Nachhaltig, sozial und auch noch lokal?
Regensburger Studierende gründeten das Projekt nahtlos, welches eine Gegenbewegung und ein Statement gegen Fast Fashion bildet. Nachhaltig, sozial und lokal soll es sein und dazu passend gab es im Regensburger Füllgut vor einiger Zeit eine Kleidertauschaktion. Der Flyer zu dieser Aktion fiel mir in meiner Klausurenphase in die Hände…
von Lea Wöhl
Nachhaltigkeit scheint das neue Trendwort zu sein und man hört es zurzeit überall. Manchmal habe ich eher das Gefühl, Firmen springen nur des Trends willen auf diese »Welle« auf, weil es gerade einen großen viel Anklang in der Bevölkerung für Nachhaltigkeit gibt. Aber kann man sich wirklich sicher sein, dass die Produkte nachhaltig produziert wurden?
Mitten in meiner Klausurenphase fiel mir ein Flyer zu einer Kleiderspende-Aktion in den Schoss – ein Projekt von Studierenden aus Regensburg: Sophia Kranz und ihr Team vom Projekt nahtlos haben sich genau das zum Ziel gesetzt: wirklich nachhaltig sein und dabei auch noch soziale Projekte unterstützen.
»Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft« titelte der Flyer. Ich wollte wissen, was genau hinter der Aktion steckt und verabredete mich mit Sophia Kranz, der Hauptverantwortlichen für das Projekt per Zoom.
Was genau ist euer Projekt und welche Idee steckt dahinter?
Das Problem mit Fast Fashion ist, dass durch sie pro Jahr 92 Millionen Tonnen Müll und 1,1 Millionen Tonnen Altkleidung in Deutschland entstehen. Auch in ihrer Herstellung ist Fast Fashion alles andere als nachhaltig: weltweit 1.458 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emission pro Jahr. Diese Zahl hört sich schon gewaltig an, zum Vergleich: Das ist mehr als alle internationalen Flüge und Seeschiffarten zusammen erzeugen. Neben der Treibhausgasemission schlägt auch der Verbrauch von Milliarden Kubikmetern Wasser und Tonnen von Erdöl zu Buche. Von den Arbeitsbedingungen für Textilarbeiter*innen oder den Chemikalien, die in die Wasserwege gelangen noch nicht angefangen. Die Liste an Kosten für Fast Fashion ist lang.
In Deutschland gibt es aber noch ein ganz anderes Problem: Was passiert mit der Kleidung, wenn keiner sie mehr tragen möchte oder es vielleicht doch ein Fehlkauf war? 18 Prozent gelangen in die Altkleidersammlung und davon wiederum werden nur 18 Prozent recycelt oder kommen in Second Hand Läden. Sprich 82 Prozent der Kleidung landen im Restmüll und anschließend auf der Müllhalde oder in der Müllverbrennung. Wie schon erwähnt: 92 Millionen Tonnen Müll entstanden durch die Produktion und Entsorgung von Modeartikeln im Jahr 2015. Prognose ansteigend.
Die Idee ist einfach: Altkleider-Upcycling und anschließend Verkauf.
Und woher kommen die Klamotten?
Im Moment kommt die Kleidung vor allem aus Secondhandläden oder eben aus Aktionen, wie der Kleiderspendenaktion im Füllgut. Langfristig planen wir aber, einen Kleidercontainer an der Uni aufzustellen.
Wie genau startete das Projekt und wo genau ist der soziale Aspekt in eurem Projekt?
Im Mai 2019 kamen die ersten Ideen auf und es fanden erste Gespräche mit Kooperationspartner*innen statt. Jetzt arbeiten wir mit der Medbo (Anmerkung der Redaktion: Medizinische Einrichtungen des Bezirks Oberpfalz) und der Lebenshilfe zusammen. Die Kleidung wird sortiert, teilweise schon in den Secondhandläden oder dann bei der Medbo bzw. bei der Lebenshilfe. Na und dann geht’s los mit dem Upcycling, also dem Verarbeiten der Alttextilien zu neuen, nachhaltigen Produkten. Dies passiert bei der Lebenshilfe und bei der Medbo. Vorher haben wir viel ausprobiert und genäht und liefern dann die Prototypen und Schnittmuster.
Seit Januar 2020 sind wir jetzt in der Produktion. Es geht nicht nur um Upcycling, welches in Kooperation mit sozialen Projekten stattfindet, sondern wir wollen auch aufklären über Nachhaltigkeit und die Produktion von Kleidung. Zum Beispiel beim Verkauf der Produkte.
Wie sieht es mit dem Abhängigkeitsverhältnis der Kooperationspartner*innen aus?
Im Moment arbeiten wir mit der Arbeitstherapie der der Medbo zusammen. Das Nähen für nahtlos ist für die Straftäter*innen ein Teil der Arbeitstherapie. Einfach gesagt: Sie bekommen durch das Nähen für nahtlos eine Aufgabe. Ähnlich ist es bei der Lebenshilfe: In der Behindertenwerkstatt werden die Altkleider im Moment nur gewaschen; die Idee ist aber, dass dort später auch Produkte genäht werden sollen. Verpackung und Versand erfolgt auch direkt bei den Kooperationspartner*innen. Die Einnahmen werden reinvestiert und gespendet, denn am Ende ist es das Ziel, das Projekt ganz an die Kooperationspartner*innen zu übergeben. Die Kooperationen sind als Projekt »Hilfe zur Selbsthilfe« gedacht. Es gibt, wie bei eigentlich allen Enactus-Projekten* eine Exit-Strategie: Das bedeutet, dass das Projekt irgendwann ganz an die Kooperationspartner übergeben wird und wir uns dann völlig rausziehen.
Welche Stolpersteine gab es auf dem Weg?
Die erste und wahrscheinlich größte Hürde war es, geeignete Kooperationspartner zu finden. Kleinere Stolpersteine auf dem Weg waren Dinge, an die wir zuerst gar nicht gedacht haben. Bei der Planung des Projekts haben wir noch daran gedacht, das Waschen der Klamotten zu organisieren. Das läuft jetzt aber richtig gut in der Wäscherei der Lebenshilfe. Deswegen stehen wir in engem Kontakt mit den Leiter*innen der Projektpartner.
Die Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern ist in gewisser Weise auch ein Unsicherheitsfaktor, da es häufig keine konstante Produktion gibt: es gibt also ein wöchentliches Update von der Medbo, da die mentale und emotionale Verfassung der Menschen und daher ihre Arbeitszeit für die Herstellung sehr unsicher und unterschiedlich sein können.
Was sind die Produkte und klappt das mit dem nachhaltigen Versand auch zu Corona-Zeiten, wenn immer mehr über Online-Verkauf läuft?
Unsere Produkte sind Stofftaschentücher, Besteckbeutel – ein Auftrag vom Füllgut –, Obst- und Gemüsebeutel, Stoffpads und Scrunchies. Wir haben noch ganz viele Ideen, die wir bald umsetzen wollen. Wichtig ist uns, dass es echte Upcycling-Produkte sind und nur Kleinigkeiten dazugekauft werden müssen, wie Nähgarn, Kordel aus Bio-Wolle oder Gummis für Scrunchies. Ob der Versand über Website nachhaltig ist? Ja, das ist noch ein großer Punkt bei uns, über den wir aktuell viel diskutieren. Wir arbeiten an einem Konzept. Unsere aktuelle Idee sind recycelte Versandtaschen.
* Enactus ist eine Non-Profit-Organisation und zählt zu den größten internationalen Studierendenorganisationen der Welt. Das Ziel: Die Welt im Kleinen mit einem unternehmerischem Ansatz verbessern!
Beitragsbild: Besteckbeutel, Abschminkpads und Obstbeutel ©Nahtlos Instagram