Mitternachtskino #2 – Coffy und Foxy Brown
In der heutigen Vorstellung bleiben wir zwar in den 1970ern, wechseln allerdings vom fernen Osten der Weltkarte in den Westen, namentlich in die USA. Passend zur zweiten Ausgabe des Mitternachtskinos gibt es heute ein Doublescreening, bestehend aus Coffy (1973) und Foxy Brown (1974). Beide Filme fahren mit einem ähnlichen Sujet auf, beide glänzen mit der bezaubernden Pam Grier in der Hauptrolle, beide sind Perlen des Blaxploitation-Genres – und haben einen durchaus hohen Stellenwert in der Filmgeschichte.
von Elias Schäfer
Noch eine kurze Erklärung zum Format vorneweg: Die hier vorgestellten Filme können alt oder neu sein, ein bestimmtes Genre spielt auch keine Rolle – das einzige, was diese Filme verbindet, ist, dass sie unkonventionell und abseits des Mainstreams zu finden sind, ganz im Sinne der Midnight Movie Vorstellungen der 60er und 70er Jahre. Oft beinhalten solche Streifen allerdings explizite Darstellungen jeglicher Art, weshalb ich hier ein Content Warning aussprechen muss, falls jemand lieber nichts über sensible Themen lesen möchte.
Pam Grier und das Blaxploitation-Kino
Das Bild der starken, selbstbewussten schwarzen Frau, was zurzeit in der Popkultur von Musikerinnen wie Megan Thee Stallion, Saweetie oder Doja Cat repräsentiert wird und leider gerade erst in letzter Zeit wirklich Anklang gefunden hat, hat Pam Grier, als wohl bekanntestes Beispiel, schon in den 70ern in ihre Rollen inkorporiert. Die in North Carolina geborene Schauspielerin hatte vor Beginn ihrer Karriere kein wirklich schönes Leben: Aufgrund der Tätigkeiten ihres Vaters im Militär musste die Familie oft umziehen, mit sechs Jahren wurde Pam Grier von zwei Nachbarsjungen vergewaltigt, im College wurde sie auf einem Date ebenso Opfer sexueller Gewalt. Kurz nach ihrem Umzug nach Los Angeles Ende der 60er bekam sie ihre ersten Rollen als Schauspielerin in Low Budget Produktionen; am nennenswertesten sind hierbei die beiden Frauengefängnisfilme The Big Doll House (1971) und The Big Bird Cage (1972) des Exploitation–Regisseurs Jack Hill, der Grier praktisch entdeckte. Damit war sie von Anfang an in dieses umstrittene Genre involviert.
Das Leben für AfroamerikanerInnen war aufgrund des grassierenden Rassismus gerade in den 1960ern und 70ern alles andere als angenehm. Die Bürgerrechtsbewegung verlief – trotz einiger Erfolge – durch die Ermordung derer Ikonen, Martin Luther King und Malcolm X, im Sande, weshalb zu diesem Zeitpunkt eine zuvor nie dagewesene, positive mediale Repräsentation schwarzer Gefühlswelten wichtiger denn je war und vom neugewonnenen afroamerikanischen Selbstbewusstsein auch gefordert wurde. Die Filmindustrie kam da natürlich auf den Riecher, Low Budget Exploitation-/Actionfilme von (meist) Schwarzen für Schwarze drehen zu lassen. Das Produkt bekam den flippigen Namen Blaxploitation, basierte auf expliziten Darstellungen von Sex, Gewalt und Kriminalität, wurde mit starken ActionheldInnen-Leads gespickt und zeigte entweder aus emanzipatorischer und halbwegs realitätsnaher Sicht den Alltag in Ghettos oder verwurstete bekannte weiße Filmreihen wie Dracula oder Frankenstein, die dann kurzerhand zu Blacula und Blackenstein wurden. Hinzu kamen noch exzellente Soundtracks von Soul- und Funkgrößen wie Isaac Hayes, Marvin Gaye oder Curtis Mayfield. Man merkt natürlich, dass Blaxploitationfilme nie wirklich den Anspruch hatten, kinematographisch besonders wertvoll zu sein, sondern hauptsächlich der Unterhaltung dienen sollten – das konnten sie allerdings gut.
»This is the end of your rotten life, you motherfuckin‘ dope pusher!«
Filme wie Shaft (1971) zeigten der schwarzen Bevölkerung der USA erstmals die Möglichkeit auf, dass auch »einer von ihnen« ein cooler, selbstbewusster, großherziger Superantiheld mit massivem Sex Appeal sein kann. Hierbei spielt Richard Roundtree einen Privatdetektiv, der auf manchmal nicht ganz so legalem Wege Gangster jagt und sich von niemandem etwas sagen lässt. Als dieser Schritt, solch einen Charakter auf die Leinwände zu bringen, geschafft war und Shaft zum Kultfilm avancierte, war die nächste logische Idee, erstmals eine Frau in die Hauptrolle solch eines Black-Power-Actionknallers zu hieven. Diese Frau war Pam Grier, die die namensgebende Figur im Film Coffy aus dem Jahre 1973 spielt. Der von Jack Hill gedrehte Streifen, der Grier zu ihrem Durchbruch als Ikone des Black Cinemas verhalf, hat nicht besonders viel im Bereich des Storytellings zu bieten, so kann das ganze Sujet in einem Satz zusammengefasst werden: Die Schwester der Krankenschwester Coffy landet im Drogensumpf und dafür will die Titelfigur an der gesamten dafür verantwortlichen Bande Rache nehmen, indem sie sich als Prostituierte ausgibt, um den Gangstern näher zu kommen, nur um sie nacheinander abzuknallen.
Dabei präsentiert Grier all ihre Qualitäten als Schauspielerin: Sie zeigt sich mal knallhart, mal sanft, mal verführerisch, mal lustig, dazu immer selbstbewusst und ihren Gegnern meist einen Schritt voraus. Und, bei Gott, sie spricht das Wort »Motherfucker«, das schon im stimmungsgebenden Opening fällt, noch cooler aus als Samuel L. Jackson. Natürlich kommt Coffy auf dem Pfad ihrer Vendetta immer wieder in prekäre Situationen, doch sie wäre nicht Coffy, wenn sie sich aus diesen nicht wieder herausmanövrieren könnte. Während selbst an sich starke Männer wie der Polizist Carter der Gang zum Opfer fallen, versucht sich Coffy gegen den kriminellen Untergrund der Stadt, namentlich den Zuhälter King George und den Mafiaboss Arturo Vittroni, durchzusetzen, bis es zum finalen Showdown gegen jemanden kommt, den sie eigentlich für integer gehalten hätte. Coffy schafft es, so ziemlich jeden Mann, mit dem sie interagiert, zu komplett dummen Sachen zu bewegen, indem sie diesem Sex mit ihr in Aussicht stellt, nur um ihn am Ende zu überlisten. Passend zu den brutalen, aber stylishen Bildern, untermalt der »Godfather of Neo Soul« Roy Ayers die Szenen mit funkigen, jazzigen und souligen Sounds, die einfach Laune machen. Coole Oneliner, farbenfrohe Outfits, fiese Frisen, nackte Körper und plumpe Gewalt runden den perfekten 70s-Sleaze-Eindruck schließlich ab.
»That’s my sister, baby… and she’s a whole lotta woman.«
Foxy Brown, das gerade mal ein Jahr nach Coffy herauskam und abermals Jack Hill an der Regie wähnte, ist eigentlich als dessen Sequel geplant gewesen, wurde dann aber doch als eigene IP vermarktet. Hier ist der Filmtitel abermals der Name der von Pam Grier gespielten Hauptfigur, die Rache an den Mördern ihres als Undercover-Cop arbeitenden Lebenspartners nehmen will und unter dem Deckmantel der Prostitution gegen das dafür verantwortliche Drogensyndikat vorgeht. Auch, wenn die Story ziemlich gleich klingt, unterscheidet sich die Machart von Foxy Brown von der von Coffy um einige Nuancen. Während Coffy eher düsterer und dramatischer war, geht Foxy Brown komplett in seinem Dasein als funky 70s-Film auf, fährt mit absolut modischen Outfits, witzigen Dialogen, wilden Schießereien und Gewaltorgien auf, die auch der Grund dafür sind, dass dieser Streifen noch populärer als Coffy wurde. Willie Hutch vom berühmten Motown Label steuert hier den perfekt auf den Film zugeschnittenen Soundtrack bei – »Oh girl, you’re cute and sweet / No, but you don’t play around / No, but please don’t make Foxy mad / Or you’ll find out that the lady is superbad«. Und »superbad« ist Foxy Brown wirklich: Auf ihrem Rachefeldzug gegen die Drogenmafia wird sie zwar immer wieder gefangen genommen oder sieht sich einer schier unbesiegbar wirkenden Übermacht an GegnerInnen gegenüber, aber schafft es dann doch immer, ihre verschiedenen PeinigerInnen in Form von weißen drogensüchtigen Rednecks, alten sexistischen Männern oder reichen rassistischen Frauen entweder zu erstechen, zu erschießen, anzuzünden oder zu kastrieren.
Foxy Brown wurde zu einem Phänomen der Popkultur und zu einem der Gesichter von Empowerment. Quentin Tarantino, als Paradebeispiel, hat sich in vielen seiner Filme an der Blaxploitation bedient, wobei die Kirsche auf der Tribut-Sahnetorte natürlich sein 1997er Werk Jackie Brown darstellt, das natürlich eine Hommage an Foxy Brown sein soll und ebenfalls Pam Grier in ihrem bislang letzten Hurra auf der großen Leinwand als Hauptdarstellerin featured. Grier selbst hat in diesen Filmen nie einfach nur eine geschriebene Rolle gespielt, sondern laut Regisseur Jack Hill viel ihrer eigenen Persönlichkeit in ihr Schauspiel und ihre Garderobenwahl eingebracht, schließlich war sie auch im echten Leben überzeugt von den von ihren Rollen dargebotenen Idealen: Sie war nie verheiratet, durchlebte sämtliche Tragödien, die ihr im Leben passierten, und besiegte auch noch den Gebärmutterhalskrebs, der bei ihr 1988 diagnostiziert wurde.
Der Wert für die heutige Filmszene
Klar, die von Coffy oder Foxy Brown gezeigte Selbstjustiz ist nicht rechtens, aber unglaublich unterhaltsam auf der Kinoleinwand anzusehen. Man fiebert nunmal mit einer Frau mit, die viel Schlimmes über sich hat ergehen lassen müssen und deren wichtigsten Menschen geschadet wurde, bis sie schließlich genug hat und mit einer Mischung aus Witz, Charme, Intelligenz und purer Brutalität gegen ihre PeinigerInnen vorgeht, die alle nacheinander kleinbeigeben müssen – es gibt nicht umsonst ein ganzes Genre rund um solche Revenge Stories. Die Blaxploitationwerke mit Pam Grier oder Cleopatra Jones-Darstellerin Tamara Dobson sind dabei keineswegs radikalfeministische und emanzipatorische Meisterwerke, dafür sind sie auch einfach etwas aus der Zeit gefallen und den Darstellerinnen haftet immer noch das typische Sexbomben-Klischee an. Hinzu kommt, dass manchmal das homophobe F-Wort fällt, dann wird mal total grundlos auf Brüste gezeigt, nur, damit man Brüste sieht. Es wird viel Gewalt gegen Frauen dargestellt, was nicht so leicht anzusehen ist, aber sich schließlich doch »auszahlt«, wenn die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Trotz alledem ist diese Form von Film wichtig in dem Sinne, dass vor allem nicht ganz so fröhliche Lebensrealitäten von AfroamerikanerInnen gezeigt werden, die eine starke Hauptfigur dann doch noch überwindet und die ZuschauerInnen mit einem guten, aufbauenden Gefühl zurücklässt. Es ist jeder Person ersichtlich, dass Blaxploitationfilme vor Stereotypen und Logiklöchern nur so strotzten und oft zur schnellen Geldmache gedreht wurden, was ihnen in vielen Kreisen keinen besonders guten Ruf einbrachte. Nichtsdestotrotz boten sie erstmals in der Geschichte schwarzen SchauspielerInnen eine Plattform, in starken Rollen zu glänzen, ohne von weißen KollegInnen verdrängt oder nichtig gemacht zu werden. So sagte Pam Grier selbst 1979 in einem Interview mit Essence: »Why would people think I would ever demean the Black woman? I was tried and convicted without being asked to testify in my defense. Sure, a lot of those films were junk. But they were what was being offered. They provided work for me and jobs for hundreds of Blacks. We all needed to work. We all needed to eat.«
Selbst, wenn die ursprünglichen Filme der 70er längst nicht mehr allen im Gedächtnis beblieben sind, sind sie als ein Stück Filmgeschichte auf jeden Fall empfehlenswert, sowie mit einer jeweiligen Laufzeit von knapp 90 Minuten gemütlich ansehbar. Ihre Ideen der afroamerikanischen Emanzipation und Stärke leben beispielsweise im New Black Cinema der 90er oder bis hinein in unsere Zeit durch Remakes von Shaft (2000, 2019) oder Superfly (2019) und Produktionen wie Django Unchained (2012) oder BlacKkKlansman (2018) weiter – ja, selbst solch einen Riesenblockbuster wie Black Panther (2017) hätte es nicht gegeben, hätten Pam Grier, Richard Roundtree, Tamara Dobson, Richard Pryor und viele andere schwarze SchauspielerInnen und Regisseure nicht die Vorarbeit vor knapp 50 Jahren dafür geleistet.
Bewertung: Sieben von zehn von Pam Grier ausgesprochenen »Motherfucker«s.
Beitragsbild: © American International Pictures