»The Who and The What« – eine Rezension zum neuen Stück im Theater am Haidplatz
»Du kennst das arabische Wort für Vorhang.« – »Hijab.« – »Und wegen Mohammeds allzu menschlicher Ungeduld, mit seiner Frau zusammen zu sein, tragen Generationen muslimischer Frauen seinen Schlafzimmervorhang im Gesicht. Also wirklich.«
Das Kopftuch als das ultimative Feindbild des westlichen Feminismus – Alice Schwarzer würde dem wahrscheinlich zustimmen und Zarina auch. Sie ist die weibliche Protagonistin in dem Theaterstück The Who and The What von Ayad Akhtar, das momentan in Regensburg im Theater am Haidplatz aufgeführt wird.
von Pauline Fell und Anna-Lena Brunner
Religiöse Kopfbedeckung ist ja das Thema, wenn es um Gleichberechtigung und Feminismus – und eben derer angenommenen Nichtexistenz im Islam – geht, was auch von populistischen Geschwadern oft als Instrumentalisierung zu rechter Hetze gebraucht wird. Dass der Islam jedoch widersprüchlich, vielseitig und reflektierbar ist, beweist The Who and the What auf eine fast avantgardistische Weise. Es geht um Coming-of-age, um Suchen und Finden und um eine Kleinfamilie, die zwischen Feminismus und Glaube auf eine Zerreißprobe gestellt wird.
Da gibt es einmal Zarina (Verena Maria Bauer, im Beitragsbild links), die momentan an einem mysteriösen Buchprojekt arbeitet. Sie ist klug, hübsch und nicht auf den Mund gefallen, jedoch gerade massivst schreibblockiert. Der Vater der dreiköpfigen Familie ist Afzal (Gerhard Hermann, im Beitragsbild rechts), gebürtiger Pakistani und sehr religiös. Vom einfachen Taxifahrer zum Großunternehmer – er ist die Personifikation des American Dream. Mahwish (Inga Behring), die jüngere der beiden Töchter, verkörpert eigentlich den Stereotyp der gefolgsamen, gläubigen Muslima, da sie mit dem für sie vorgesehenen Weg und der Heirat ihres muslimischen Kindheitsfreunds im Reinen zu sein scheint, wäre da nicht der Yogalehrer Manuel … Nicht ganz dem klischeehaften Bild eines Muslims entsprechend ist Eli (Philipp Quest), der von Afzal über die Datingplattform muslimlove.com zum Schwiegersohn auserkoren wurde und dann tatsächlich Zarinas Ehemann wird. Weiß und erst später in seinem Leben zum islamischen Glauben konvertiert, stimmt er nicht immer mit den eher konservativen Ansichten seines Schwiegervaters überein.
Bei der Figurenkonstellation gilt die Devise »Weniger ist mehr«. Auch das Bühnenbild ist sehr simpel, reduziert und funktioniert mit einfachen, geometrischen Formen, was dem Stück genug Raum gibt, um seine Wirkung langsam zu entfalten. Dass das Schauspielensemble ja nur aus vier Personen besteht, trägt im Fall von The Who and The What ganz wesentlich zur Dynamik des Stückes bei. Mit Zarina und Afzal prallen zwei Welten des Islams aufeinander. Zum einen die konservative, rückständige Seite des Islams, verkörpert durch Afzal, dem es oft fast physische Schmerzen zu bereiten scheint, sich von seinen festgefahrenen Vorschriften und Regeln loszusagen. Antithetisch gegenüber steht dem Zarina. Sie ist Akademikerin und fühlt sich dazu berufen, den Menschen einen neuen, progressiven Islam näher zu bringen. Sein emanzipierter Schwiegersohn Eli ist Afzal ebenfalls ein Dorn im Auge. Deshalb nutzt er eine Situation aus, in der Eli praktischerweise gerade unter der Spüle feststeckt, um ihm Anweisungen in der Handhabung mit seiner Ehefrau zu geben. Das Gespräch von Mann zu Mann eskaliert und führt zu einem Kollaps beider Welten. In der Diskussion über Frauen – natürlich ohne deren Anwesenheit – empfiehlt der Vater Eli im Umgang mit seiner Tochter wortwörtlich: »Du musst sie brechen.« Das Abstruse der Szene, die traurige Realität der Aussage – außerhalb der Situationskomik ertappen wir uns dabei, wie wir über solche extrem frauenfeindliche Sätze lachen.
Fulminante Auseinandersetzungen zwischen den Charakteren, die nicht zuletzt durch die herausragende schauspielerische Leistung in Szene gesetzt werden, erzählen einen Konflikt, der über religiöse Ansichten hinausgeht und den Zuschauer tief hineinzieht, in das, was Mensch sein ausmacht – unsere Beziehungen zueinander. Auch widersprüchliche Beziehungen zu sich selbst werden vor allem durch die beiden NebendarstellerInnen Mahwish und Eli deutlich. Sie hadern mit vorgefertigten Rollenzuschreibungen und vielleicht auch mit dem vorsichtige Ausbrechen daraus und beweisen so, dass es nicht immer Entweder, Oder, Weiß oder Schwarz gibt. Sie vereinen zwei Weltanschauungen in sich und zeigen dadurch, wie Glaube sein könnte. Nämlich fortschrittlich, aber auch nicht zu viele Schritte von dem entfernt, was er ursprünglich einmal war.
Und genau darin steckt auch die Kraft des Stückes: widersprüche, messerscharfer Witz und eine genaue Analyse der Gesellschaft, in der wir selbst als ProtagonistInnen agieren. Was die einzelnen Figuren fühlen, was sie innerlich zerreißt, wo sie an ihre Grenzen stoßen und wenn sie einfach nicht aus ihrer Haut können … das alles wird so intensiv gespielt, dass wir mit Gänsehaut oder Tränen in den Augenwinkeln im Zuschauerraum sitzen und nicht merken, wie die Zeit verfliegt.
Karten für das Stück kann man auf der Website des Theaters reservieren.
Fotos: © Martin Kaufhold