Repost: Die spinnen doch, die Amis
***USA-Wahlspecial: Die kommenden Tage sollen bei der Lautschrift ganz im Zeichen der Präsidentschaftswahlen in den USA stehen.***
von Jan Fitz
Gerade in politischen Zeiten wie diesen ist es wichtig, mit dem Finger auch gleich mal auf ganze Nationen zu zeigen. Seit Jahren bekriegen sich in den USA die zwei größten Parteien – Republikaner und Demokraten – auf Rednertribünen, im Fernsehen, in der Zeitung und am Esstisch. Schon längst sind die Nachteile dieses Konflikts über die Größe der Meinungsdifferenz hinausgewachsen – beide wollen doch nur das Beste für ihr Land. Und um das auf ihre Weise zu tun und um zu verhindern, dass die anderen es auf deren Weise tun, spalten sie das Land und hinterlassen tiefe Wunden. Wenn der Streit über die »richtige« Regierung so weitergeht, wird das Land letztendlich verkrüppelt zurückbleiben. Die USA sind stolz auf ihre Geschichte und sich selbst. Das Problem ist, dass dieser Stolz sie daran hindert, Kritik an sich selbst zu üben – ein elementarer Schritt im Prozess der Selbstverbesserung – und es ihnen unmöglich macht, Kritik von außerhalb als etwas anderes als Beleidigungen zu erkennen. Ein Weltbild, das nicht auf Rechten und Rationalität basiert, sondern auf Stolz, ist beinahe unangreifbar. Vergleichbar mit einer großen Gruppe von Ja-Sager*innen werden die Ja-Rufe in den USA immer extremer. Es gibt zwar Gegenrufe, die oft genauso extrem sind, aber die Stimme der Vernunft wird einfach totgeschrien. Welche*r Patriot*in will schon hören, dass sein oder ihr Vaterland nicht perfekt ist? Die USA können es sich nicht mehr leisten, sich selbst in dieser fast vollständig globalisierten Welt als Zentrum allen Geschehens zu sehen. Sie müssen den Blick nach außen wenden. Vielleicht sehen sie dann, dass wir Menschen ganz andere Probleme haben, die nur gemeinsam gelöst werden können.
Dieser Artikel erschien als Rubrik »Die spinnen doch, die …« bereits in der 28. Ausgabe der Lautschrift. In dieser Rubrik werden Traditionen, Bräuche und sonstige Beobachtungen in verschiedenen Länder – mal witziger, mal ernster – vorgestellt. Die gesamte Ausgabe 28 findet ihr hier noch einmal in voller Länge.
Beitragsbild: © Jonathan Simcoe on Unsplash