Wohnsinn: Mein Freund, die Mikrowelle?
Mikrowellen können selbst in der kleinsten Wohnung den studentischen Hunger stillen. Ich hatte diese Erfahrung bis vor kurzem noch nicht, bis der Ofen in der Küche den Geist aufgab.
von Yvonne Mikschl
Ich wohne jetzt seit über zwei Jahren in der Studentenstadt Pentling. Und eigentlich bin ich auch sehr zufrieden mit allem. Es sind so Kleinigkeiten, die mich ärgern: die lange Fahrt mit dem Bus an die Uni oder in die Stadt, der Hausberg, den ich nach dem Einkauf laufen muss, die gelegentlichen Feueralarme. Oder dass die Waschräume, von denen ich bereits erzählt hatte, nun wegen Diskrepanzen zwischen Vermietern und dem Betreiber ausgerechnet während des Lockdown light gesperrt wurden … Kleinigkeiten eben, die zwar existieren, alles in allem die Ruhe und die zweiundzwanzig Quadratmeter Wohnfläche durchaus rechtfertigen.
Vor einigen Wochen ist wieder gefühlt alles zusammengekommen, was nicht zusammenkommen sollte. Nicht nur die Halterung des Duschkopfes meinte da, sie müsste sich selbstständig machen – das war mit Sekundenkleber und einigen Diskussionen schnell repariert. Doch wenn der beste Freund neben der Kaffeemaschine dich verlässt, dann hast du schnell ein Problem – die Rede ist vom Ofen. Die Herdplatten funktionieren noch einbandfrei, was ein eindeutiges Zeichen einer Einbauküche und separaten Stromversorgungen darstellt. Nach Telefonaten mit meinen Eltern ging die Tendenz dahin, dass die Sicherung des Starkstroms, die nicht in meiner Wohnung liegt, durchgebrannt oder das Gerät schlichtweg zu alt war. Als ob der spinnende Kühlschrank, den man spätestens alle zwei Monate enteisen muss, nicht schon reichen würde …
Der Ofen ist jedenfalls hinüber – egal, wie man es dreht und wendet. Ein Glück, dass meine Eltern sich gut mit sowas auskennen. Der Beschluss, dass ein Ersatz hermusste, ergab sich aus der Corona-Situation. Bis der Vermieter kontaktiert, ein neues Ofengerät gekauft und angeschlossen sei, wäre das Semester vorbei. Ungünstig – so lange ohne Pommes und Chicken Nuggets aus dem eigenen Ofen wollte ich nicht leben. Da möge doch ein anderes Gerät, das mehr als nur diesen Zweck erfüllen könne, herbeigebracht werden.
Gesagt, getan: eine halbe Stunde nach Besichtigung des Schadens in meiner Wohnung besorgten wir den Ersatz. Dabei ging ein kleiner Studierendentraum von mir in Erfüllung: seit meinem Einzug wünschte ich mir eine Mikrowelle. Ich hatte von ihren Vorzügen gesehen und gehört. Die Neugier, es ausprobieren und selbst erleben zu wollen, bestand seitdem. Finanziell musste ich mir keine Sorgen machen, da meine Eltern mir diese eh zu Weihnachten schenken wollten – oder wie man zwei Fliegen mit einer Klappe schlug.
Meine Wohnung umfasst zweiundzwanzig Quadratmeter, ganz grob gerechnet. Wenn man bedenkt, dass zwei Schreibtische, ein Sideboard und ein riesiges Doppelbett bereits darin stehen, bleibt einem nur die Möglichkeit, alles nach oben zu bauen, wo es nur geht. Diese Notwendigkeit sorgte für die Idee, eine Regalformation in Form eines Ls auf meinen kleinen Schreibtisch zu stellen. Doch wo sollte man das herbekommen? Nach weiteren Diskussionen fiel meine Wahl auf eine Kallax-Kombination. Ja, IKEA, der Studentische Einrichter…
Zurück in meiner Wohnung, denn über die Fahrt vom Möbelhaus zu meiner Wohnung möchte ich gar nicht erst reden, begann der Aufbau. Jede Menge Verpackung, noch mehr Chaos auf den Tischen. Den Aufbau überließ ich mit Freuden meinen Eltern – wie sich bald zeigte, konnte ich nicht mal eine Schraube mit dem beiliegenden Imbus-Schlüssel festziehen. Die mitgekauften Einsätze ab ins Regal, die Glastür ans oberste Fach montiert. Nachdem auch die Mikrowelle in ihrem neuen Zuhause positioniert war, verabschiedeten sich auch meine Eltern – endlich kehrte wieder Ruhe ein.
Dann war es vollbracht. Alles angeschlossen, die Kaffeemaschine in einem der Fächer des Regals verbaut, das Chaos des Umbaus wieder aufgeräumt. Mittlerweile viertel nach neun, das Verpackungsplastik noch schnell für den Mülleimer zusammengetan. Mit schmerzenden Füßen – so langes Laufen bin ich ja nicht mehr gewohnt – endlich den Feierabend einläuten und den knurrenden Magen versorgen.
Und während ich meinen Blick über die Kallax-Mikrowellen-Konstruktion schweifen ließ, fragte ich mich trotz fortgeschrittener Uhrzeit, inwieweit ich mit diesem schwarzen Monstrum überhaupt klarkommen würde. Und naiverweise dachte ich zu Anfang noch, dass das mit dem Kochen dadurch leichter werden könnte. Mit einem dicken Handbuch ausgestattet ist das Ding ja. Bislang hatte ich das Teil nur für ein paar Sekunden in Betrieb – mal abgesehen davon, dass es nur dann Strom bekommt, wenn ich den Schalter an der Steckdosenleiste betätige, was bislang nur für den morgendlichen Kaffee der Fall ist.
Je länger ich an diesem Samstagabend die Mikrowelle ansah, umso mehr fiel mir die Geschichte von Christopher und dem Klavier ein. Der Musiker hatte in jungen Jahren ein Klavier geschenkt bekommen, weigerte sich allerdings vehement, Notenlesen zu lernen. Mit der Zeit wuchs der Respekt vor dem Instrument und gleichzeitig die Neugier, es ausprobieren zu wollen. Und mittlerweile waren das Klavier und der Musiker gute Freunde geworden. Vielleicht erinnerte mich die Geschichte deswegen an meine Situation, weil ich mehr und mehr darüber nachdachte, ob zwischen mir und diesem Gerät tatsächlich eine Art Freundschaft entstehen würde. Klar würde sie mich einige Nerven kosten – wie jedes technische Gerät in meiner Wohnung außer meiner Kaffeemaschine und dem Klo. Aber je mehr Zeit verging, desto schräger kam mir die Vorstellung vor. Wenigstens heitert mich bis heute der Gedanke auf, dass mich eine Mikrowelle nicht verlassen würde – jedenfalls nicht von selbst.
Kurzum: ausprobiert hab ich sie bislang nicht. Obwohl sie seit gut einem Monat in meiner Wohnung steht. Eigentlich schade, dass ich den Lockdown light gerade in meiner Heimat verbringe – da hätte ich sie doch ausprobieren können. Und wer weiß: Vielleicht werden meine Mikrowelle und ich noch Freunde …
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