden die ersten Klöppelverbände gegründet mit dem Ziel, die alte Handwerkstechnik generationsübergreifend weiterzugeben und zu erhalten. Noch heute gibt es besonders im Erzgebirge Klöppelschulen, die junge Menschen in der Klöppeltechnik unterrichten. Selbst an Volkshochschulen werden jeweilige Kurse angeboten. Der einzige Unterschied heute ist wohl, dass das Klöppeln nun mehr eine Freizeitbeschäftigung als eine mühselige Verdienstquelle ist.
»Besonders in schwierigen Zeiten müssen wir mutig sein, neue Wege zu gehen.« – Antje Auerswald
Das 21. Jahrhundert ist eine Zeit, in der mit der richtigen Einstellung, dem richtigen Wissen und der richtigen Portion Glück Hobby und Beruf vereinbar sind – zur Freude vieler Berufstätiger. Eine dieser Personen, die ihre Leidenschaft zu einem Nebenverdienst umfunktioniert hat, ist Antje Auerswald.
Die im Erzgebirge geborene und aufgewachsene, gelernte Hauswirtschafterin wurde acht ganze Jahre in einer der einst zahlreichen Klöppelschulen unterrichtet. Viele Jahre lang ging sie ihrem Lieblingshobby nach und beschenkte Freunde und Familie mit handgefertigten Klöppelwaren – ihre Spitzen-Deckchen und Aufhänger standen dabei ganz hoch im Kurs.
Als das Hobby mehr und mehr zur Leidenschaft wurde, nahm die Idee, die handgemachten Unikate auf einem lokalen Weihnachtsmarkt zu verkaufen, Gestalt an. Bis Corona kam und Antje Auerswald einen Strich durch die Rechnung machte, sodass sie gezwungen war, sich einen alternativen Weg zu überlegen.
»Am Anfang war ich natürlich frustriert. Die Herstellung meiner Klöppelware hat mich ein ganzes Jahr gekostet und ich hatte fest mit dem diesjährigen Weihnachtsmarkt gerechnet – bis alle abgesagt wurden. Da stand ich dann erstmal da mit meiner ganzen Ware und wusste nicht, wohin damit. Bis meine Kinder mich ermutigt haben, einen Onlineshop zu eröffnen, um dort alles anzubieten.« Das tat sie auch. Antje Auerswald meldete ein Gewerbe an, gründete das Unternehmen und den gleichnamigen Onlineshop »Klöppelliebe«, um ihre Unikate dort statt auf dem geplanten Weihnachtsmarkt zu verkaufen.
»Im Erzgebirge ist das Klöppeln bis heute ein fester Bestandteil der Kultur, besonders in meiner Kindheit. Wo hier die Kinder zum Fußballverein gehen, werden sie im Erzgebirge in die Klöppelschule geschickt.« Antje Auerswald erzählt von einer Zeit, in der die Männer im Bergwerk gearbeitet und die Frauen zuhause waren. Sie hätten sich um Kinder und Haushalt gekümmert – und geklöppelt. In erster Linie, um ihr Einkommen zu sichern. Besonders für die Kinder sei es prägend gewesen, wenn sie von klein auf der Mutter beim Drehen und Kreuzen der Klöppel zusahen oder mit anpackten und das Garn um die spiralförmigen Spulen wickelten.
»Als ich meinen Shop aufbaute, ging es mir nie um Profit, sondern darum, ein Stück Freude weiterzugeben. Selbstgemachte Geschenke sind gerade in der Weihnachtszeit beliebt und authentisch, da sie einzigartig sind. So wie meine Klöppelware.« Antje Auerswald nutzte die Corona-Krise für sich, um ein Unternehmen zu gründen und möchte dazu beitragen, das fast vergessene Handwerk neu aufleben zu lassen.
Doch wie ging es weiter und vor allem – wie sieht die Zeit in und nach der Krise für sie aus? »Die nächsten Schritte waren dann, mein Unternehmen auf Facebook und Instagram anzumelden, um die Leute auf meinen Shop aufmerksam zu machen – denn jetzt sind sie darauf angewiesen, typische Weihnachtsmarkt-Geschenke online zu kaufen. Und egal wie sich mein Shop in Zukunft schlagen wird, ich liebe was ich tue, also bleibe ich optimistisch; ob in der Krise oder nach der Krise – insofern es eine Zeit nach der Krise geben wird.«