Wohnsinn-Kolumne: Das Kakao-Experiment
Na, wer von euch hat schonmal sein Essen auf dem Herd vergessen und konnte es am Ende nur noch rabenschwarz aus dem Topf kratzen? Dann kann die eine oder der andere vielleicht die folgende Anekdote mit einem Schmunzeln nachvollziehen. Aber habt ihr schonmal überlegt, welches Potenzial in eurem verkohlten Mittagessen steckt?
von Selina Roos
Ich war gerade dabei, mein morgendliches Yoga-Programm zu absolvieren, als mir ein leichter rauchiger Geruch in die Nase stieg. »Ach, da raucht oder grillt wohl schon wieder jemand«, dachte ich mir. Von der Leidenschaft eines Nachbarn, regelmäßig auf seinem Balkon schräg unter unserem zu grillen, wusste ich zumindest und gelegentlich verirrte sich auch etwas Zigarettenqualm bis an mein Fenster. Also stand ich von meiner Yogamatte auf, um das gekippte Fenster zu schließen. Rauchgeruch beim Entspannen muss ja nicht sein.
Am Fenster stehend dachte ich dann: »Komisch, hier kommt der Geruch gar nicht her.« Und als nächstes: »Oh shit.« Im Laufschritt war ich schnurstracks an meiner Zimmertür, riss sie auf und registrierte die diesige Luft im Flur. Irgendwas war schiefgelaufen. Im nächsten Moment stand ich in der verqualmten Küche; wie ferngesteuert riss ich den Topf vom voll aufgedrehten Herd, in dem sich eine undefinierbare kohlrabenschwarze Masse befand, stellte die Hitze ab und öffnete das Fenster.
Was ich währenddessen gerufen habe, weiß ich nicht mehr, aber damit hatte ich offensichtlich meine Mitbewohnerin alarmiert. Mit einem Ohr am Telefon versorgte sie dann ihr gescheitertes Koch-Experiment, das sie im Gespräch wohl einfach vergessen hatte. Später sagte sie, dass sie sich eigentlich nur Kakao machen wollte.
Nun man kann das einfach als Kochunfall oder eher als Unachtsamkeit deklarieren und nicht weiter darüber nachdenken. Ein Experiment war es aber doch irgendwie: Wäre meine Mitbewohnerin Naturwissenschaftlerin, hätte sie schließlich einwandfrei den Kaloriengehalt ihres Kakaos ermitteln können. Denn der (thermodynamische) Brennwert eines Nahrungsmittels wird laut der allwissenden Wikipedia auch nicht viel anders ermittelt: Indem man es in einem Stahlbehälter zu Asche verbrennt. Klingt doch nach Kochen, oder?