Wohnsinn-Kolumne: Studium im Homeoffice – gewusst wie
Es ist gerade möglich, im Bett oder beim Frühstück an Vorlesungen teilzunehmen und Webinare machen ein vollständig alltagstaugliches Outfit optional. Doch auch jetzt gibt die Uni bei den meisten Studierenden den Takt an. Nur bei mir nicht – Bachelorarbeit. Wegen der Schließungen musste ich mich von produktiven Bib-Sessions verabschieden, alle Arbeit in mein WG-Zimmer verlagern und mich auch ein bisschen neu erfinden.
von Selina Roos
Auch in Zeiten von Zoom-Vorlesungen und digitalen Lernkonzepten richtet sich der Alltag der meisten Studierenden immer noch stark nach den Uni-Veranstaltungen. Bei mir ist das ein bisschen anders, da ich gerade an meiner Bachelorarbeit sitze und ansonsten nur einen Hiwi-Job habe, der derzeit aber auch aus dem Homeoffice stattfindet. Und da bis Anfang dieser Woche noch alle Arbeitsplätze in den Lesesälen gesperrt waren und Cafés für mich keine Option sind, blieb da nur eins: von Zuhause aus arbeiten.
Hätte man mir noch vor wenigen Monaten gesagt, dass ich meine Bachelorarbeit von Zuhause aus organisieren würde, hätte ich es nicht geglaubt. Ich bin einfach viel zu leicht abzulenken, wenn ich mich in einer gewohnten und gemütlichen Umgebung wie meinem Zimmer befinde. Dann ist da auch noch meine Mitbewohnerin, mit der man sich allzu schnell verquatschen kann und wenn ich nicht aufpasse, denke ich ständig an Essen, oder esse, oder gehe einkaufen, um Essen zu holen. Mein Zimmer war jedenfalls immer ein Ort zum Schlafen und Entspannen, manchmal auch zum Erledigen von kleineren Aufgaben. Aber nie saß ich regelmäßig stundenlang am Schreibtisch.
Für das wirklich produktive Arbeiten war ja immer die Bib da. Meiner Produktivität tat der Ortswechsel sehr gut, aber auch dieses Gefühl, beobachtet und irgendwie »kontrolliert« zu werden. So blieb ich länger fokussiert und hatte auch kaum Möglichkeiten, mich in einem Raum voller Bücher großartig abzulenken. Der nächste Kühlschrank war zumindest in weiter Ferne.
Ich stand also zu Beginn der Corona-Krise vor der Herausforderung, mir für mein »Homeoffice« auch einen neuen Alltag bauen zu müssen. Da ich mich sonst viel am Tagesrhythmus von anderen orientiert habe, was zum Beispiel das Mittagessen in der Mensa angeht, hatte ich nun auch hier freie Hand – was hinderlich und hilfreich zugleich war. Einerseits konnte ich mich nun ganz darauf konzentrieren, wie eigentlich der für mich optimale Tagesablauf war, andererseits entfiel auch die »Kontrolle« von außen, die alles ein bisschen ordnete und dem Tag Struktur gab.
Es ist schon bemerkenswert, wie eigenartig entkoppelt ich mich damit fühlte: von Konventionen wie der, dass pro Tag drei Mahlzeiten notwendig seien, von üblichen nine-to-five Arbeitszeiten, einfach von der restlichen Welt.
Das hat jetzt vielleicht einen Hauch von Instagram-Esoterik, aber eine Morgenroutine (ohne Handy!) half mir, einen ruhigen und konzentrierten Start in den Tag hinzulegen. Auch das fokussierte Arbeiten geht mir danach einfacher von der Hand. Ich bin zwar immer noch nicht hundertprozentig synchron mit üblichen Arbeits- und Essenszeiten, aber das war auch nie mein Ziel. Es gibt schließlich auch Menschen, die erst abends ihre produktive Zeit haben und dann eben bis nachts um drei durcharbeiten. Dazu gehöre ich zwar nicht, aber – und das wusste ich eigentlich schon länger – auch nicht zu der allerersten Frühschicht. Nur jetzt, ohne diesen Druck von außen und ohne das Gefühl, ständig irgendeinem täglichen Zeitplan hinterherzurennen, fühlte ich mich das erste Mal auch gut damit. Weil ich weiß, dass ich auch ohne die zeitliche Konformität mit anderen produktiv sein kann. Und das ist für mich das Ziel.
Im nächsten Wohnsinn gibt es dann wieder News von Kati.